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RH ortete Mängel beim Risikomanagement der Wien Energie

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Die Liquiditätskrise sorgte im Sommer 2022 für Aufsehen
©APA/APA/THEMENBILD/HELMUT FOHRINGER
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Der Rechnungshof übt deutliche Kritik an den Energiehandelsgeschäften der Wien Energie. In einem aktuellen Prüfbericht werden "systemische Schwächen" im Management des Liquiditätsrisikos vor der Krise im August 2022 geortet, als das Unternehmen Sicherheitsleistungen für Termingeschäfte nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen konnte. Defizite gab es demnach weiters in der Zusammenarbeit zwischen Wien Energie und den Stadtwerken. Auch der Aufsichtsrat wird ins Visier genommen.

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Die Wien Energie hatte im Sommer vor zwei Jahren für Schlagzeilen gesorgt als ihr großer Liquiditätsbedarf bekannt wurde. Die Großhandelspreise hatten sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vervielfacht. Entsprechend stiegen die Sicherheitsleistungen für Energiegeschäfte. Die Stadt stellte darum zunächst insgesamt 1,4 Mrd. Euro bereit. Als die Mittel trotzdem knapp zu werden drohten, gewährte der Bund über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) weitere 2 Mrd. Euro. Das Wiener Darlehen wurde inzwischen zurückgezahlt, jenes des Bundes nicht benötigt.

Wie der Rechnungshof ausführte, verlagerte das Unternehmen den langfristigen Energiehandel ab Herbst 2021 großteils an die Börse. Dort sind Sicherheitsleistungen zu hinterlegen, deren Höhe von der Preisentwicklung im Großhandel abhängt. Infolge des extremen Preisanstiegs bei Strom und Gas am 26. August 2022 geriet die Wien Energie angesichts der fälligen Sicherheitsleistungen in Turbulenzen - so wie andere europäische Versorger auch, wie der RH durchaus betont.

Die Unternehmensmutter, also die Stadtwerke sowie die Stadt Wien, bemühten sich laut eigenen Angaben um einen bundesweiten Rettungsschirm. Allerdings stellte der Rechnungshof fest, dass bis zum 26. August 2022 das Anliegen nicht direkt an die zuständigen Stellen - also etwa Finanzministerium, Klimaschutzministerium oder die E-Control - herangetragen wurde. Erst am 27. August, zwei Tage vor Fälligkeit von rund 1,8 Mrd. Euro, informierten die Stadtwerke das Finanzministerium.

Für den Rechnungshof ist "grundsätzlich nachvollziehbar", dass die Stadtwerke angesichts der Unsicherheit auf den Energiemärkten eine Liquiditätsreserve aufbauen mussten, wie man darlegt. Allerdings werden auch Versäumnisse im Vorfeld geortet: "Die Geschäftsführung der Wien Energie entwickelte trotz zugespitzter Marktlage ab dem Frühjahr 2022 keine Handlungsoptionen, um das Liquiditätsrisiko des Börsenhandels zu reduzieren und eine breitere Risikostreuung zu erreichen", heißt es im Bericht.

Dies hätte aus Sicht des Rechnungshofes erfolgen müssen, da ein hohes Liquiditätsrisiko "den Bestand des Unternehmens und auch die Versorgung mit Strom, Gas und Wärme gefährdete". Die Geschäftsführung der Stadtwerke habe weder die Risikostrategie auf notwendige Anpassungen geprüft noch seien der Wien Energie finanzielle Limite für den Börsenhandel gesetzt worden, wird bekrittelt: "Die Geschäftsführung der Wien Energie erachtete ihre Absicherung an der Börse ab Ende 2021 als alternativlos. Trotz der volatilen Marktlage und des steigenden Finanzierungsbedarfs für Sicherheitsleistungen änderte die Wien Energie ihre Absicherungsstrategie nicht, sondern behielt sie bis zum 26. August 2022 bei."

Nach Ansicht des Rechnungshofs hätte es aber durchaus Alternativen gegeben: "Die nach dem 26. August 2022 initiierten Änderungen der Handels-, Beschaffungs- und Vermarktungsstrategien belegen, dass es Handlungsalternativen gab, um das Liquiditätsrisiko zu verringern, etwa die Reduktion der abgesicherten Stromproduktion." Die sukzessive Verlagerung der Geschäfte in Richtung Energiebörse sollte laut Bericht die Gefahr reduzieren, vom Ausfall eines Direkt-Handelspartners betroffen zu sein. Dafür habe sich aber das Liquiditätsrisiko erhöht.

