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Rechts- und Linksextremismus im Fokus des Staatsschutzes

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Karner verurteilte den lauter werdenden Antisemitismus
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Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat in Österreich weiterhin mit Extremismus aus den verschiedensten Bereichen zu tun: Eine "große Herausforderung" bleibe der Rechtsextremismus, erklärte DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, aber auch Linksextremismus und islamistischer Extremismus beschäftigen den Staatsschutz. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verurteilte den lauter werdenden Antisemitismus.

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Das Bedrohungsszenario des islamistischen Extremismus und Terrorismus sei vor allem seit dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf die israelische Bevölkerung am 7. Oktober intensiver geworden, betonte Karner bei der Pressekonferenz zum Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023. In Österreich gilt nach wie vor die Gefährdungsstufe 4 von 5. Die Terror-Zellen in Europa seien gut organisiert, erläuterte Haijawi-Pirchner, die größte Bedrohung in Österreich seien im Vorjahr aber radikalisierte Einzeltäter gewesen.

Karner betonte bei dieser Gelegenheit im Zusammenhang mit "Kalifats-Brüllern" in Hamburg, dass Österreich mehr rechtliche Möglichkeiten habe als Deutschland. "Das Ausrufen des Kalifats ist in Österreich verboten, der demokratische Rechtsstaat muss und wird das mit allen Mitteln des Rechtsstaates verhindern." Wer den "Gottesstaat" wolle und danach schreie, müsse "eingesperrt oder abgeschoben" werden. "In einer freien Gesellschaft haben solche Radikalen keinen Platz."

Sorgen bereiten dem Minister auch der "neue" wie der "alte" Antisemitismus. So gebe es nach wie vor den klassischen rechtsradikalen Antisemitismus, aber der islamistische und der linksextremistische Antisemitismus seien "häufiger" und "lauter" geworden, erklärte Karner. Jegliche Form des Antisemitismus sei abzulehnen und werde vonseiten des Verfassungsschutzes und der Polizei bekämpft, unterstrich der Minister. So erinnerte er etwa an die zuletzt erfolgte Räumung des antisemitischen Protestcamps vor der Uni Wien.

Ebenso beschäftigt die DSN der "alte" und "neue" Rechtsextremismus. Zu ersterem zählen nationalsozialistische Gruppen etwa bei Skinheads und Hooligans, zu zweiterem etwa die Staatsverweigererszene und die Identitären. "Das Risiko für Tathandlungen bleibt konstant erhöht", machte Haijawi-Pirchner aufmerksam. Sorgen bereite vor allem der in der Szene weit verbreitete Waffenbesitz. In diesem Milieu würden "Kampfbegriffe" wie "Remigration" verwendet, um die Gesellschaft zu spalten, außerdem würden Verschwörungstheorien verbreitet, warnte Karner. Angesichts der Wahlen würden auch alternative Medien benutzt, um gezielt Informationen, aber auch Desinformation zu verbreiten, erklärte Haijawi-Pirchner. Als einen von mehreren Gründen für das Plus bei rechtsextremen Taten nannte der DSN-Chef auf Nachfrage auch, dass "rechtsextreme Narrative" generell "immer salonfähiger" würden. Minister Karner kritisierte auch abermals "die neue Nähe der FPÖ zu den Identitären".

Im Bereich des Linksextremismus verzeichnete der Staatsschutz vermehrt Kundgebungen mit offener Sympathie für die palästinensische Seite im Nahostkonflikt, die Szene nutze aber auch das Klimathema für ihre Zwecke, erklärte der DSN-Chef. Man könne Straftaten in der radikalen Klimaschutzszene nicht ausschließen, außerdem habe man die Klimaaktivisten als "Einfallstor für gewaltbereite Kräfte" unter Beobachtung.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Karner zufolge außerdem noch einmal Spionage und Desinformation befeuert. Österreich sei als attraktiver Wirtschaftsstandort von Industriespionage betroffen, zudem als Sitz vieler internationaler Organisationen im Mittelpunkt. Im Fokus der Spionageabwehr stünden Russland, Iran und China, erklärte Haijawi-Pirchner. So werde etwa von Russland Desinformation verbreitet, um die öffentliche Meinung in Österreich zu beeinflussen. Auch mit Cyberangriffen werde versucht, Österreich zu destabilisieren.

