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Als Beispiel nannte von der Leyen Flüssiggas (LNG). "Wir erhalten immer noch viel LNG aus Russland", sagte sie. Die EU könne dies durch LNG aus den USA ersetzen. Das sei billiger und senke die Energiepreise. Hier sehe sie einen Ansatzpunkt für Verhandlungen mit den USA über den von Trump kritisierten europäischen Handelsbilanzüberschuss. Alleine Deutschland hatte mit den USA im vergangenen Jahr einen Rekord-Exportüberschuss von 63,3 Milliarden Euro erzielt. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu Trumps Zolldrohung: "Wir halten nichts von Protektionismus". Er zeigte sich bereit, mit Trump darüber das Gespräch zu suchen. Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist es "oberstes Ziel", "einen Wirtschaftskrieg zu verhindern".
Mit einem Auftrag an die EU-Kommission, die Harmonisierung der europäischen Wirtschaft voranzutreiben, wurde der zweitägige Gipfel der EU-Staats- und Regierungschef in Budapest beendet. Um die nötigen Investitionen für eine Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu finanzieren, soll verstärkt privates Geld mobilisiert werden. Beim Einsatz öffentlicher Mittel sind sich die EU-Staaten aber noch nicht eins.
Bis Juni 2025 werde die Brüsseler Behörde konkrete Vorschläge machen, wie der Binnenmarkt der Europäischen Union vertieft werden kann, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer anschließenden Pressekonferenz. Auch die Kapitalmärkte sollen stärker integriert werden. Damit soll erreicht werden, dass die Ersparnisse in der EU verstärkt in europäische Unternehmen investiert werden und nicht abfließen. Entscheidende Schritte in Richtung einer "Spar- und Investitionsunion" sollen bis 2026 gegangen werden. Fortschritte bei der Kapitalmarktunion seien "dringend", heißt es in der Erklärung.
Die EU-Bürger müssten überzeugt werden, ihr Geld vom Sparbuch vermehrt in innovative Unternehmen zu investieren, meinte der Gastgeber des Gipfels, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Von der Leyen und Orbán betonten zudem beide den Abbau von Bürokratie als einen Hebel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Die EU-Spitzen hatten sich am Freitag mit der Frage auseinander gesetzt, wie die Wettbewerbsfähigkeit des Union gestärkt werden kann. Der italienische Ex-Premier und frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hatte die dafür nötigen Investitionen in einem jüngst vorgestellten Bericht mit rund 800 Mrd. jährlich beziffert.
Bei der Frage der Finanzierung gehen die Meinungen unter den Mitgliedstaaten noch teils auseinander. In der Gipfelerklärung blieb es daher bei einer recht unverbindlichen Formulierung: "Wir werden die Entwicklung neuer Instrumente prüfen. Wir werden weiterhin an der Einführung neuer Eigenmittel arbeiten." Zudem wird auf die umzusetzende Kapitalmarkt sowie die Europäische Investitionsbank (EIB) verwiesen, um private Gelder zu mobilisieren.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hält es für verfrüht, über eine gemeinsame EU-Schuldenaufnahme dafür zu reden. Zuerst müssten die Maßnahmen festgelegt werden, wie Europas Wirtschaft gestärkt werden kann, sagte Nehammer vor dem EU-Gipfel. Auch er verwies auf den Kapitalmarkt, um die notwendigen Investitionen anzuregen.
"Zuerst die Frage, (...) was können wir tun, um die Infrastruktur der Europäischen Union - die Schienennetze, die Straßennetze - besser auszubauen. Einen gemeinsamen Energiemarkt zum Beispiel zu schaffen", so der Kanzler gegenüber Journalisten. Bei der Finanzierung habe die EU ein großes Defizit, "und das heißt: Kapitalmarkt". "Wir brauchen die Bankenunion. Wir brauchen den gemeinsamen Finanzplatz, wir brauchen Risikokapital, das dann dazu verwendet werden kann, um eben Investitionen anzuregen und voranzutreiben." Die gemeinsame Schuldenaufnahme im Zuge der Covid-Pandemie habe weiters zu einer starken Zinsbelastung geführt, meinte der Kanzler.
Laut dem scheidenden EU-Ratspräsidenten Charles Michel könnte die Europäische Investitionsbank (EIB) ein "machtvolles Instrument sein", um "mehr privates Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen". EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte ihrerseits, dass sich Europa auf Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätze konzentrieren müsse. "So können wir weiterhin unsere umfassenden sozialen Sicherheitsnetze haben", sagte sie zum Auftakt des Gipfels.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, Europa müsse für mehr Wettbewerbsfähigkeit die "Hemmschuhe" ausziehen. "Das gelingt, indem wir mehr Kapital mobilisieren. Das gelingt aber auch durch massiven Bürokratieabbau."
Bereits am Donnerstagabend kamen die EU-Spitzen zu einem Abendessen in der ungarischen Hauptstadt zusammen, um sich unter anderem über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten auszutauschen. Europa sei besser aufgestellt für eine kommende US-Regierung unter Trump als während der ersten Amtszeit des Republikaners, meinte dazu Kanzler Nehammer am Freitag in der Früh.
Dem Dinner war am Donnerstag ein Treffen der 47 Länder umfassenden "Europäischen Politischen Gemeinschaft" (EPG/EPC) vorangegangen, an dem unter anderen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan und der serbische Präsident Aleksandar Vučić teilgenommen haben. Die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron initiierte informelle Plattform soll nach den Absichten von Paris weiter gestärkt werden, etwa mit der Etablierung eines Generalsekretariats, hieß es in französischen Gipfelkreisen am Freitag.