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"Der Rücktritt passiert am Freitag", sagte Nehammer in dem am Montag aufgezeichneten Podcast. Seinen Rücktritt - sowohl als Bundeskanzler als auch als ÖVP-Chef - hatte Nehammer bereits am Vortag angekündigt. Innerparteilich ist die Übergabe schon erfolgt, der bisherige ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker wurde am Sonntag zum geschäftsführenden ÖVP-Obmann bestimmt. Wer Nehammer im Kanzleramt interimistisch nachfolgen wird, ist hingegen noch offen.
Gefragt, warum er jetzt gleich am Freitag als Kanzler abtritt und nicht noch zuwartet, bis sich die neue Regierung fertig gebildet hat, sagte Nehammer, er habe diese Option nicht ziehen wollen. "Denn ich finde, es ist wichtig, wenn man etwas sagt, es auch zu tun" und dazu zu stehen. "Und ich habe immer gesagt, wenn es nicht gelingen sollte, diese besondere Form der Koalition zu bilden mit den Sozialdemokraten und den Neos, dann übernehme ich die Verantwortung dafür."
Sein Ziel sei es gewesen, FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler zu vermeiden, "weil ich immer der Überzeugung und der Haltung war, dass das durch sein Amtsverständnis, wie er Politik lebt, nicht gut ist für unser Land". Dies sei ihm nicht gelungen in den Koalitionsverhandlungen, das habe "vielerlei Gründe". "Aber gerade dann ist es wichtig, finde ich, wenn das dann eben so eintritt, dann auch den Menschen zu zeigen, nach wie vor zu zeigen, dass das, was ich vorher gesagt habe, auch nachher einhalte."
Auf die Frage, woran die Koalitionsverhandlungen jetzt wirklich gescheitert sind, sagte Nehammer, er wolle "eigentlich dieses Klein-Klein der Diskussion vermeiden". Er könne aber "bis zu einem gewissen Maß" auch die Einschätzung der Neos teilen: "Es ist so, dass Andreas Babler als Vorsitzender der SPÖ hier tatsächlich nicht immer einfach nachvollziehbar war in dem, was er tatsächlich wollte oder will." Auch sei es wichtig, in Verhandlungen "Disziplin" zu haben, diese hat Nehammer bei der SPÖ offenbar vermisst: "Wir hatten zum Beispiel mal eine Situation, da haben wir uns ausgemacht, dass wir uns noch einmal zusammensitzen, um weitere Details zu besprechen. Und da sind die Sozialdemokraten einfach gar nicht gekommen. Und dann hat es geheißen, naja, das war irgendwie ein Missverständnis." Bei ihm seien aber alle anwesend gewesen, das ganze Verhandlungsteam der Volkspartei. "Das lässt dann schon auch ein Stück weit Ernsthaftigkeit in den Verhandlungen vermissen."
Es sei "von allen Seiten in der Volkspartei" das Bemühen da gewesen, die Verhandlungen zu einem Erfolg zu bringen, beteuerte Nehammer. Harald Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident habe sich "mehr als redlich bemüht, auch mit seinem Gegenüber, entweder Wolfgang Katzian von Seiten des Gewerkschaftsbundes und der FSG, also der Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter, beziehungsweise Beppo Muchitsch, hier Lösungen zu finden." Es sei aber aufgrund der inhaltlichen Differenzen nicht möglich gewesen.
"Aber es ist falsch, hier die Behauptung aufzustellen, dass hier irgendjemand bewusst die Verhandlungen hätte scheitern lassen - außer eben, dass bei Andreas Babler sichtbar war, dass er nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen, die wichtig sind für ein Gelingen einer solchen Verhandlung." Es habe bei Babler und der SPÖ "so ein Comeback der Klassenkampfrhetorik, der retro-sozialdemokratischen Politik" gegeben, "das aus meiner Sicht ungeeignet ist, die großen Probleme der Zukunft zu lösen". Nehammer sprach von "Retro-Konzepten", mit denen die SPÖ gekommen sei, etwa der Forderung einer Schenkungs- und Erbschaftssteuer oder Gewinnsteuer für große Konzerne.
"Ich kenne sehr viele vernünftige Sozialdemokraten, auch die das Staatsganze im Blick haben, die auch gewusst haben, wie viel am Spiel steht", sagte Nehammer. "Ich bin davon überzeugt, wären die mein Gegenüber gewesen, diese Gruppe in der Sozialdemokratie, dann wären wir schon längst fertig und hätten ein tragfähiges Regierungsprogramm, hätten nicht die Situation erlebt, dass die Neos sich überfordert gefühlt haben und dann aufgestanden sind."
Christian Stocker sei er "enorm dankbar", dass er die "schwere Bürde" der Parteiführung übernommen hat. Es gehe nun darum, alles zu versuchen, eine stabile Regierung zu bilden, betonte er. Dass die ÖVP nun doch bereit ist, mit Kickl zu koalieren, sieht Nehammer nicht als unredlich an. Es gehe um das Ziel und um Staatsräson, im Sinne des "großen Ganzen", so der Ex-ÖVP-Chef.
Künftig wolle er keine Interviews mehr geben, sagte der scheidende Kanzler in seinem Podcast und bejahte die Feststellung des Moderators, dass der Podcast "sozusagen auch der Abschied" sei. "Ja, ich glaube, das ist wichtig", sagte er. Er finde es "entbehrlich", dann "als sogenannter Balkon Muppet" von der Seite zu kommentieren. "Ich werde alles dafür tun, mich zu hüten, so zu werden."
(S E R V I C E : Der Podcast ist abrufbar unter https://go.apa.at/e4qW42wJ oder https://go.apa.at/bXfgP0pL)