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Ob abgestimmt wird, dürfte vor allem davon abhängen, ob die belgische Ratspräsidentschaft bei der Aussprache den Eindruck gewinnt, dass eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der EU-Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren) doch zustande kommt oder nicht. Dafür müsste eines der Länder, die sich bisher enthalten oder dagegen stimmen wollten, umentscheiden. Die Lage sei "im Moment leider wirklich unübersichtlich", sagte Gewessler am Montag in der Früh im Ö1-Morgenjournal.
"Die Mehrheit auf europäischer Ebene ist keineswegs sicher. Das ist besorgniserregend, weil dieses Gesetz über Monate verhandelt wurde", hatte Gewessler dazu am Sonntag in einer Pressekonferenz erklärt. Das Gesetz stehe "aktuell Spitz-auf-Knopf", nachdem zuletzt Ungarn seine Position geändert hätte. Es sei aber höchst an der Zeit, das Renaturierungsgesetz auf den Weg zu bringen. "Verzögerung, Unklarheit und Hinhaltetaktik sind bequem, aber geben unserer Natur keinen Zentimeter mehr zum Atmen. Ich werde dem wichtigsten Naturschutzgesetz am Montag zustimmen. Wenn abgestimmt wird, kann die EU mit einem österreichischen Ja rechnen", kündigte Gewessler an.
Beim Koalitionspartner wird das als Affront gesehen. ÖVP und Grüne sind sich nicht einig darüber, inwiefern Gewessler Einvernehmen mit den Bundesländern und dem Landwirtschaftsministerium herstellen müsste. Gewessler "begeht vorsätzlich einen Verfassungs- und Gesetzesbruch", meinte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Unabhängig von der Sache gehe es darum, "dass Recht Recht bleiben muss. Die Ideologie darf niemals über dem Recht stehen", sagte Edtstadler. "Sich über die Verfassung und über Gesetze zu stellen, ist eine neue Dimension. Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben."
Gewessler plädierte am Montag vor dem EU-Umweltministertreffen in Richtung Koalitionspartner für eine "Abrüstung der Worte". Davon, dass die ÖVP die Zusammenarbeit mit den Grünen beende, gehe sie nicht aus, sagte sie Ö1. "Ich erwarte auch keine Ministeranklage. Meine Zustimmung ist rechtskonform."
Den Vorwurf einer parteipolitischen Taktik vor der Nationalratswahl wies Gewessler ebenso zurück. "Dem muss ich schon widersprechen", sagte sie. "Der EU-Kalender hält sich nicht an österreichische Innenpolitik." Und dies werde der Tragweite der Entscheidung auch nicht gerecht: "Ich stehe auf der Seite der Natur und trage die Verantwortung in der Entscheidung hier im Rat", betonte Gewessler. "Ich laufe vor der Verantwortung nicht davon." Es gehe um "unser aller Lebensgrundlage", die Natur habe dringend Erholung nötig und könne sich nicht selbst gegen Beton wehren. Gleichzeitig seien "wir Menschen auf die Natur angewiesen".