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Tote und zahlreiche Evakuierungen in Hochwassergebieten

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Kontrollierter Abfluss bei der Staumauer in Ottenstein
©APA/APA/CHRISTOPHER ECKL/CHRISTOPHER ECKL
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Die Lage in den durch den Dauerregen verursachten Hochwassergebieten bleibt am Montag weiter angespannt. Vor allem in Niederösterreich, das zum Katastrophengebiet erklärt wurde, sind die Einsatzkräfte im Dauereinsatz. Zudem wurde bekannt, dass das Hochwasser in Niederösterreich zwei weitere Todesopfer gefordert hat. Bereits am Sonntag starb ein Feuerwehrmann. Auch wenn die Pegel teilweise zurückgingen, blieb die Lage in Ostösterreich wegen neuerlicher Regenfälle kritisch.

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In Niederösterreich starben ein 70-Jähriger in Untergrafendorf in der Gemeinde Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten-Land) und ein 80-Jähriger in Höbersdorf in der Marktgemeinde Sierndorf (Bezirk Korneuburg) in ihren Wohnhäusern, so Polizeisprecher Johann Baumschlager. Beide Männer seien im Inneren von Wohnobjekten den Wassermassen zum Opfer gefallen. Der Mann in Untergrafendorf war laut dem Polizeisprecher von den Fluten der Perschling überrascht worden. Er wurde demnach erfasst, als er die Tür seines Bauernhauses öffnete. Die Frau des Opfers rettete sich in den ersten Stock. Der 80-Jährige hatte allein gelebt. Er war als abgängig gemeldet. Die Leiche wurde bei Auspumparbeiten im Keller entdeckt. Bereits am Sonntag kam der Feuerwehrmann bei Abpumparbeiten in Rust im Tullnerfeld in der Gemeinde Michelhausen (Bezirk Tulln) ums Leben.

Niederösterreich sei "weiter im Krisenmodus", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Montagvormittag nach einer weiteren Lagebesprechung in Tulln. Sie wies darauf hin, dass neuerlich starke Regenfälle prognostiziert seien. Die Situation sei "sehr angespannt, sehr kritisch". An die Bevölkerung richtete die Landeshauptfrau den Aufruf, von nicht notwendigen Fahrten Abstand zu nehmen, um sich einerseits nicht selbst zu gefährden und andererseits die Sicherheitskräfte nicht zu behindern. "Es bleibt kritisch, es bleibt dramatisch."

Die Polizei hatte bereits zuvor "aus gegebenem Anlass" dringend appelliert, bestehende Fahrverbote und Absperrungen im Zusammenhang mit der Hochwassersituation in ganz Niederösterreich "zu beachten und nicht mit Fahrzeugen in gesperrte Gefahrenbereiche einzufahren". Den Anweisungen der Einsatzkräfte sei "unbedingt Folge zu leisten". Nicht zuletzt wies die Landespolizeidirektion Niederösterreich explizit darauf hin, "dass die hochwasserführenden Flüsse nach wie vor lebensgefährliche Bereiche darstellen".

Die Einsatzkräfte würden Übermenschliches leisten, sagte Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP). Es gebe zwölf Dammbrüche im Land, die Dammwachen würden verstärkt. Bis zu weitere 80 Liter Regen pro Quadratmeter könnten punktuell bis Dienstagfrüh fallen, die Böden seien indes völlig gesättigt. 13 Gemeinden waren Montagvormittag nicht erreichbar, 1.800 Objekte sind evakuiert worden. Viele Betroffene seien bei Verwandten untergekommen. 170 Menschen hätten organisierte Unterkünfte benötigt.

Aus dem Stausee Ottenstein, wo am Sonntagnachmittag die Hochwasserklappen der Staumauer abgesenkt worden waren, wurde der kontrollierte Ablauf von zunächst 130 Kubikmetern Wasser pro Sekunde "in Abstimmung mit der Behörde" auf etwa 250 erhöht, teilte EVN-Sprecher Stefan Zach Montagfrüh mit. In den Nachtstunden seien bei einem Zufluss von bis zu 330 Kubikmetern pro Sekunde weitere 2,5 Millionen Kubikmeter eingespeichert worden. Das freie Volumen in dem Waldviertler Stausee bezifferte Zach mit vorerst sechs Millionen Kubikmeter. Am Freitag seien es noch 32 Millionen gewesen.

