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"Man weiß, was man geleistet hat und ist erstaunt, dass man es in so kurzer Zeit hinbekommen hat", beschreibt die 70-jährige Kulturmanagerin im Gespräch mit der APA ihr Grundgefühl nach den Abschlussveranstaltungen von "Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024". "Es ging darum, in die gesellschaftlichen Ritzen reinzugehen und zu schauen, wo kann man durch Kunstprojekte Visionen aufmachen, Brücken bauen, Türen aufstoßen, - und das ist uns, glaube ich, ganz gut gelungen."
Gelungen sei vor allem, erstmals das Kulturhauptstadtkonzept erfolgreich auf den ländlichen Raum anzuwenden. "Europa weiß, dass der ländliche Raum ein Zukunftsraum ist. Europa muss sehr viel daran setzen, dass dieser Raum besser aufgestellt wird. Denn der Euroskeptizismus manifestiert sich vor allem im ländlichen Raum." Hier mit Kultur nachhaltig gemeinsame Initiativen zu entwickeln, sei wichtiger denn je. Der mit Bad Ischl eingeschlagene Weg werde auch bei der Weiterentwicklung des Kulturhauptstadt-Konzepts eine Rolle spielen: "Ich glaube, das Format ist für Europa nach wie vor interessant, weil es zeigt, wie sich das Eigene mit dem Fremden verbinden kann, und wie europäische Städte trotz unterschiedlicher Kulturen zusammenarbeiten können", spielt sie auch auf gelungene Kooperationen mit den beiden anderen Kulturhauptstädten, dem norwegischen Bodo und Tartu in Estland, an.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit sei auch politisch wichtig, so Schweeger: "Man hat das Gefühl, wir gehen wieder retro: Jeder schirmt sich ab, es ist ein absoluter Isolationismus, der im Augenblick politisch betrieben wird, den ich höchst bedenklich finde. Das hat Europa schon einmal in einen großen Krieg geführt. Müssen wir den gleichen Stumpfsinn aus den 1920er-Jahren wiederholen? Auch dafür sind Kulturhauptstädte gut - weil sie solche Sachen aufarbeiten. Auch wenn es nicht unbedingt angenehm ist."
Begonnen hatte es im Jänner mit einer Freiluft-Eröffnung in klirrender Kälte und anschließenden heißen Debatten um einen einzigen Programmteil, den "Pudertanz". "Der Tanz von der Doris Uhlich wurde versucht als Pornografie darzustellen - das hat die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige genau geprüft und zurückgewiesen. Die war ganz eindeutig: Es waren keine Kinder dabei, es gab keine Pornografie, keine Aufforderung zu sexuellen Handlungen. Das war ein inklusives Tanzprojekt, berührend und die Reaktion vielleicht verständlich, aber eigentlich peinlich."
Die entstandene Erregung nimmt die künstlerische Leiterin betont gelassen. "Das darf Kunst und soll sie auch können - dass sie zu Diskussionen führt. Die ganze Eröffnung ist eine der besten der vergangenen Jahre gewesen, wurde uns beschieden, und hat eine weltweite Aufmerksamkeit auf die Region gebracht."
Die kritische Haltung zu Beginn sei bisher eine Begleiterscheinung aller Kulturhauptstädte gewesen, erzählt Schweeger. Die Stimmung habe sich aber gedreht und die meisten Projekte seien trotz teilweise durchaus kontroverser Inhalte völlig friktionsfrei über die Bühne gegangen. Ausnahmen wie das vom Wiener Künstler Alfredo Barsuglia in Bad Goisern vergrabene Wohnzimmer und skulpturale Interventionen von Plättenbauer Wolfgang Müllegger hätten Dinge in Bewegung gebracht - auch in den Köpfen mancher Menschen, die Traditionen als etwas Starres, Unveränderliches ansehen würden.
"Ich bin der Meinung, dass Identität etwas Fluides ist. Das ist eine Addition von vielen Geschichten, die neue Zeit addiert sich dazu. Die Kulturhauptstadt hat jetzt weitere Geschichten dazu addiert - aber manche brauchen vielleicht noch ein Weilchen, bis sie anfangen zu blühen", so Schweeger. "Eine Kulturhauptstadt bringt keine finalen Lösungen, sondern zeigt Möglichkeiten auf. Auch dort, wo man sie nicht vermutet hätte."
