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Transit: Italien brachte Klage gegen Österreich bei EuGH ein

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Italiens Verkehrsminister Salvini warf Österreich "Arroganz" vor
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Im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke hat Italien am Freitag die angekündigte Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht. Der Ministerrat fasste einen entsprechenden Beschluss, hieß es von Italiens Verkehrsministerium. Minister Matteo Salvini (Lega) meinte, mit der "österreichischen Arroganz Schluss machen" zu wollen. Österreichs grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler verteidigte dagegen die Maßnahmen.

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Verkehrsminister und Vizepremier Salvini gab an, damit "die Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure wiederherzustellen." Italien reichte die Klage laut Artikel 259 EG-Vertrag ein, was ein präzedenzloser Fall war.

"Arrogant ist, wer die Profite der Frächterlobby über die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen in der betroffenen Region stellt", spielte Gewessler den Ball zurück an Salvini. Dieser zeige mit der Klage erneut, dass ihm "die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort egal" seien. Die Tirolerinnen und Tiroler würden "unter untragbaren Zuständen", wie "Stau, Lärm und schlechter Luft" leiden. "Wir werden die rechtskonformen Maßnahmen weiter verteidigen - auch vor dem EuGH". Österreich bleibe aber "gesprächsbereit" und es gelte, am "Verhandlungstisch nach einer Lösung" zu suchen.

Rückendeckung für Tirol aus der türkis-grünen Bundesregierung kam auch von Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Das Argument des freien Warenverkehrs kann nicht mehr Gewicht haben als die Belastung für die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt in Tirol", so Edstadler in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Gleichzeitig betonte auch sie, "gesprächsbereit" zu sein: "Eine langfristige und vernünftige Lösung für die leidgeplagte Bevölkerung in Tirol kann nur in Gesprächen gefunden werden." Dass Italien Klage eingereicht habe, sei "bedauerlich".

Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte indes "mit der Klage gerechnet" und sei "bereits bestmöglich vorbereitet", sagte Mattle in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Sobald uns der Schriftsatz vorliegt, werden wir gemeinsam mit der Bundesregierung und Europarechtsexperten die Verteidigungsstrategie erarbeiten." Der EuGH habe nun "offiziell die Wahl", sich zwischen der "Gesundheit der Menschen", dem "Schutz der Umwelt" oder den "Interessen der Frächter-Lobby" zu entscheiden. "Ich stehe jedenfalls an der Seite der Bevölkerung, denn Tirol kann und will nicht mehr Lkw aufnehmen", hielt er fest. Auch Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) verwies auf eine nun anstehende "Richtungsentscheidung". Man wolle "alles in die Waagschale werfen, um die Gesundheit der Tiroler Bevölkerung weiterhin zu schützen und den Lkw-Transit auf der Straße einzudämmen und auf die Schiene zu verlagern."

Für die Tiroler NEOS hat Italien mit der Klage nun "endgültig den Weg des Dialoges verlassen". Im Bundesland sei man parteiübergreifend einig, "dass die Maßnahmen im Sinne des Schutzes der Bevölkerung ausgebaut werden müssen und nicht abgebaut." Man sehe in Italien nun "wohin eine rechtsgerichtete Regierung führt", sagte Klubobmann Dominik Oberhofer in einer Stellungnahme: "Keinerlei Solidarität und der Horizont endet an der eigenen Landesgrenze."

Der italienische Frächterverband ANITA begrüßte dagegen den Schritt der Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni. Es sei wichtig, "dem antieuropäischen, unrechtmäßigen und unlauteren Wettbewerbsverhalten Österreichs ein Ende zu setzen". "Die Einleitung des Verfahrens ist ein historisches Ereignis für den italienischen Güterkraftverkehr", erklärte Riccardo Morelli, Präsident des ANITA-Verbands. Der Transit im gesamten Alpenbogen sei von zentraler Bedeutung für den Handel zwischen Nord- und Südeuropa und damit auch für die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft.

Die EU-Kommission hatte Mitte Mai im Transit-Streit den Weg für die Klage Italiens freigemacht. In einer Stellungnahme gab die Behörde der Kritik Italiens in markanten Bereichen recht, auf ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren wurde aber verzichtet. Einige der Tiroler Maßnahmen würden den freien Warenverkehr einschränken. Konkret nannte man hier in einer veröffentlichten Aussendung am Ende eines dreimonatigen Verfahrens das Nachtfahrverbot, Sektorales Fahrverbot für "bestimmte schienenaffine Güter", das Winterfahrverbot an Samstagen und die Rationierung der Einfahrt von Schwerlastfahrzeugen auf die Autobahn, also die Lkw-Blockabfertigung bzw. Dosierung.

Einige Argumente Österreichs erkannte die Brüsseler Behörde zwar an, die Maßnahmen seien aber nicht kohärent und könnten daher nicht "durch die Erreichung der angestrebten Ziele (Umweltschutz, Straßenverkehrssicherheit, Verkehrsfluss oder Versorgungssicherheit) gerechtfertigt werden". Darüber hinaus dürften einige dieser Maßnahmen ausländische Unternehmen eher betreffen als österreichische, hieß es. Was den Einwand Italiens gegen Österreich bezüglich einer angeblich mangelnden loyalen Zusammenarbeit anbelangte, stellte die Kommission hingegen fest, dass Italien keine ausreichenden Beweise zur Untermauerung dieses Vorwurfs vorgelegt hatte.

Bis der EuGH eine Entscheidung in der Causa fällt, dürfte indes einige Zeit ins Land ziehen. Laut dem Europarechtsexperten Walter Obwexer, der auch die Tiroler Landesregierung in Transitfragen berät, dauere ein Verfahren im Schnitt eineinhalb bis zwei Jahre. Der Europäische Gerichtshof befasst sich nicht zum ersten Mal mit den Transit-Regelungen in Tirol. Frächterverbände sowie die EU-Kommission riefen den EuGH bereits mehrmals an, um sich gegen Teile wie das Sektorale Fahrverbot oder die Blockabfertigung zu wehren. Tirol musste daraufhin bei der Ausgestaltung nachbessern, dennoch sind die Maßnahmen bis heute in Kraft.

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