EZB-Zentrale in Frankfurt
©ImagoAuf den Finanzmärkten wird angesichts der rückläufigen Inflation bereits auf eine baldige Zinswende der EZB und eine erste Zinssenkung gewettet. EZB-Vertreter mahnen jedoch zur Geduld und lassen den Zeitpunkt für eine Entscheidung offen.
Währungshüter der Europäische Zentralbank (EZB) lassen sich hinsichtlich der möglichen ersten Zinssenkung nicht in die Karten schauen. Mehrere Euro-Wächter verwiesen am nun unter anderem auf Unsicherheiten bezüglich der Inflation sowie auf noch ausstehende zentrale Daten. Am Finanzmarkt wird dagegen auf eine rasche Zinswende gesetzt.
Aktuell wird dort mit einer Wahrscheinlichkeit von 23 Prozent davon ausgegangen, dass die EZB bereits im März erstmals wieder die Zinszügel lockern wird. Für eine Zinssenkung im April wird die Wahrscheinlichkeit sogar bereits mit 93 Prozent taxiert.
Frankreich Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte zum Zinskurs am Dienstag lediglich, dass die EZB die Schlüsselsätze dieses Jahr wahrscheinlich wieder nach unten setzen wird. "Sofern es keine großen Überraschungen gibt - wir blicken in den Nahen Osten - wird unser nächster Schritt eine Senkung sein, wahrscheinlich dieses Jahr", sagte er in einer Diskussionsrunde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. "Ich werde mich zur Jahreszeit nicht äußern," fügte er hinzu. Zu Bloomberg TV sagte er, die EZB solle nicht übereilt handeln. "Wir sollten geduldig sein, sollten geduldig genug sein."
Zinsentwicklung in der Eurozone
Die EZB hatte im Kampf gegen die Inflation die Zinsen ab Sommer 2022 zehnmal angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt aktuell bei 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Die Inflation in der Euro-Zone ist von den Höchstständen im Herbst 2022 von zeitweise über zehn Prozent inzwischen auf 2,9 Prozent im Dezember zurückgegangen. Zielmarke der EZB sind 2,0 Prozent.
Aus Sicht des finnischen EZB-Ratsmitglieds Tuomas Valimaki sollte die EZB die Zinsen nicht überhastet senken. "Es ist besser, etwas länger zu warten, als dieses restriktive Niveau vorschnell zu verlassen und dann vielleicht eine Kehrtwende einleiten zu müssen", sagte Valimaki. "Ich sehe die klare Notwendigkeit, genügend Beweise dafür zu haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind". Im Fokus stehen dabei für viele Währungshüter unter anderem Daten zu den Lohnabschlüssen in den Euro-Ländern, die erst nach dem ersten Quartal erwartet werden.
Der Deutsche Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hält auch deshalb Diskussionen über den möglichen Zeitpunkt einer ersten Zinssenkung noch nicht für sinnvoll. Es sei noch eine Wegstrecke bei der Inflation zu gehen, sagte er am Dienstag in Davos auf einer Diskussionsrunde bei ntv. "Die Spekulationen, wann möglicherweise die Zinsen gesenkt werden könnten, das kommt aus meiner Sicht zu früh", bekräftigte er frühere Aussagen. Unterdessen zeigt die jüngste Umfrage der EZB, dass Verbraucher im Währungsraum ihre kurzfristigen Inflationserwartungen deutlich zurückgenommen haben. Der Erhebung von November zufolge gehen sie davon aus, dass die Inflation binnen zwölf Monaten bei 3,2 Prozent liegen wird. In der vorangegangenen Oktober-Umfrage hatten sie noch 4,00 Prozent vorausgesagt.
Aus Sicht von Portugals Notenbankchef Mario Centeno sollte keine Option vom Tisch genommen werden - und dazu zählten auch Zinssenkungen. Die EZB werde über eine Herabsetzung der Schlüsselsätze beraten, wenn die Zeit gekommen sei, sagte er in Davos. "Wenn Sie mich fragen, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, denke ich, dass wir darauf vorbereitet sein müssen, die Themen zu diskutieren." Keine Möglichkeit solle ausgeschlossen werden. Mit einem übermäßigen Anstieg der Löhne rechnet Centeno nicht.