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Rumäniens Staatspräsident Johannis bleibt vorerst im Amt

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Land "stabil und sicher"
©APA/APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI
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Rumäniens Noch-Staatspräsident Klaus Johannis hat Freitagabend in einer TV-Ansprache klargestellt, dass er vorerst im Amt bleibt. Nämlich solange, bis sein Nachfolger gewählt und angelobt worden ist. Rechtlich sei das gemäß Artikel 83, Absatz 2 der Verfassung möglich, betonte er. Den neuen Termin der Präsidentenwahl werde die künftige Regierung angesichts der am Freitag vom Verfassungsgericht angeordneten Wahlwiederholung festlegen, erklärte Johannis weiter.

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Als Erstes gelte es nach Bestätigung der Ergebnisse der Parlamentswahl vom letzten Sonntag vor allem, eine neue Regierung aufzustellen, weswegen er umgehend Konsultationen mit den Fraktionen ansetzen werde, um anschließend den Auftrag zur Regierungsbildung vergeben zu können, sagte der Noch-Präsident. Den EU- und NATO-Partnern, Investoren sowie Finanzmärkten versicherte Rumäniens Staatsoberhaupt ausdrücklich, dass sein Land trotz einer präzedenzlosen russischen Einflussnahme auf den jüngsten Wahlprozess "stabil und sicher" sei sowie ein "demokratischer und proeuropäischer Partner" bleibe.

Eigentlich hätte die Amtszeit von Johannis am 21. Dezember geendet. Verfassungsrechtler rechneten damit, dass der künftige Senatspräsident das Amt des Staatsoberhaupts kommissarisch übernehmen werde. Im Rahmen einer Machtteilung der beiden führenden Parteien des Landes besetzt derzeit der konservative Politiker Nicolae Ciuca das Amt.

Am Freitag hatte das Bukarester Verfassungsgericht entschieden, dass die Präsidentenwahl komplett wiederholt werden müsse. Der Urnengang wurde vom Gericht annulliert und eine Neuaustragung angeordnet. Die Wahl, deren erste Runde überraschend der pro-russische Rechtsextremist Calin Georgescu gewonnen hatte, sei nicht frei gewesen, erklärten die Höchstrichter mit Blick auf Geheimdiensterkenntnisse über russische Einmischung. Die Regierung müsse nun einen neuen Wahltermin anordnen.

Die Entscheidung erfolgte nur zwei Tage vor der zweiten Wahlrunde, in der Georgescu auf die pro-europäische bürgerliche Kandidatin Elena Lasconi treffen sollte. In einer am Freitag veröffentlichten Umfrage lag Lasconi knapp in Führung. Sie hatte in der ersten Wahlrunde überraschend den zweiten Platz belegt, ganz knapp vor dem favorisierten sozialdemokratischen Regierungschef Marcel Ciolacu. Dieser hatte sich dem Wählervotum gefügt und angekündigt, keine Neuauszählung beantragen zu wollen. Am Freitag begrüßte er aber die Entscheidung des Höchstgerichts. Es handle sich um "die einzige richtige Entscheidung" angesichts der Erkenntnisse über russischen Einfluss auf die Wahl.

Wahlsieger Georgescu steht nun im Visier der rumänischen Ermittlungsbehörden, nachdem Erkenntnisse der rumänischen Geheimdienste nahe legten, dass dieser seinen Wahlerfolg in der ersten Runde einer von Russland gesteuerten Kampagne auf der Social Media-Plattform TikTok zu verdanken hat. Georgescus Reichweite war auf TikTok in den letzten beiden Wochen vor der ersten Wahlrunde geradezu explodiert, nachdem ein Netzwerk bestehend aus Tausenden Social Media-"Schläfer"-Konten vor allem auf TikTok und Telegram ihn und seine Propaganda massiv promotet hatten. Rumäniens Oberster Verteidigungsrat schlussfolgerte deswegen vor wenigen Tagen, dass Russland zunehmend bestrebt ist, Einfluss auf die öffentliche Meinung in Rumänien zu nehmen und man es mit einem "aggressiven russischen hybriden Angriff" auf den demokratischen Wahlprozess zu tun habe.

Georgescu bezeichnete die Gerichtsentscheidung als "Staatsstreich" und äußerte sich entschlossen, seinen Kampf fortsetzen zu wollen. Ob er erneut kandidieren wolle, sagte er aber nicht explizit. "Der Sieg gehört Gott, und wir sind nur die Mittel, mit denen sein Wille verwirklicht wird", sagte er in einer Videoansprache, die er auf Facebook veröffentlichte. Die Gerichtsentscheidung beweise, dass in Rumänien "der Rechtsstaat im künstlichen Koma" und die Demokratie angegriffen worden sei. "Es ist Zeit zu zeigen, dass wir ein mutiges Volk sind", sagte er weiter.

Scharfe Kritik an der Gerichtsentscheidung kam aber auch von der bürgerlichen Kandidatin Lasconi. Das Verfassungsgericht trete damit "die Demokratie mit Füßen", sagte sie. Damit würden 35 Jahre an politischem Fortschritt zerstört. Die Stichwahl hätte wie geplant stattfinden sollen, forderte sie. Zwar sei die unkontrollierte Verbreitung von russischer Propaganda ein ernstes Problem, doch müsse dieses "nach freien Wahlen" angegangen werden.

Hingegen begrüßte Ministerpräsident Marcel Ciolacu von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) den Gerichtsbeschluss: Es sei die "einzig richtige" Entscheidung gewesen, nachdem die Sicherheitsorgane Dokumente veröffentlicht hätten die belegen würden, dass Russland die Wahl manipuliert habe.

Entscheidungen des rumänischen Verfassungsgerichts sind immer wieder als politisch motiviert kritisiert worden. Aus Sicht der bürgerlichen Parteien steht das Höchstgericht den regierenden Sozialdemokraten nahe. Bereits im Vorfeld der Wahl hatte es für Aufsehen gesorgt, indem es der rechtsextremistischen EU-Abgeordneten Diana Șoșoacă das Antreten untersagte. Mit ihren Aussagen habe sie sich nämlich für die Abschaffung von wesentlichen Werten und Entscheidungen des rumänischen Staates, konkret die EU- und NATO-Mitgliedschaft, positioniert, wodurch sie nicht in der Lage sei, den Amtseid abzulegen, hieß es zur Begründung.

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