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Österreich und Indien für Ukraine-Friedensprozess

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Nehammer empfing Modi im Bundeskanzleramt
©APA/APA/AFP/ALEX HALADA
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Beim Besuch des indischen Premiers Narendra Modi am Mittwoch in Wien haben Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und sein Gast Indien und Österreich als "Brückenbauer" auf dem Weg zu einer Beendigung von Russlands Ukraine-Krieg positioniert. Er habe gemeinsam mit Modi Möglichkeiten ausgelotet, einen Prozess hin zu einem "umfassenden", fairen" und "dauerhaften Frieden im Einklang mit der UNO-Charta" in Gang zu bringen, sagte Nehammer nach dem Arbeitsgespräch mit Modi.

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Der seit zehn Jahren im Amt befindliche Hindu-Nationalist Modi war am Dienstagabend, aus Moskau kommend, auf dem Flughafen Wien-Schwechat gelandet. Gleich danach traf der 73-Jährige Nehammer bereits zu einem Abendessen samt Vier-Augen-Gespräch. Der Gast wurde von einer Delegation begleitet, die rund 120 Personen umfasst, darunter sein Außenminister Subrahmanyam Jaishankar, Berater und Wirtschaftsvertreter.

In Russland hatte Modi Machthaber Wladimir Putin getroffen. Zu ihm unterhält er gute, persönliche Beziehungen, strebt jedoch zugleich Äquidistanz zum Westen an. Indien bezieht seit Beginn des Ukraine-Krieges etwa verstärkt preiswertes Erdöl aus der Russischen Föderation. Modi bezeichnete Putin am Dienstag als "lieben Freund". Zugleich übte er in allgemeinen Worten Kritik an kriegerischen Auseinandersetzungen. Seine Reisen nach Russland und Österreich sind die ersten seit Beginn seiner dritten Amtsperiode als Premier.

Bei den gemeinsamen Pressestatements mit Nehammer in Wien erneuerte Modi, was er bei seinem Russland-Besuch gesagt hatte: "Probleme können nicht auf dem Schlachtfeld gelöst werden. Der Verlust unschuldiger Leben ist inakzeptabel", plädierte der indische Regierungschef für Dialog. Österreich und Indien stellten dafür ihre Unterstützung zur Verfügung.

Nehammer bot Österreich - als "Teil der EU", aber "nicht Teil eines Militärbündnisses" - ebenfalls als Partner und Ort des Dialogs zur Beendigung des "russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine" an. Ein Friedensprozess sei das "gemeinsames Ziel" von Wien und Neu-Delhi. Er wolle eine "freie und prosperierende Ukraine", betonte der Bundeskanzler.

Zweites großes Thema zwischen den beiden Regierungschefs war die bilaterale Zusammenarbeit in Wirtschaft und auch Wissenschaft, die verstärkt und ausgeweitet werden soll. Nehammer nannte beispielsweise die Bereiche Infrastruktur, Stadtentwicklung und erneuerbare Energien. Modi gab als Ergebnis seines Besuches bekannt, dass Indien und Österreich eine Start-up-Partnerschaft schließen. Zudem werde ein umfassender Zehn-Jahres-Fahrplan für die gemeinsame Kooperation ausgearbeitet.

Im Anschluss an ihr Treffen im Bundeskanzleramt begaben sich Nehammer und Modi in die Hofburg zu einem indisch-österreichischen Wirtschaftsforum. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von rund 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2023 zählt Indien laut dem Bundeskanzleramt zu den wichtigsten Handelspartnern Österreichs außerhalb der EU. Gemäß Angaben der Österreichischen Nationalbank (OeNB) beliefen sich die österreichischen Direktinvestitionen in Indien Ende 2023 auf 733 Millionen Euro, während indische Direktinvestitionen in Österreich 1,6 Milliarden Euro erreichten. Rund 150 österreichischen Firmen haben Niederlassungen in Indien.

Die Bundesregierung und die Wirtschaftskammer (WKO) sehen weiteres Potenzial und erhoffen sich rund um Modis Besuch und das Wirtschaftsforum eine Steigerung des Handelsvolumens. Der Chef der Industriellenvereinigung (IV) und Industrielle Georg Knill sprach im Vorfeld von Indien vom "Wachstumsmarkt schlechthin".

Aus Österreich werden bisher vor allem Maschinen und Kfz-Güter nach Indien exportiert. Auch bearbeitete Waren wie Leder und Papier haben sich als gefragte Güter erwiesen. Rund um die Erreichung von Klimazielen befindet sich der indische Energiesektor im Aufschwung und bietet laut IV genauso Chancen wie sogenannte Smart-City-Projekte. Auch Fachkräfte aus Indien sind für österreichische Unternehmen von Interesse. Ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union ist demnach ausverhandelt, wird aber bisher nicht umgesetzt. An dem Wirtschaftsforum in der Hofburg nehmen rund 40 Unternehmervertreter teil.

Indien ist mit 1,4 Milliarden das bevölkerungsreichste Land der Erde, ist Atommacht und größte Demokratie weltweit. Vordergründiger Anlass von Modis Besuch war das 75-Jahr-Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Österreich und Indien 1949. 1955 hatte der indische Premier Jawaharlal Nehru Österreich besucht, 1983 seine Tochter und Nachfolgerin Indira Gandhi, ehe sie im Jahr darauf bei einem Attentat von zwei ihrer Leibwächter erschossen wurde. Bei Modis Visite handelt es sich somit um die erste eines indischen Regierungschefs seit 41 Jahren.

Sowohl Nehammer als auch Modi strichen bei ihrem gemeinsamen Presseauftritt das "historisch gewachsene, sehr vertrauensvolle Verhältnis" zwischen Indien und Österreich hervor. Nehammer dankte Indien ausdrücklich für seine Rolle beim Zustandekommen des Staatsvertrags 1955. Die Verhandlungen mit der Sowjetunion seien zwei Jahre davor - im Todesjahr von Diktator Josef Stalin - ins Stocken geraten. Der damalige österreichische Außenminister Karl Gruber habe sich in dieser Situation an Premier Nehru gewandt, der sich daraufhin in Moskau für Österreich eingesetzt habe, so Nehammer.

Modi, der den Kanzler zu einem Gegenbesuch in Indien einlud, wurde am Nachmittag noch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen. Nach einem Handshake im Maria-Theresienzimmer zogen sich die beiden zu einem Gespräch zurück. Nach der Begegnung erklärte Van der Bellen auf X: "Mit #Indien verbindet uns eine lange Freundschaft und starke bilaterale Beziehungen, besonders im wirtschaftlichen Bereich. Diese wollen wir jetzt weiter ausbauen. Als bevölkerungsreichstes Land der Erde und globale Wirtschaftsmacht spielt Indien eine wichtige Rolle im gemeinsamen Kampf gegen die #Klimakatastrophe. Wir brauchen Indien als Partner in einer strukturell nachhaltigen Transformation hin zur Klimaneutralität." Er habe mit Modi auch über den Ukraine-Krieg gesprochen, so der Bundespräsident weiter: "Wir waren uns einig, dass die #Ukraine dringend Frieden braucht und wir Bemühungen in diese Richtung unterstützen werden."

Am Abend verlässt Premier Modi die Bundeshauptstadt wieder. Rund um die Besuchsaktivitäten galten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei warnte vor Verkehrsbehinderungen in der Wiener Innenstadt; lokal wurden Platzverbote verhängt.

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