Trend Logo

Trotz US-Vorstoß hohe Hürden für Gaza-Deal

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
7 min
Auch Staatspräsident Herzog macht inzwischen Druck auf Netanyahu
©APA/APA/dpa/Carsten Koall
  1. home
  2. Aktuell
  3. Nachrichtenfeed
Nach dem Vorstoß von US-Präsident Joe Biden für eine Beendigung des Gaza-Kriegs wächst der Druck auf Israels Premier Benjamin Netanyahu. Allein in Tel Aviv gingen am Samstagabend rund 120.000 Menschen für ein Abkommen auf die Straße und forderten Neuwahlen. Präsident Yitzhak Herzog dankte Biden am Sonntag für dessen Bemühungen. Er selbst habe Netanyahu und der Regierung "meine volle Unterstützung für einen Deal zugesichert, der zur Freilassung der Geiseln führen wird".

von

Es gebe nach jüdischer Tradition keine größere Pflicht als die Rückholung von Gefangenen und Geiseln, "vor allem, wenn es um israelische Zivilisten geht, die der Staat Israel nicht verteidigen konnte", sagte der Präsident.

Rechtsreligiöse Koalitionspartner Netanyahus drohten dagegen mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Dieser bedeute einen "Sieg für den Terrorismus" und eine "totale Niederlage" Israels, kritisierte Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Der Plan würde den Krieg beenden, ohne dass die Kriegsziele erreicht seien, schrieb Finanzminister Bezalel Smotrich auf X.

Biden hatte am Freitag überraschend Details eines Entwurfs für einen Deal in drei Phasen präsentiert, dem Israel nach Angaben der US-Regierung bereits zugestimmt habe. Die erste Phase sieht demnach eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dicht besiedelten Gebieten in Gaza vor. Es würde zunächst eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. Im Gegenzug würden Hunderte Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenden Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase würde ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Ein im Libanon ansässiger Hamas-Sprecher äußerte sich am Samstag positiv. Man werde das von Biden dargelegte Angebot der Israelis prüfen. Der in Tunneln unter dem Gazastreifen ausharrende militärische Anführer der Hamas, Yahya al-Sinwar, ist nach Informationen des "Wall Street Journals" jedoch nur zu einem Abkommen bereit, wenn es das Überleben der Hamas als militärische und politische Kraft in Gaza sichert. Netanyahu wiederum machte am Samstag deutlich, dass sich Israels Bedingungen für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller Geiseln.

Die in dem Konflikt als Vermittler fungierenden Staaten Ägypten, USA und Katar riefen Israel und die Hamas in einer gemeinsamen Erklärung zur Einigung auf ein Abkommen auf.

Israel habe zwar dem von Biden dargelegten Vorschlag für ein Abkommen zugestimmt, viele Einzelheiten seien aber noch ungeklärt, betonte Ophir Falk, außenpolitischer Berater von Regierungschef Netanyahu gegenüber der britischen Zeitung "The Sunday Times". "Es ist kein guter Deal, aber wir wollen unbedingt, dass die Geiseln freigelassen werden, und zwar alle", sagte er. "Es sind noch viele Details zu klären", bekräftigte Falk und verwies darauf, dass sich Israels Bedingungen nicht geändert hätten: Neben der Freilassung aller Geiseln die Zerstörung der Hamas. "Die Vorstellung, dass Israel einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmen wird, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, ist ein Rohrkrepierer", hatte Netanyahu erklärt.

Der Anführer der Hamas im Gazastreifen, Sinwar, dessen Zustimmung für eine Vereinbarung erforderlich ist, glaube wiederum, dass die Zeit auf seiner Seite sei und der Krieg Israel immer tiefer in einen Sumpf hineinziehe, berichtete das "Wall Street Journal". Die zivilen Opfer in Gaza trügen dazu bei, Israel zu einem internationalen Paria zu machen, habe Sinwar seinen Verbindungsleuten in Notizen aus dem Untergrund übermittelt, berichtete die Zeitung. Während viele der im Exil lebenden Vertreter des politischen Flügels der Hamas zeigen wollten, dass die Hamas sich für die Beendigung des Leidens der Zivilbevölkerung einsetze, wolle Sinwar sicherstellen, dass die Hamas eine maßgebliche politische Kraft in Gaza bleibt.