Die Kulturhauptstadt hinterlasse einige Anstöße, neue Institutionen wie das künftig kulturell genutzte alte Sudhaus in Bad Ischl, oder Renovierungsprojekte wie das Lehartheater: "Wie ich gekommen bin, war mir klar, dass sich die Renovierung zeitlich vorher nicht mehr ausgehen wird, aber meine Bedingung war, dass wir es bespielen können. Ich bin sehr stolz, dass uns das gelungen ist - und bin auch sehr froh, dass wir die Renovierung durchgebracht haben."
Bleiben werden auch so manche kleinere Initiativen wie die schwimmende Sauna am Traunsee, die sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zum Erfolg entwickelte und auch von Schweeger selbst zweimal benutzt wurde. "Plateau Blo war der Ort, wo man schwitzend wichtige Themen, die uns betreffen, besprochen hat. Das war ein sehr schönes Projekt, hat soziales Engagement und sportliches Miteinandersein gefördert und hat super funktioniert! Das wird gelagert und hat ab April 2025 einen festen Hafen im Stiftsteich im Skulpturenpark flora pondtemporary von St. Florian."
Recht unterschiedlich fällt die Bilanz in den insgesamt 23 teilnehmenden Gemeinden aus. "Einige haben sich unglaublich ins Zeug gelegt, haben sehr viel eigene Sachen gemacht und eine Sogwirkung erzeugt. Andere waren eher in einer Warteposition: Was liefert ihr uns? Und es gibt natürlich auch ein paar wenige, die nicht so gesehen haben, worin der Vorteil gelegen ist. Die von vornherein dagegen waren, konnte man nicht alle überzeugen."
Dabei habe man in vielen unterschiedlichen Feldern Spuren hinterlassen: So habe man etwa dem Tourismus einen Anschub gegeben, Handwerkern einen Auftritt und Aufträge in England verschafft, die Kommunikation und mit Ausweitung des ÖBB-Fahrplans und des Salzkammergut-Taxis auch die Verkehrssituation zwischen den Gemeinden verbessert. "Das braucht eine Zeit, bis sich das einlebt, aber das sind Erfolge, die der Region helfen! Das sind kleine Schritte, die eigentlich die Politik hätte machen müssen."
Die Politik neigt jedoch angesichts immer größerer Budgetnöte derzeit eher zu Einsparungen, wie man etwa am angedrohten kulturellen Kahlschlag in Berlin sieht. "Wenn's der Wirtschaft schlecht geht, wird der Rotstift schnell in der Kultur angesetzt - ob das von rechts oder links ist. Kunst ist sichtbar. Wenn man dort spart, ist das ein vermeintlich starkes Signal, das Politik setzen kann. Ob man damit den Haushalt saniert? Bestimmt nicht. Aber man zerstört damit die kulturelle und geistige Resilienz einer Gesellschaft."
Dennoch gibt sich Schweeger, die künftig bei der Gestaltung des Kulturprogramms des Forum Alpbach mitarbeiten wird, kämpferisch: "Vor Kürzungen hab ich keine Angst. Ich hab so viele Kürzungen in meinem Leben mitgemacht und trotzdem Kunst gemacht. Ich kann auch mit wenig Geld viel herausholen - das ist mein Ehrgeiz, auch wenn es manchmal mehr als eng ist und man erfinderisch sein muss, und das haben wir mit der Kulturhauptstadt gerade wieder bewiesen!"
Der überall zu konstatierende Rechtsruck berge aber größere Gefahren: "Mich beunruhigt eher, wenn man verkündet: 'Na, das wird dann bei uns nicht mehr möglich sein!' Dann wird nämlich die Verfassung nicht mehr eingehalten! Die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Wissenschaft, die Freiheit der Presse ist dann nicht mehr gegeben! Das ist eine vorprogrammierte Zensur, und gegen die wehre ich mich. Wir haben schwer gekämpft für demokratische Grundregeln, und ich wünsche mir, dass sie auch erhalten bleiben."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)