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EuGH: Wolf darf in Österreich aktuell nicht gejagt werden

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Wölfe dürfen in Österreich weiterhin nicht abgeschossen werden
©APA/APA/dpa/Bernd Weißbrod
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Der Wolf darf in Österreich weiterhin nicht gejagt werden. So urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einem beeinspruchten Tiroler Fall. "Eine Ausnahme von diesem Verbot zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist", heißt es. In Tirol sah man "keine unmittelbaren Auswirkungen", man werde weiter Problemwölfe abschießen.

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Tierschutzorganisationen hatten Beschwerde eingelegt, nachdem die Tiroler Landesregierung 2022 einen Wolf per Bescheid zum Abschuss freigab. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) hatte daraufhin den EuGH um eine Auslegung des EU-Rechts in dieser Frage gebeten. Die Richter in Luxemburg mussten unter anderem die Frage beantworten, ob es dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, dass Wölfe in einigen europäischen Ländern vom strengen Schutzregime der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie ausgenommen sind, in Österreich aber nicht. Nein, lautet die Antwort: Österreich habe bei seinem Beitritt in die Europäische Union 1995 anders als andere Staaten keine Vorbehalte gegen den hohen Schutzstatus beim Wolf angemeldet.

Einen Wolf auch unter der aktuellen Rechtslage zum Abschuss freizugeben, geht nur, wenn die Wolfspopulation sich in einem guten Erhaltungszustand befindet und die Jagd diesen nicht gefährdet - und zwar sowohl mit Blick auf Tirol, Österreich und auf das grenzüberschreitende Verbreitungsgebiet. Zudem müssen vor einem Abschuss auch andere Lösungen, wie zum Beispiel Almschutzmaßnahmen in Betracht gezogen werden.

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ zeigte sich in einer Reaktion auf die Entscheidung gelassen. Diese habe "keine unmittelbaren Auswirkungen auf Tirol, bringt aber leider auch keine Erleichterungen", teilte der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) mit. Tirol erfüllt mit aktueller Rechtslage europarechtliche Anforderungen, spielte Geisler darauf an, dass die Raubtiere im Bundesland mittlerweile nicht mehr per Bescheid, sondern nach Verordnungen abgeschossen werden.

Auch in Salzburg hält die zuständige Landeshauptmannstellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) an der bisherigen Abschusspraxis fest: "Für uns ändert sich durch das EuGH-Urteil nichts. Bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen kann ein Wolf durchaus entnommen werden." Die in Salzburg angewendeten Maßnahmenverordnungen würden auf Einzelfallprüfungen fußen, damit sei man "absolut rechtskonform" unterwegs. Im Bundesland wurden im Juli 2023 ein erster und im Juni 2024 ein zweiter Wolf offiziell erlegt, ein dritter soll laut Svazek bereits am Wochenende zum Abschuss freigegeben werden. Das Tier soll Anfang des Monats in Niedernsill (Pinzgau) mindestens fünf Schafe gerissen haben.

Auch Kärntens Jagd- und Agrarreferent Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) meinte: "Die Entscheidung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Wolfsmanagement in Kärnten, das auf einer Verordnung und einem Alm-und Weideschutzgesetz beruht. Seine Amtskollegin aus Oberösterreich, Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP), hielt fest: "In Oberösterreich findet keine planmäßige Wolfsjagd statt, welche nach dem aktuellen EuGH-Urteil einen günstigen Erhaltungszustand voraussetzt." Damit sei das Vorgehen in ihrem Bundesland "rechtlich gedeckt und im Einklang mit dem jüngsten EuGH-Urteil".

In Vorarlberg forderte der zuständige Landesrat Christian Gantner (ÖVP) die Absenkung des europäischen Schutzstatus des Wolfes. "Der europaweit strengste Schutz des Wolfes ist überholt und muss im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung und Nutztiere rasch zurückgenommen werden", so Gantner. In Vorarlberg betreibe man keine reguläre Jagd, sondern Einzelfallentnahmen von Problemwölfen. Der Wolf sei keine gefährdete Tierart und gehöre reguliert wie jede andere Wildart auch, verlangte er.

Anders sehen das Rechtsexperten, die meinen, dass mit dem heutigen Urteil der Wolf in Österreich nicht mehr gejagt werden darf. Ansonsten könnte Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren drohen, sagt der Vorstand des Instituts für Europarecht der JKU Linz, Franz Leidenmühler, im APA-Gespräch. Ähnlich äußerte sich auch der Europarechtsexperte Walter Obwexer in der "Tiroler Tageszeitung".

ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig blieb indes auf bisheriger Wolfs-Linie. "Fakt ist, der Wolf ist mit über 20.000 Individuen in Europa nicht mehr vom Aussterben bedroht. Zudem verliert das Großraubtier zunehmend die Scheu vor dem Menschen", erklärte der Minister in einer Aussendung. Er werde weiterhin auf EU-Ebene dafür kämpfen, dass der Schutzstatus gesenkt wird.

"Ich hoffe, das Urteil führt jetzt auch wieder zu einer Versachlichung der Debatte. Wer den Landwirtinnen und Landwirten tatsächlich helfen will, sollte sich um diese Sachlichkeit bemühen", sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) noch bevor das Urteil bekannt wurde am Rande einer Pressekonferenz. Es brauche entsprechende Unterstützung beim Herdenschutz.

Kritik am Urteil kam vom EU-Abgeordneten der FPÖ, Roman Haider. "Insbesondere der Hinweis auf angebliche gelindere Mittel wie den Almenschutz demonstriert, dass die Richter keine Ahnung von den Gegebenheiten im alpinen Gelände haben", schreibt er in einer Aussendung. Er fordert eine Herabsetzung des Schutzstatus von Wölfen. "Nur wenn der strenge Schutzstatus des Wolfes gelockert wird, kann es ein für alle Seiten gedeihliches Zusammenleben von Mensch, Weidetier und Wolf geben", so Haider.

Gegner der Wolfsentnahmen freuten sich naturgemäß über das Urteil, so auch WWF Österreich und Ökobüro die den Rechtsstreit in Österreich führen. "Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben. Je rascher Bund und Länder in den Schutz der Almweidetiere investieren, desto eher kann sich die Landwirtschaft auf die neue Situation einstellen", reagierte auch Lucas Ende vom Naturschutzbund. Die Tierschutzorganisation VGT fordert dann "alle Landesrät:innen, die Wolfsabschussverordnungen verabschiedet haben, auf, die Rechtsbrüche mit sofortiger Wirkung einzustellen und das illegale Töten zu stoppen", heißt es in einer Aussendung.

Obwohl der EuGH die Wolfsjagd eigentlich weiter für verboten erklärte, sieht der Bauernbund dagegen das Vorgehen der Bundesländer beim Wolfsmanagement durch den Urteilsspruch bestätigt und meint "auch der EuGH bestätigt nun, dass die Vorgangsweise, Problemwölfe zu entnehmen, richtig ist." Ähnlich äußerte sich auch Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger in einer Aussendung.

Laut dem "Österreichzentrum Bär-Wolf-Luchs" gab es heuer bisher sechs Wolfsentnahmen, vier davon in Kärnten und jeweils eine in Tirol und Salzburg. Im Jahr davor gab es 14 Wolfsentnahmen.

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