In dem von Biden dargelegten Vorschlag für ein Abkommen sei nicht erwähnt, wer nach dem Krieg die Herrschaft über den Gazastreifen übernehmen würde, berichtete die "New York Times". Sollten keine anderen Vereinbarungen getroffen werden, könne dies dazu führen, dass die Hamas de facto wieder die Herrschaft über das Gebiet übernehme. Dies wäre aus Sicht der Islamisten nach fast acht Monaten Krieg ein strategischer Sieg, so die Zeitung.

Ein israelischer Beamter machte unterdessen gegenüber der "Times of Israel" deutlich, dass sich Israel in dem von Biden dargelegten Angebot das Recht vorbehalte, die Kämpfe jederzeit wieder aufzunehmen, sollte die Hamas gegen Bedingungen des vorgeschlagenen Abkommens verstoßen.

Ein Durchbruch bei den festgefahrenen Gesprächen sei zwar möglich. Doch die Meinungsverschiedenheiten in Detailfragen würden angesichts der großen Unterschiede zwischen den Kriegszielen und politischen Interessen Israels und der Hamas wahrscheinlich schwer zu überwinden sein, zitierte das "Wall Street Journal" beteiligte Unterhändler.

Auslöser des Krieges war ein Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Sie ermordeten rund 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln nach Gaza. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 36.400 Menschen getötet. Die Zahl, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheidet, lässt sich unabhängig kaum prüfen.

Über die Autoren

Logo
Abo ab €16,81 pro Monat
Ähnliche Artikel
US-Präsident Biden appelliert an Zusammenhalt der Nation
Nachrichtenfeed
Biden ruft nach Attentat auf Trump zum Zusammenhalt auf
Israelischer Luftschlag auf Zeltunterkünfte in Khan Younis
Nachrichtenfeed
Hamas dementiert Tötung von Militärchef bei Angriff
Der 81-Jährige hält bisher eisern an seiner Kandidatur fest
Nachrichtenfeed
Biden: Bin die am besten qualifizierte Person für den Job
Biden hält zum Abschluss des NATO-Gipfels eine Pressekonferenz
Nachrichtenfeed
NATO gibt 40 Milliarden Euro für Kiew und kritisiert Peking
Debatte um Kandidatur Bidens geht weiter
Nachrichtenfeed
Erster demokratischer Senator fordert Biden zum Rückzug auf
Bündnis feiert zum Auftakt seinen 75. Geburtstag
Nachrichtenfeed
USA und Partner sagen Kiew bei NATO-Gipfel Unterstützung zu
Die Ukraine ist auf einem "unumkehrbaren Weg" zur NATO-Mitgliedschaft
Nachrichtenfeed
Ukraine auf "unumkehrbaren Weg" zu NATO-Mitgliedschaft
Russland fährt Raketenangriffe auf mehrere ukrainische Städte
Nachrichtenfeed
Russischer Raketenangriff trifft Kinderklinik in Kiew
Marine Le Pen wechselt mit dem Rassemblement National das EU-Lager
Nachrichtenfeed
"Patrioten für Europa" drittstärkste Kraft im EU-Parlament
Ungarischer Regierungschef setzt umstrittene Auslandsreisen fort
Nachrichtenfeed
Ungarns Ministerpräsident Orbán überraschend in China
Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon jubelt
Nachrichtenfeed
Sieg von Linksbündnis bei französischer Parlamentswahl
Fast 60 Prozent der Wahlberechtigten haben bisher abgestimmt
Nachrichtenfeed
Hohe Beteiligung bei zweiter Runde der Frankreich-Wahl