Aufgrund der Situation verlängerten auch die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ihre seit Freitag aufrechte Reisewarnung bis zum Donnerstagabend. "Die ÖBB ersuchen eindringlich, von nicht unbedingt notwendigen Reisen abzusehen", teilten die Bahnen mit. Der Bahnverkehr blieb in weiten Teilen Niederösterreichs wegen rund 40 Streckenunterbrechungen massiv eingeschränkt. Unterbrechungen gab es auch bei der Westbahn.

In Wien hat sich die Hochwassersituation leicht entspannt. Wie ein Sprecher der MA 45 (Wiener Gewässer) berichtete, sind die Pegel entweder gleich geblieben oder zum Teil sogar leicht zurückgegangen. Prognosen für den weiteren Tagesverlauf seien schwierig, hieß es. Die Auffangbecken für den Wienfluss haben aber wieder Kapazitäten. Denn sie seien inzwischen wieder vollständig geleert worden, sagte der Sprecher. Dies sei die übliche Vorgangsweise bei nachlassenden Wassermengen. Damit führe der Fluss zwar länger Hochwasser in Wien, zugleich würden aber wieder Speicherkapazitäten in den Becken in Auhof geschaffen. Trotzdem bleibt man vorsichtig. "Wir werden sehen, was die weiteren Niederschläge bringen." Dass die Pegel wieder steigen, sei nicht auszuschließen. In Wien wurden aufgrund der Witterung neun Menschen leicht verletzt, sagte die Berufsrettung.

Wenig entspannt bleibt die Situation für Öffi-Fahrgäste. Es gibt wegen des Hochwassers im Wienfluss und am Donaukanal weiterhin eingeschränkten U-Bahnbetrieb. Betroffen sind weiterhin die Linien U2, U3, U4 und U6, wie die Wiener Linien mitteilten. An neuralgischen Punkten wurden Schutzmaßnahmen mit Dammbalken oder Sandsäcken errichtet.

Am Nachmittag wird auch wieder der Wiener Krisenstab über die Situation beraten. Im Anschluss an die Sitzung wird um 15.30 Uhr eine Pressekonferenz stattfinden. Teilnehmen werden daran Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Auch im Burgenland gilt entlang der Leitha weiterhin die Gefahr einer Überschwemmung, teilte das Landesmedienservice mit. Die Zahl der Feuerwehreinsätze ging zumindest zurück, da sich Sturm und Regen etwas legten - in der Nacht auf Montag wurden 28 bei der Landessicherheitszentrale gezählt, im Laufe des Vormittags hielt man bei weiteren 23. Betroffen war weiterhin vor allem der Landesnorden.

Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung warnte am Sonntag die Bewohner in den Gemeinden Neudörfl, Hornstein, Neufeld, Wimpassing sowie Leithaprodersdorf mittels AT-Alert über die Gefahr eines Hochwassers. Diese Warnung sei von der Behörde noch nicht aufgehoben, wurde betont. Weiterhin gelte daher für die Bevölkerung, man solle sich vom Ufergebiet sowie tiefer gelegenen Räumlichkeiten wie Keller oder Garagen fernhalten. Die Pegelstände werden weiterhin kontrolliert und Vorsorgemaßnahmen getroffen, da Überschwemmungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen werden können.

In der Obersteiermark sind die aufgrund der Hochwassersituation befürchteten Evakuierungen im Raum St. Barbara im Mürztal (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) am Sonntagabend unterblieben. Das Bezirksrettungskommando sei jedoch weiterhin in Alarmbereitschaft, weil im Laufe des Tages noch Niederschläge erwartet werden. Die landesweite Stromversorgungslage besserte sich: Montagfrüh waren noch rund 800 Haushalte ohne Strom, hieß es vonseiten der Energie Steiermark.

"Wir sind in der Nacht auf heute ohne Evakuierung ausgekommen. Es war alles aufgebaut, um den erwarteten 100 Bewohnern eine sichere Übernachtung zu bieten, aber der Betreuungseinsatz war dann doch nicht notwendig", sagte Christoph Strahlhofer vom Bezirksrettungskommando Bruck-Mürzzuschlag. Momentan sei die Situation entspannt, man sei aber auch auf jeden Fall am Nachmittag bzw. Abend vorbereitet, denn am Nachmittag breitet sich vom Norden laut Geosphere Austria noch einmal teils kräftiger Regen in der Steiermark aus.

