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Slowakischer Premier Fico nach Attentat erneut operiert

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Krankenhauschefin Lapuníková und Fico-Stellvertreter Kaliňák
©APA/APA/AFP/FERENC ISZA
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Der bei einem Attentat schwer verletzte slowakische Ministerpräsident Robert Fico liegt weiter auf der Intensivstation. Der vor zwei Tagen angeschossene Politiker sei am Freitag erneut operiert worden, sagte sein Stellvertreter Verteidigungsminister Robert Kaliňák am Freitag in der Stadt Banská Bystrica. Ficos Zustand sei weiter ernst, aber es gebe Fortschritte. Es werde einige Tage dauern, bis man die Aussichten auf die Genesung abschätzen könne.

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Über das weitere Vorgehen, etwa eine Verlegung in die Hauptstadt Bratislava, entscheide ein ärztliches Konsilium voraussichtlich am Montag, sagte Klinikdirektorin Miriam Lapuníková der Zeitung "Dennik N". Der Verteidigungsminister und Vizeregierungschef Robert Kaliňák hatte Ficos Gesundheitszustand am Donnerstag als weiterhin ernst bezeichnet. Der Regierungschef sei von vier Kugeln getroffen worden, die Verletzungen seien sehr schwerwiegend. "Den Ärzten ist es gelungen, den Zustand zu stabilisieren", sagte Kaliňák. Fico sei aber noch nicht außer Lebensgefahr.

Der designierte Staatspräsident Peter Pellegrini berichtete in einem Interview mit dem TV-Sender Ta3 am Donnerstagabend, dass Fico sich an alles erinnere, auch an den Anschlag und den anschließenden Transport in das Krankenhaus nach Banská Bystrica. Pellegrini hatte am Donnerstag Fico einen kurzen Besuch im Spital abgestattet und mit ihm gesprochen. Mit dem Attentat sei eine "rote Linie" überschritten worden, erklärte der gewählte Staatspräsident, der das Amt Mitte Juni antritt. "Der Regierungschef ist dem Tod um Haaresbreite entgangen, es hätte genügt, wenn die Schusswunde oder mehrere Schusswunden ein paar Zentimeter weiter gelegen seien, und wir müssten heute vielleicht über ganz andere Dinge reden."

Pellegrini sagte, die Vorsitzenden der politischen Parteien seien für kommenden Dienstag in den Präsidentenpalast eingeladen worden: Er räumte ein, dass das gemeinsame Treffen schwierig sein werde. Er werde mit der scheidenden Präsidentin Zuzana Čaputová ein Dokument über Werte und die Ablehnung von Aggression und Gewalt vorbereiten. Der Text soll bei dem Treffen unterzeichnet werden.

"Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", hatte Čaputová am Donnerstag bei einem Treffen mit Pellegrini in Bratislava appelliert. Pellegrini rief die Parteien auf, ihren Wahlkampf vor der Europawahl am 9. Juni vorerst auszusetzen oder zumindest einzuschränken. Im Nachbarland Tschechien sagten die Gewerkschaften einen für den 21. Mai geplanten Protesttag mit Demonstrationen aus Rücksicht auf die Situation in der Slowakei ab.

Gegen den mutmaßlichen Attentäter wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen. Es handelt sich um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice. Der Mann sei ein "einsamer Wolf", der mit der politischen Entwicklung in der Slowakei unzufrieden sei, sagte Innenminister Matúš Šutaj Eštok. Er sei jedoch kein Mitglied einer radikalisierten politischen Gruppierung, weder einer rechten noch einer linken.

Eštok forderte außerdem Politiker, Medien und Bürger auf, "die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen". Der Polizei lägen Informationen über neue Drohungen gegen Politiker und Journalisten vor. Der öffentlich-rechtliche Sender RTVS, der nach den Plänen der Regierung aufgelöst werden soll, verschärfte seine Sicherheitsmaßnahmen. Der Ausstellungsraum im Gebäude des Slowakischen Rundfunks in Bratislava wurde am Donnerstag vorübergehend geschlossen.

Orbán betonte, Fico eine rasche Genesung und Rückkehr zur Arbeit zu wünschen. Selbst wenn Fico sich erhole, würde er allerdings in einer schwierigen Zeit vor der Europawahl Anfang Juni nicht arbeiten können. "Wir stehen vor einer Wahl, die nicht nur über die Mitglieder des Europäischen Parlaments entscheidet, sondern zusammen mit der Wahl in den USA den Verlauf von Krieg und Frieden in Europa bestimmen kann", sagte Orbán. "In dieser Situation hätten wir Robert Fico und eine Slowakei, die für den Frieden ist, dringend gebraucht." Der ungarische Regierungschef bezeichnete den Attentäter entgegen den vorliegenden Informationen als "progressiv, linksgerichtet und den Krieg befürwortend".

Sollte es zum Rücktritt des Regierungschefs aus gesundheitlichen Gründen kommen, würde damit gemäß der slowakischen Verfassung automatisch die gesamte Regierung zu Fall gebracht. Dass ein Ministerpräsident wegen eines Attentats die Amtsgeschäfte nicht fortführen kann, scheinen die Väter des Grundgesetzes nicht berücksichtigt zu haben.

Allerdings könnte der Wechsel an der Spitze der Regierung 2018 als Muster dienen. Damals hatte Fico unter öffentlichem Druck nach dem Mord am Journalisten Ján Kuciak sein Amt niedergelegt. Die Koalitionsparteien einigten sich auf Peter Pellegrini als gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge, der dann von der Präsidentin ernannt wurde. Solange Fico bis zur vollen Genesung nur pausiert, führen seine Stellvertreter in der Zeit die Regierungsgeschäfte weiter - mit Kaliňák als Erstem in der Reihenfolge.

Fico war am Mittwoch bei einer Begegnung mit Bürgern etwa 130 Kilometer von der Hauptstadt Bratislava entfernt von fünf Schüssen aus nächster Nähe unter anderem in den Bauch getroffen worden. Mehrere Sicherheitsbeamte hatten ihn begleitet, konnten das Attentat aber nicht verhindern. Der festgenommene mutmaßliche Attentäter ist laut Medienberichten ein früherer Wachmann, Hobby-Schriftsteller und Fico-Gegner.

Der Ministerpräsident war im Oktober sein Amt angetreten, das er seit 2006 schon dreimal innehatte. Er hat seitdem schnell einen Politikwechsel eingeleitet, die Hilfe für die Ukraine zurückgefahren und sich um einen Dialog mit Russland bemüht. Die NATO machte er für den russischen Angriffskrieg mitverantwortlich. Zudem hat er eine Sonder-Staatsanwaltschaft, die gegen Korruption vorgehen soll, entmachtet.

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