Auf den aktuellen Spionagefall rund um den früheren Verfassungsschützer Egisto Ott geht man im Bericht laut dem DSN-Chef nicht ein. Er verwies darauf, dass die Ermittlungen beim Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Wien liefen, unterstrich aber in diesem Zusammenhang auch: "Es sind ganz klar russische Netzwerke, die dahinter stehen."

Der Verfassungsschutzbericht selbst wurde am Donnerstag noch nicht veröffentlicht, er soll am Wochenende online publiziert werden, hieß es seitens des Innenministeriums zur APA.

Karner lobte jedenfalls die Neuaufstellung des Nachrichtendienstes, habe die DSN doch mittlerweile wieder den "internationalen Draht", den man brauche, um mit anderen Diensten eng zusammenarbeiten zu können. Dies sei "essenziell im Kampf für die Sicherheit". Einmal mehr forderte er aber mehr Überwachungsmöglichkeiten: Man brauche "zeitgemäße" Befugnisse zur Überwachung. Dabei gehe es nicht um einen "Bundestrojaner", versicherte Karner, sondern um Möglichkeiten, in schweren Fällen wie Terror und Spionage nach richterlicher Genehmigung einschreiten zu können. Haijawi-Pirchner pflichtete ihm bei, sah aber auch "Optimierungsbedarf" in der Weiterentwicklung der internen technischen Infrastruktur.

In puncto Rechtsextremismus wurden laut Daten aus dem Innenministerium im vergangenen Jahr 1.208 Tathandlungen verzeichnet, das sind um rund ein Drittel mehr als noch 2022 (928). Darunter fallen rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamfeindliche, antisemitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen. Zur Anzeige gebracht wurden 2023 1.954 Delikte - ein Anstieg um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.623). Den Linksextremismus betreffend (linksextreme, autonome, anarchistische, marxistische, lenistische oder sonstige Tathandlungen) stieg die Anzahl der Tathandlungen um eine auf 97 im Jahr 2023. 240 Delikte wurden zur Anzeige gebracht, um rund 70 Prozent mehr als noch 2022. Außerdem wurden 283 Tathandlungen im Bereich auslandsbezogener Extremismus registriert. 152 waren "islamistisch/jihadistisch" motiviert. Zur Anzeige gelangten insgesamt 298 Delikte. Unter den 148 ausgeforschten Verdächtigen befanden sich 108 Männer und 40 Frauen, 58 waren Jugendliche.

Die Bedrohung durch Rechtsextreme nehme weiter zu, zeigte sich die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz in einer Aussendung alarmiert. Sie sieht darin eine "enorme Bedrohung" für Österreich. Befeuert werde dies durch die FPÖ, die sich "von diesen rechtsextremen Staatsfeinden nicht mehr distanziert".

Die FPÖ thematisierte in einer Aussendung die von Karner genannten "Kalifatsbrüder", die ihrer Ansicht nach eine Folge der "illegalen Masseneinwanderungen aus kulturfremden Regionen" sind. FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer forderte erneut einen "sofortigen Asylstopp" und eine "Festung Österreich". Gefahr gehe außerdem von "radikalen Klimaextremisten" aus. Grundlegend sei "Extremismus und Gewalt in jeder Form und Ausprägung abzulehnen".

NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, fordert in einer Aussendung "genügend Mittel" und "kompetentes Personal" für die DSN. "Doch es ist weiterhin unattraktiv in einem Ressort zu arbeiten, in dem Postenkorruption gelebte Praxis ist und die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden", fügte sie hinzu. "Lobende Worte" von Karner würden "alleine" nicht reichen.

Innenminister Gerhard Karner und DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner (L.) während eines PG zum Thema "Verfassungsschutzbericht 2023" am Donnerstag, 16. Mai 2024, in Wien.

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