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Von der Leyen wirft Orbán "Appeasement" vor

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Von der Leyen stellt sich der Wahl im Europaparlament.
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán für seine Reise nach Moskau scharf kritisiert. "Diese sogenannte Friedensmission war eine reine Appeasementmission" (deutsch: Beschwichtigungsmission; wohl eine Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg), sagte sie unter Applaus, aber auch Protest-Rufen in ihrer Rede vor den Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg.

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Die deutsche EVP-Politikerin wirbt dort um eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission. Am frühen Nachmittag werden die Europaabgeordneten darüber abstimmen. Von der Leyen dürfte wahrscheinlich mit den Stimmen ihrer EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden, doch dürfte es unter ihnen Abweichler geben. Allerdings haben auch viele Grünen-Mandatare ein mögliche Zustimmung angedeutet.

Von der Leyen nannte Orbán nicht direkt, sondern sprach lediglich von einem "europäischen Ministerpräsidenten". Allerdings war klar, wen sie mit ihrer Aussage meinte. In Richtung Ungarn betonte sie zudem, dass für das Erhalten von EU-Geldern "immer die Rechtsstaatlichkeit respektiert sein muss". Wegen Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit sind nach wie vor Milliarden an für Ungarn bestimmte EU-Gelder eingefroren.

Von der Leyen rief zudem zu einer sofortigen und dauerhaften Waffenruhe für den Gaza-Streifen auf. "Das Blutvergießen in Gaza muss jetzt stoppen. Zu viele Kinder, Frauen und Zivilisten haben ihr Leben verloren." Sie forderte weiters die Freilassung aller israelischer Geiseln, die noch in der Hand der Hamas sind.

Die Schwerpunkte für die kommenden fünf Jahre legte von der Leyen in ihren Donnerstagfrüh veröffentlichten Leitlinien vor. Die Prioritätensetzung bleibt ähnlich wie bisher: Der Asyl- und Migrationspakt soll umgesetzt und die Außengrenzen der EU gestärkt werden. Ein neuer gemeinsamer Ansatz soll mehr Rückführungen ermöglichen. Sie kündigte zudem an, die Mitarbeiterzahl der EU-Grenzagentur Frontex auf 30.000 zu erhöhen. Zuletzt waren noch 10.000 Beamte bis 2027 vorgesehen.

Für die Grenzsicherheit sei zudem "überaus wichtig, einen vollständigen und voll funktionierenden Schengen-Raum sicherzustellen". Bulgarien und Rumänien seien "bereit und sollten alle Vorteile des Schengen-Raums genießen". Dies richtet sich an Österreich, das die volle Aufnahme der beiden Länder in den Schengenraum derzeit blockiert.

Von der Leyen kündigte in ihrer Rede weiters einen eigenen EU-Kommissar an, der sich mit dem Thema leistbaren Wohnen beschäftigen soll. Dies kann als Zugeständnis an die sozialdemokratische S&D-Fraktion gewertet werden, die einen solchen Kommissar gefordert hatten. "Wenn es den Europäern etwas bedeutet, dann bedeutet es Europa etwas", sagte sie an jene gerichtet, die das Thema Wohnen nicht auf EU-Ebene sehen, sondern rein auf Nationalstaaten-Ebene.

Die vorgestellten Leitlinien betonen auch die Bedeutung der Erweiterung: "In einer Welt der Großmächte verleiht eine größere und stärkere Union uns mehr geopolitisches Gewicht und Einfluss auf der Weltbühne." Jeder Kandidat müsse jedoch die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, bevor er beitreten dürfe.

Von der Leyen will ihren Green Deal für den Klimaschutz stärken, indem sie eine Regelung zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie vorlegen will. Im Streit um das Verbrenner-Aus verspricht von der Leyen in ihren Leitlinien einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Dies ist im Sinne Österreichs beziehungsweise der Kanzlerpartei ÖVP, die sich gegen ein komplettes Verbrenner-Aus positioniert hat. Eine "echte Energieunion" soll die Energierechnungen weiter senken.

Für die Landwirtschaft wolle sie einen Plan vorlegen, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Weiters solle die Position der Bauern in der Lebensmittellieferkette gestärkt werden. "Niemand sollte gezwungen sein, gute Lebensmittel unter Produktionskosten zu verkaufen", so die scheidende und möglicherweise neue Kommissionspräsidentin.

Die Verteidigungsindustrie der EU soll mit einem eigenen Kommissar und mehr Geld gestärkt werden. Von der Leyen will eine "Verteidigungsindustrie" aufbauen und in den ersten 100 Tagen ihres Mandats ein Weißbuch zur Zukunft der Verteidigung vorlegen. Zudem will sie eine neue europäische Strategie für die innere Sicherheit vorschlagen, um die Kriminalität zu bekämpfen. In dem Kontext versprach sie auch die Zahl, der Europol-Mitarbeiter zu verdoppeln (laut Europol Webseite aktuell etwas mehr als 1.000) und die Agentur zu einer richtigen Polizeibehörde auszubauen.

Die EVP, Sozialdemokraten und Liberale verfügen über 401 der 720 Sitze im EU-Parlament. Für eine Wiederwahl benötigt die Kommissionschefin eine absolute Mehrheit von 361 Stimmen. Diese dürfte sie am Donnerstag erreichen, da auch einige Abgeordnete der Grünen und der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in der geheimen Wahl für sie stimmen dürften. Die EU-Abgeordneten der ÖVP, die der EVP-Fraktion von der Leyens angehören, dürften für sie stimmen. SPÖ, Grüne und NEOS signalisierten eine Zustimmung unter Bedingungen. Die Mandatare der bei der Europawahl in Österreich siegreichen FPÖ wollen der deutschen Politikerin keine Stimme geben.

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