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Es ist quasi ein "match made in heaven": Regisseurin Anna-Sophie Mahler verbindet eine lange Freundschaft mit der Gruppe um die beiden Aushängeschilder Joey Burns und John Convertino, hat sie die Band doch Ende der 1990er-Jahre als Geigerin auf einer Europatournee begleitet. Die Idee einer Zusammenarbeit für ein Musiktheaterstück reicht weit zurück, wobei man sich die nunmehrige Umsetzung keineswegs als erweitertes Konzert vorstellen sollte, sondern als homogene Verbindung zweier Welten.
Weiß, weiß und nochmals weiß war das Bühnensetting für die Ausgestoßenen und Gestrandeten, die Verlierer und Zurückgewiesenen, denen Williams ein Denkmal setzte. Während Burns und Convertino kurz als Don Quichotte und Sancho Panza in Erscheinung treten durften, bevor sie ihre angestammten Plätze an Gitarre und Schlagzeug einnahmen, huschten in der Folge ein sichtlich gebrochener Dichter Lord Byron, die undurchsichtige Esmeralda aus dem "Glöckner von Notre-Dame" oder Frauenheld Casanova über die Bühne. Alle waren sie auf der Suche nach Glück, doch der Camino Real entpuppte sich ein ums andere Mal als emotionale Sackgasse.
Wo Stücke wie "Endstation Sehnsucht" oder "Die Glasmenagerie" durch sozialpolitischen Realismus punkteten, wagte sich Williams in diesen Szenen in ganz andere Gefilde vor. Das absurde Theater blinzelte um jede Ecke, auch der gehetzte Duktus der Beat Generation machte sich in Form des gescheiterten Boxers Kilroy breit. An ihm lag es, den träumerischen Sequenzen eine gewisse Bodenhaftung zu verpassen, war er doch wortwörtlich gestrandet an diesem Nicht-Ort, der für seine Bewohnerinnen und Bewohner einen goldenen Käfig darstellte. Doch die glänzende Patina wurde schnell brüchig...
Die 16 Stationen des Wegs, stets lautstark vom zwielichtigen Hotelbesitzer Gutman angekündigt, wurden dank Calexico nicht nur von einer Handvoll neuer Songs begleitet, sondern auch in dichte Soundscapes gekleidet. Die sich nach hinten verjüngende Bühne legte wiederum den Blick frei auf sehr effektvolle Videoprojektionen, von schneebedeckten Bergen bis zur staubigen Rohheit der Wüste. Ein Platz für Wünsche eben, die sich dann doch nicht erfüllten, wie Bettina Lieder als Marguerite und Elias Elinighoff als Casanova in einer der schönsten, amüsantesten und traurigsten Szenen des Abends unterstrichen. Die Liebe, sie wurde hier längst zur Gewohnheit und leeren Hülle.
Während also eine Figur nach der anderen an sich und seinen Mitmenschen scheiterte, schlich Kilroy gebückt durch die Nacht, von seinem durchtriebenen Umfeld selbst als Punchingball missbraucht. Da half auch sein goldenes Herz nicht, wie sich nach zwei intensiven, aber äußerst kurzweiligen Stunden herausstellte. Ob am Ende des Camino Real nicht vielleicht doch Erlösung auf all die Wandernden wartet? Das lässt sich schwer sagen. Aber immerhin werden sie einen Song von Calexico auf den Lippen haben. Anna-Sophie Mahler ist mit ihrem Ensemble ein großer Wurf gelungen, der zurecht lautstark und anhaltend bejubelt wurde.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - "Camino Real" von Tennessee Williams. Regie: Anna-Sophie Mahler, Bühne: Katrin Connan, Kostüm: Victoria Behr, Komposition und Live-Musik: Calexico (Joey Burns, John Convertino, Martin Wenk) und Paul Wallfisch, Videoart: Max Hammel, Lichtdesign: Nicholas Langer. Mit: Joey Burns (Don Quichotte), John Convertino (Sancho Panza), Andreas Beck (Gutman), Paula Carbonell Spörk (La Madrecita De Los Perdidos), Günther Wiederschwinger (Der Überlebende, Der Dozent), Elias Eilinghoff (Jacques Casanova), Uwe Rohbeck (A. Ratt), Anke Zillich (Die Wahrsagerin), Stephan Kevi (Kilroy), Lavinia Nowak (Esmeralda), Bettina Lieder (Marguerite), Uwe Schmieder (Lord Byron), Paul Wallfisch (Pilot, Straßenkehrer), Martin Wenk (Straßenkehrer). Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien. Weitere Termine: 16. November, 29., 30. und 31. Dezember, 2. und 3. Februar, 27., 28. und 29. März sowie 28. und 29. April; www.volkstheater.at)
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