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Grüne wollen ÖVP-Entwurf zu Überwachung begutachten lassen

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Karner drängt weiter auf neue Überwachungsmöglichkeiten
©APA/APA/HELMUT FOHRINGER/HELMUT FOHRINGER
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Nach den verhinderten mutmaßlichen Anschlagsplänen auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien öffnen sich nun die Grünen für eine mögliche Erweiterung der Befugnisse der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) zur Messenger-Überwachung: Ein entsprechender Entwurf des Innenministeriums soll in die Begutachtung geschickt werden, hieß es am Montag zur APA. Dann hätten Juristen und Experten "Gelegenheit, sich eine fundierte Meinung zu bilden".

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Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte am Montag einmal mehr "moderne Überwachungsmethoden" gefordert. Ein diesbezüglicher Gesetzesentwurf liege seit Monaten bei den Grünen, sagte Karner am Rande eines Pressetermins. Die darin enthaltenen Möglichkeiten etwa zur Messenger-Überwachung "machen Sinn", für ein "andauerndes Herumschrauben" habe er "kein Verständnis". "Terroristen schreiben keine Briefe", betonte der Innenminister und verwies für weitere Nachfragen auf den Koalitionspartner. Man sei für die Umsetzung auf eine Mehrheit im Nationalrat angewiesen. Die Grünen hatten sich zuletzt grundsätzlich gesprächsbereit gezeigt, jedoch einen Vorschlag gefordert, der grundrechts-, datenschutz- sowie verfassungskonform sei.

Montagnachmittag hieß es nun aus dem Grünen Klub, dass man für eine transparente Diskussion in der Öffentlichkeit sei. "Klar ist, dass wir alles tun müssen, um terroristische Gewalttaten zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen", meinte Klubobfrau Sigrid Maurer in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof 2019 zum Bundestrojaner gibt es viele offene Fragen, die bisher nicht ausreichend geklärt werden konnten. Um diese Klärung zu ermöglichen, ist es jetzt an der Zeit, den BMI-Entwurf in eine öffentliche Begutachtung zu schicken."

In der Phase der Begutachtung, die üblicherweise sechs Wochen dauere, hätten Juristen, Verfassungsrechtler, Technik- und Datenschutzexperten, die Opposition und die Öffentlichkeit "die Gelegenheit, sich eine fundierte Meinung zu bilden". Bei diesem Thema gehe es um die Abwägung zweier wichtiger Anliegen, bekräftigten die Grünen: Sicherheit vor Terrorismus und Schutz der Bürgerrechte. "Ein so großes Vorhaben muss auch entsprechend breit von Expert:innen und auf Grundlage von Fakten diskutiert werden - tun wir das transparent in der Öffentlichkeit, damit sich alle ein Bild zum Entwurf des Innenministeriums machen können", meinte Maurer.

Zudem forderten die Grünen ein Gesetz für Sicherheitsfirmen. Diese seien derzeit "keinen Qualitätsstandards und Kontrollen unterworfen", kritisierte Maurer. "Es existieren weder eine einheitliche Ausbildung noch Mindestanforderungen für das Personal". Diese durch die Ermittlungen offenkundig gewordenen "Missstände" sollten durch ein "Sicherheitsdienstleistungs-Gesetz" behoben werden. Die Grünen wollen darin jedenfalls eine Registrierungspflicht für sowie Kontrolle von Sicherheitsunternehmen umgesetzt sehen, außerdem sollen Beschäftigte behördlich registriert werden, inklusive eines Abgleichs mit den Sicherheitsbehörden. Die Ausbildung für das Personal solle standardisiert werden. Maurer kündigte diesbezügliche Gespräche mit dem Koalitionspartner an.

Karner hatte zuvor auf Nachfrage im Rahmen der Pressekonferenz eine mögliche Schaffung einer verpflichtenden Sicherheitsüberprüfung für Mitarbeiter bei Großveranstaltungen begrüßt. Dies wäre "gut und vernünftig". Dass laut "Standard" (Montag-Ausgabe) nach aktuellem Ermittlungsstand acht für das Konzert vorgesehene Security-Mitarbeiter als amtsbekannt identifiziert worden seien - was auch die Grünen zum Anlass ihrer Forderung genommen hatten -, bestätigte Karner auf Nachfrage nicht. Zu den andauernden Ermittlungen sagte Karner am Montag, es verfestige sich das Bild von "Anschlagsplanung und Radikalisierung". Derzeit würden Datenträger wie Mobiltelefone und Kontakte analysiert, so Karner. Medial berichtete Details wollte der Minister mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht kommentieren.

Die Freiheitlichen orteten indes die Verantwortung für die Konzertabsagen bei der Volkspartei. Die ÖVP habe ein "peinliches Sicherheitschaos" hinterlassen, kritisierte Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Dieses bzw. die verbundene Kommunikation sei für die schlussendlichen Absagen verantwortlich. Man habe nach der Warnung aus dem Ausland "viel zu lange zugewartet, anstatt entschlossen zu handeln". Dadurch seien auch die Leben jener Menschen gefährdet worden, die sich bereits einen Tag vor dem ersten geplanten Konzert beim Stadion aufgehalten hatten. Man habe offenbar aus dem Terroranschlag vom 2. November 2020 nichts gelernt, schlussfolgerte Schnedlitz: "Die ÖVP hat es allen Ernstes geschafft, die Sicherheit komplett gegen die Wand zu fahren". Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sowie die zuständigen ÖVP-Minister sind für die FPÖ "rücktrittsreif".

Der 19-jährige mutmaßliche Anhänger der radikalislamistischen Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS), der gemeinsam mit einem 17-Jährigen einen Terror-Anschlag auf ein Taylor Swift-Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion geplant haben soll, soll zuletzt sämtliche gegen ihn gerichteten Vorwürfe bestritten haben. Am Montag gab es beim 19-Jährigen einen Verteidigerwechsel. Er werde nun ausschließlich von ihm vertreten, teilte der Wiener Rechtsanwalt Werner Tomanek der APA mit. Er habe am Freitag nach einer Besprechung mit den Eltern das Mandat übernommen. Zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten werde er sich erst nach dem Studium des Akts äußern, meinte Tomanek. Die Rechtsanwältin Ina-Christin Stiglitz legte wiederum gegenüber der APA Wert auf die Feststellung, dass sie bis Montagmittag ein Mandatsverhältnis hatte: "Natürlich hatte ich eine Vollmacht." Dann sei es - wohl auf Wunsch der Eltern - zu einem Verteidigerwechsel gekommen.

Sowohl der 19-Jährige wie auch der 17-Jährige sitzen wegen Tatbegehungsgefahr in Wiener Neustadt in U-Haft. Auch ein weiterer 18-jähriger Bekannter des Hauptverdächtigen wurde am Sonntag in U-Haft genommen. Er soll jedoch nichts von den mutmaßlichen Anschlagsplänen gewusst haben. Die drei vergangene Woche geplanten Konzerte von Popstar Taylor Swift waren nach Bekanntwerden der Terrorpläne abgesagt worden.

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