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Keir Starmer ist neuer britischer Premierminister

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Keir Starmer zieht in die Downing Street 10 ein
©APA/APA/AFP/HENRY NICHOLLS
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Keir Starmer ist neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs. König Charles III. beauftragte den Sozialdemokraten mit der Regierungsbildung. Der 61-Jährige hatte mit seiner Labour Party bei der Parlamentswahl am Donnerstag einen deutlichen Sieg errungen und die Konservativen abgelöst, die 14 Jahre lang das Land regiert hatten. Starmer versprach am Freitag einen Neustart. Der bisherige konservative Premierminister Rishi Sunak kündigte seinen Rücktritt als Parteichef an.

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Starmer kündigte bei seinem ersten Auftritt als Regierungschef eine Rückkehr zu Stabilität und Wachstum und einen umfassenden Kurswechsel an. "Es dürfte jedem klar sein, dass unser Land einen größeren Neustart braucht", sagte er am Freitag vor seinem Amtssitz in der Downing Street in London. Die Briten müssten wieder entdecken, was sie ausmache. "Unabhängig von den Stürmen der Geschichte war eine der größten Stärken dieser Nation immer unsere Fähigkeit, einen Weg zu ruhigeren Gewässern zu finden", erklärte er vor dem Hintergrund einer wachsenden Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Lage und dem teils desolaten Zustand des öffentlichen Dienstes.

Starmer betonte, die Wähler hätten sich für einen Wechsel entschieden. "Sie haben uns ein klares Mandat erteilt, und wir werden es nutzen, um Veränderungen herbeizuführen." Die Regierung werde jeden Tag kämpfen, bis das Vertrauen wiederhergestellt sei. "Ab sofort haben Sie eine Regierung, die nicht von Dogmen belastet ist, sondern allein von dem Willen geleitet wird, Ihren Interessen zu dienen. Um jene zu widerlegen, die unser Land bereits abgeschrieben haben."

Zuvor war Starmer von Hunderten Parteifreunden und Unterstützern in der Downing Street unter großem Jubel empfangen worden. Seine Labour Party hatte einen überwältigenden Sieg bei der Parlamentswahl eingefahren. Mit mindestens 412 Sitzen hat sie mehr als dreimal so viele Mandate wie die Konservativen, die nun auf den Oppositionsbänken Platz nehmen müssen.

Auf den neuen Regierungschef kommen etliche Herausforderungen im Land zu - etwa die Überlastung des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS, Probleme in der Wohnungspolitik oder die Frage, wie das Land mit Einwanderung umgehen will. Großes Thema im Vereinigten Königreich sind auch die gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Politisch verspricht Starmer wirtschaftliche Stabilität, ein besseres Gesundheitssystem und stärkeren Grenzschutz. Er will ein nationales Unternehmen für die Energieversorgung gründen und mehr Lehrer einstellen. Kippen will er den Plan der bisherigen Regierung, irreguläre Migranten ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda abzuschieben. Eine Rückkehr seines Landes in die EU hat er ausgeschlossen.

Den abgewählten Tories droht nun ein Richtungsstreit. Sie kommen auf ein historisch schlechtes Ergebnis. Für Sunak ist es eine schwere Niederlage. Der 44-Jährige kündigte am Freitag an, er werde als Parteichef zurücktreten, sobald die formalen Regelungen für die Nachfolge geklärt seien.

Die Partei verlor ihre Mehrheit und kommt nach Auszählung fast aller Stimmen nur noch auf 121 von 650 Mandaten. Bei der vergangenen Wahl hatte sie 365 Sitze im Unterhaus errungen. Labour gewann die Wahl mit großem Vorsprung und kommt nun auf mindestens 412 Sitze.

Sunak entschuldigte sich bei den Wählern. Er habe alles gegeben, aber das Urteil sei deutlich. "Ich habe Ihre Wut und Ihre Enttäuschung vernommen, und ich übernehme die Verantwortung für diese Niederlage", sagte er. Seinem Nachfolger Starmer wünschte er Erfolg.

Die Konservativen regierten in Großbritannien seit 2010. Sunak hatte die Parteiführung und damit das Amt des Regierungschefs im Oktober 2022 übernommen. Er war Nachfolger von Premierministerin Liz Truss, die mit ihrer Politik Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatte und nach 49 Tagen im Amt zurücktreten musste. Zuvor hatte auch deren Parteikollege Boris Johnson nach verschiedenen Skandalen seinen Hut nehmen müssen.

Die Unzufriedenheit über die beiden Vorgänger Sunaks war nach Angaben des Politikwissenschafters John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow der Hauptgrund für die desaströse Niederlage der Tories.

Seinen eigenen Wahlkreis gewann Sunak deutlich. Sunak sagte, er freue sich darauf, in den kommenden Wochen mehr Zeit in seinem Wahlkreis zu verbringen. Die Konservative Partei wird jetzt die Opposition im Unterhaus stellen und steht vor einem Richtungsstreit. Erwartet wird, dass ihr ein weiterer Rechtsruck bevorsteht.

Nach den schweren Mandatsverlusten ist die Partei ausgedünnt. Mehrere potenzielle Nachfolger haben ihren Sitz verloren, darunter Verteidigungsminister Grant Shapps und die bisherige Ministerin für Parlamentsfragen, Penny Mordaunt. Handelsministerin Kemi Badenoch dagegen, der bisher ebenfalls gute Chancen eingeräumt werden, verteidigte ihr Mandat. Sie steht am rechten Rand innerhalb der Partei, ebenso wie die frühere Innenministerin Suella Braverman, die ebenfalls als aussichtsreiche Kandidatin für die Parteiführung gilt.

Als moderatere potenzielle Kandidaten gelten der bisherige Innenminister James Cleverly und der bisherige Staatssekretär Tom Tugendhat. Auf die Frage, ob er sich bewerben wolle, antwortete Cleverly in einem Interview mit dem Sender Sky News eher ausweichend.

Die Tories stehen von rechts unter Druck von der rechtspopulistischen Partei "Reform UK". Deren Chef Nigel Farage hatte mit seiner überraschenden Kandidatur Wähler am rechten Rand abspenstig gemacht. Er trieb einst maßgeblich den Brexit voran und gilt als Unterstützer des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Auch Farage zog ins Parlament ein und wird eine kleine Gruppe von Abgeordneten anführen. Sein erklärtes Ziel ist es, die Konservative Partei zu übernehmen oder überflüssig zu machen.

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