Der Aufsichtsrat der Wien Energie wiederum habe seine Überwachungsfunktion nicht umfassend wahrgenommen, befindet der RH. Das Gremium verstärkte seine Tätigkeit in einer kritischen Phase nicht, wie der RH beklagt. Eine "engmaschigere" Überwachung und kritisches Nachfragen hätte die Geschäftsführung veranlassen können, das Risikomanagement zu stärken und Alternativen zu entwickeln, wird vermutet. Hervorgehoben wird auch, dass maßgebliche Beschlüsse zu Finanzierungsbeiträgen nicht in Aufsichtsratssitzungen erfolgt sind. Die Wien Energie hat auch keinen Prüfungsausschuss eingerichtet, was der Rechnungshof nun empfiehlt.

Zudem wird befunden, dass Stadt und Stadtwerke auf eine "fachlich ausgewogene Zusammensetzung" des Aufsichtsrats der Wien Energie achten sollten. Künftig sollten unter anderem auch Personen, die eine institutionelle Außensicht und unternehmerische Expertise in der Energiewirtschaft einbringen, in Betracht gezogen werden. Bisher habe die Zusammensetzung darauf schließen lassen, dass "de facto vor allem die institutionelle Nähe zur Stadt Wien und ihren Unternehmen ein maßgebliches Kriterium für die Besetzung war".

Nach den Ereignissen im August 2022 war mitunter auch der Verdacht geäußert worden, das Unternehmen habe an der Börse spekuliert. Dieser Verdacht hat sich laut RH nicht erhärtet. "Die Prüfung ergab keine Hinweise auf den Abschluss spekulativer Handelsgeschäfte", wurde betont.

Die Wien Energie beteuerte in einer Reaktion, dass laufend Evaluierungen und Optimierungen der eigenen Handelsstrategie durchgeführt würden. Und man zeigte sich überzeugt: "Die Positionierung (...) an den Energiemärkten war aufgrund der angespannten Situation 2022 aus damaliger Sicht passend." Ziel sei es stets, die Versorgungssicherheit für die Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Das Liquiditätsrisiko schien für die Wien Energie aus damaliger Sicht als das geringere Risiko - insbesondere im Hinblick auf die Marktpreise und auf Ausfallsrisiken, die mit anderen Handelsformen einhergegangen wären, hielt man fest.

Nach dem "Black Friday" habe man Maßnahmen gesetzt, um künftig auch für solche Extremfälle bereit zu sein: "Durch die Markt-Entspannungen und internationalen Schutzschirme konnten im Rahmen unserer Strategie ein Teil der Geschäfte auch in den bilateralen Handel (OTC) verlagert werden, der im Frühjahr 2022 beinahe gänzlich ausgetrocknet war." Jedoch sei die Energie-Börse für die Mengen und saisonalen Besonderheiten der Wien Energie der richtige Handelsplatz.

Zufrieden zeigte man sich damit, dass der Rechnungshof Österreich Vorwürfe entkräftet habe, dass spekulative Geschäfte getätigt worden seien. Dies habe auch der Stadtrechnungshof schon festgestellt, fügte man hinzu. Der Wiener Stadtwerke-Generaldirektor Peter Weinelt sah den Bericht als Bestätigung der internen und externen Prüfungen: "Wien Energie hat nicht spekuliert und im Sinne der Versorgungssicherheit gehandelt. Die Dimension der Preisverwerfungen waren nicht absehbar."

Keinesfalls zufrieden zeigte sich die Opposition. "Der nun vorliegende Bericht des Rechnungshofs zeigt eines ganz klar und deutlich: Die Causa Wien Energie ist und bleibt ein SPÖ-Finanzskandal", konstatierte der Klubchef der Wiener ÖVP, Markus Wölbitsch. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) habe nicht nur die Notkompetenz (mit denen Kredittranchen freigegeben wurden, Anm.) zu Unrecht gezogen, auch der Aufsichtsrat habe seine Überwachungsfunktion nicht entsprechend wahrgenommen.

"Ein derartiger Skandal darf sich einfach nicht mehr wiederholen. Höchste Zeit die nötigen Reformen anzugehen sowie die Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen", meinte Wölbitsch.

Auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp sah die bisherige Kritik durch den Bericht bestätigt. "Wir haben jetzt Schwarz auf Weiß, dass mit der Abkehr von den Termingeschäften hin zum Handel an der Börse ein hohes Risiko eingegangen wurde und der Aufsichtsrat der Wien Energie sowie das Management der Wiener Stadtwerke sowohl vor als auch während des Liquiditätsengpasses völlig versagt haben." Das "Systemversagen" der Ludwig-SPÖ in diesem Milliardendesaster sei evident, zeigte er sich in einer Aussendung überzeugt.

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