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Selenskyj: Unsere Truppen müssen humanitäres Recht achten

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Russische Stadt Sudscha im Visier der ukrainischen Armee
©APA/APA/Kommersant Photo/ANATOLIY ZHDANOV
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Bei ihrem Vorstoß in die westrussische Region Kursk machen die ukrainischen Streitkräfte laut Präsident Wolodymyr Selenskyj "gute Fortschritte". Die ukrainische Armee erreiche ihre Ziele, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache - und sei angewiesen, bei ihrem Vorgehen humanitäres Recht zu achten. Die russischen Behörden ordneten unterdessen die Evakuierung eines weitere Landkreises an. In Sicherheit gebracht werden sollen die Menschen von Gluschkowski, hieß es.

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"Es ist wichtig, dass die Ukraine nach den Regeln kämpft, und die humanitären Bedürfnisse in diesem Gebiet müssen beachtet werden", erklärte Selenskyj in seiner Videobotschaft. Die Betonung, dass humanitäres Recht eingehalten werde, geht auf Gräueltaten russischer Truppen bei ihrem Vormarsch auf Kiew vor knapp zweieinhalb Jahren zurück. Im Hauptstadt-Vorort Butscha wurden damals zahlreiche Zivilisten wahllos getötet, ehe das russische Militär in diesem Gebiet den Rückzug antreten musste.

Bei einer Sitzung der Regierung Selenskyjs wurde nach Angaben der ukrainischen Agentur Unian beschlossen, internationalen Organisationen den Zugang zu den besetzten Gebieten in Westrussland zu erlauben. Zu ihnen gehören demnach das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Vereinten Nationen sowie andere Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak beschrieb in einem Interview des russischen Oppositionsmediums "Meduza" das Vorgehen bei der Operation in der Region Kursk. Unter anderem seien die ukrainischen Streitkräfte angewiesen, ausschließlich militärische Ziele anzugreifen und zu zerstören. Im Gegensatz zu den russischen Invasoren werde die Ukraine in besetzten Gebieten keine Statthalter einsetzen.

Der einzige Kontakt zur russischen Zivilbevölkerung sei die Unterstützung mit humanitärer Hilfe. Auch Podoljak betonte, dass es "kein Butscha auf russischem Gebiet" geben werde.

Die ukrainischen Streitkräfte müssten ihre Positionen befestigen, um den operativen Erfolg abzusichern, sagte Podoljak weiter. Dies werde der Ukraine erlauben, "den Schauplatz der militärischen Operationen auf russischem Gebiet zu vergrößern" und dann auch politische Botschaften ermöglichen: "Das Versagen der russischen Verwaltung insgesamt aufzuzeigen, die mangelnde Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, die mangelnde Bereitschaft, zusätzliche Kräfte und Mittel dorthin zu bringen." Dementsprechend werde sich der Krieg auf das gesamte russische Staatsgebiet ausweiten, meinte Podoljak.

Der ukrainische Oberkommandant Olexander Syrskyj hatte Selenskyj Bericht über die Lage in Kursk und an anderen Frontabschnitten in der Ukraine erstattet. Vor allem im Osten rund um den Donbass waren die ukrainischen Verteidiger schwer in Bedrängnis geraten, da die russische Armee dort den Druck erhöht hatte.

Syrskyj und Selenskyj vereinbarten, dass die dort kämpfenden ukrainischen Truppen zusätzliche Waffensysteme aus den nächsten militärischen Hilfspaketen westlicher Partner erhalten sollten. Ob auch Verstärkungen in die Region beordert würden, wurde - wohl aus taktischen Gründen - nicht erwähnt.

Wie der russische Gouverneur Alexej Smirnow mitteilte, werde nun auch der Kreis Gluschkowski evakuiert, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. In dem Kreis etwa zehn Kilometer von der ukrainischen Grenze waren vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mehr als 17.500 Einwohner registriert. Smirnow meldete in der Früh auch erneut Luftalarm im Gebiet Kursk wegen drohender Raketenangriffe von ukrainischer Seite.

"Liebe Landsleute, ich bitte Sie, mit Verständnis auf die aktuelle Lage zu reagieren und allen Empfehlungen der Sicherheitskräfte und der örtlichen Behörden zu folgen", sagte Smirnow. Der Kreis Gluschkowski liegt rund 150 Kilometer von der Gebietshauptstadt Kursk entfernt. Menschen in anderen Regionen mit Luftalarm forderte Smirnow auf, sich in Schutzbunkern in Sicherheit zu bringen - oder in Räumlichkeiten ohne Fenster.

Inzwischen sind laut Smirnow mehr als 120.000 Menschen in Sicherheit gebracht worden. Russland hat seine grenznahen Gebiete Kursk, Belgorod und Brjansk zu Zonen für Anti-Terror-Operationen erklärt, damit setzt auch der Militärapparat mehr Personal und Mittel ein. In der Region Belgorod stufte Moskau den Ausnahmezustand wie zuvor im Raum Kursk zu einem Notstand von nationaler Bedeutung hoch.

Die ukrainischen Streitkräfte sollen in der Region Kursk nach russischen Schätzungen knapp 12.000 Mann stark sein. Unter ihnen seien auch ausländische Söldner, sagte der aus Tschetschenien stammende General Apty Alaudinow, Befehlshaber der in der Ukraine kämpfenden tschetschenischen Streitkräfte und ein Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin.

"Man konnte überall polnische, englische und französische Stimmen hören", behauptete Alaudinow in einem Fernsehinterview, aus dem die Staatsagentur Tass zitierte. Nach seinen Worten seien die meisten Söldner bereits "eliminiert" worden. Weder seine Angaben noch die der ukrainischen Seite ließen sich unabhängig überprüfen.

Nach einer Serie ukrainischer Drohnenangriffe gegen russische Militärflugplätze in der Nacht zum Mittwoch richtete Selenskyj einmal mehr einen Appell an die westlichen Partner. "Unsere ukrainischen Drohnen funktionieren genau so, wie sie sollen, aber es gibt Dinge, die man mit Drohnen allein leider nicht machen kann", sagte er. "Wir brauchen eine weitere Waffe - Raketenwaffen."

Quasi täglich fordert Kiew die westlichen Partner auf, die Erlaubnis zum Einsatz schwerer Langstreckenwaffen gegen militärische und logistische Ziele auf russischem Staatsgebiet zu geben. Die Regierungen Großbritanniens und der USA möchten dem bisher jedoch nicht zustimmen.

Am Mittwochabend wurde in mehreren Regionen der Ukraine Luft- und Raketenalarm ausgelöst. Örtliche Medien berichteten von einer schweren Explosion in der Hafenstadt Odessa im Süden, die vermutlich auf den Einschlag einer Rakete zurückzuführen sei. Nach Angaben der Behörden wurden dort zwei Menschen verletzt. Weitere Details wurden nicht genannt. Auch aus Sumy im Osten wurden Explosionen gemeldet. Die Ukraine meldete, sämtliche 29 von Russland gestarteten Drohnen in der Nacht auf Donnerstag abgeschossen zu haben. Russland habe auch drei gelenkte Ch-59-Raketen abgefeuert.

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