Nach einer relativ ruhigen Nacht sind die Feuerwehren am Montag auch in Oberösterreich wieder in Alarmbereitschaft. Neuerlich intensive Niederschläge lassen die Pegel wieder ansteigen. "Aktuell beobachten wir die Lage und warten auf eine mögliche zweite Welle", sagte der Sprecher des Landes-Feuerwehrkommandos, Markus Voglhuber. Kleinere Einsätze und auch schon Aufräumarbeiten werden natürlich durchgeführt. Die wieder intensiver werdenden Niederschläge lassen die kleineren und mittleren Gewässer in Oberösterreich am Montag im Laufe des Nachmittags bzw. der Nacht ansteigen. Dabei seien die Gewässer im unteren Mühlviertel wie Aist und Naarn derzeit auch noch hoch, sagte Peter Kickinger vom Hydrografischen Dienst des Landes Oberösterreich. Das lasse bis zu 30-jährliche Hochwässer und erneut Überflutungen erwarten.

Die Unwetterlage ist auch in Tirol weiter großteils ruhig und stabil geblieben. Trotz prognostizierter Niederschläge bis Dienstag werde "keine kritische Hochwassersituation" erwartet, hieß es vom Land. Es habe auch am Wochenende keine "außerordentlichen Ereignisse" gegeben, sagte der Sprecher des Landesfeuerwehrverbandes, Anton Wegscheider, zur APA. Montagmittag machten sich daher 110 Feuerwehrleute aus Tirol auf den Weg nach Niederösterreich. Zwei Katastrophen-Züge werden die Kolleginnen und Kollegen im Osten unterstützen, erklärte Wegscheider. Mit im Gepäck haben sie neben vier Großpumpen, mehreren Kleinpumpen auch einige Großaggregate und weiteres "Equipment für den Hochwassereinsatz". Die Feuerwehrleute werden vorerst bis Mittwoch in Niederösterreich aushelfen, dann werde über die weitere Vorgangsweise entschieden, berichtete Wegscheider.

Auch die Salzburger Einsatzkräfte ließen ihren niederösterreichischen Kollegen Hilfe zukommen. Das Landesfeuerwehrkommando hat Montagfrüh drei Katastrophenzüge nach Niederösterreich abkommandiert, um dort beim Hochwassereinsatz zu helfen. "Die Züge sind um 6.00 Uhr aufgebrochen", sagte ein Sprecher zur APA. Im Bundesland Salzburg selbst stehen die Zeichen auf Entspannung. Seit Sonntagnachmittag mussten die Hilfskräfte nur mehr zu rund einem Dutzend Einsätzen ausrücken. Für heute, Montag, werden noch 30 bis 40 Liter Regen pro Quadratmeter erwartet. Kleine Bäche könnten heute laut Geosphere Austria durchaus noch ausufern, und auch einzelne Muren seien noch denkbar, aber im Großen und Ganzen könne man die Lage in Salzburg "eher entspannt" betrachten, so Riedl.

Von Kärntner Seite wurden 260 Einsatzkräfte der Feuerwehren zum Hilfseinsatz nach Niederösterreich geschickt, teilte Walter Egger vom Kärntner Landesfeuerwehrverband mit. "Die Kollegen des KAT 5 sind bereits im Bereich Tulln vor Ort", so Egger und: "Der KAT 2 wird um 9.30 Uhr im zugewiesenen Einsatzgebiet eintreffen".

Hilfe nach Niederösterreich kommt auch aus Vorarlberg. Noch am Montag brachen Vorarlberger Feuerwehren mit Schwerpunkt Hochwasserausrüstung ins Katastrophengebiet nach Niederösterreich auf, so Landesfeuerwehrinspektor Herbert Österle am Vormittag. In Vorarlberg sind die Pegel der Flüsse nach wie vor im grünen Bereich. Am Wochenende gab es infolge von Niederschlägen zwar einen leichten Anstieg, seit Sonntag aber Beruhigung und fallende Pegelstände.

Die Lage in den Hochwassergebieten Ostösterreichs bleibe weiterhin ernst, sagte Bundeskanzler Nehammer im Anschluss an eine Sitzung des Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements (SKKM). Monetäre Hilfe kündigte er durch den Katastrophenfonds an: 300 Millionen Euro würden bereitstehen. Sollten sie nicht ausreichend sein, könne aufgestockt werden. Wegen Niederschlägen und durchnässten Böden werde es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Welle kommen, stellte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fest.

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