Die Verschärfung der Vergabekriterien für Immobilienkredite wird die Verarmung des Mittelstands beschleunigen.
Gebrauchte Eigentumswohnung zu vernünftigem Preis gesucht? Fehlanzeige. Schicke Neubauwohnung mit Balkon ins Grüne? Viel zu teuer! Der Markt für gebrauchte, leistbare Wohnimmobilien ist derzeit wie leergefegt. Das Angebot an neugebauten Wohnimmobilien ist zwar groß, für Normalverdiener aber fast unerschwinglich.
Mit großer Sorge beobachtet die Nationalbank die Entwicklungen am heimischen Immobilienmarkt. Das Kreditvolumen für Immobilien ist in den letzten drei Jahren stark gestiegen, und ein Systemrisiko bei österreichischen Banken wird befürchtet. Aus dem Grund werden nun die Vergaberichtlinien bei Wohnkrediten deutlich verschärft. Das klingt bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht vernünftig, ist aber in Wahrheit nichts anderes als ein Beschleuniger der schleichenden Verarmung des Mittelstandes in Österreich.
Die Verschärfung der Vergabekriterien bei Wohnkrediten wird dazu führen, dass die Anschaffung einer eigenen Immobilie noch schwieriger werden wird. Junge Menschen werden abgeschreckt, eine sinnvolle Investition in eine Wohnung zu tätigen, da die Eintrittsbarriere zu hoch ist. Bei Durchschnittsverdienern bleibt für das Ansparen einer Rücklage - für schlechtere Zeiten oder als Anzahlung für ein Eigenheim - am Ende des Monats wenig oder gar nichts mehr übrig. Dies ist in letzter Konsequenz ein massiver Treiber der Altersarmut.
Genau jene Zielgruppe, für die es am wichtigsten wäre, in ein Eigenheim zu investieren, statt monatlich Miete zu zahlen, wird nie mehr die Chance haben, für das Alter vorzusorgen und die Wohnung, in der gelebt wird, über Jahrzehnte abzuzahlen. Die 20 Prozent Eigenkapitalhürde ist für viele ohne Erbschaft nicht aufzubringen. Wohlhabende Menschen, die ohnehin bereits Immobilien besitzen, werden auch in Zukunft kein Problem haben, Finanzierungen für weitere Immobilien zu erhalten. Für junge Paare, Menschen am Beginn ihres Berufslebens wird es hingegen durch diese Richtlinien fast unmöglich, in ein Eigenheim zu investieren. Die Sorge vor einer zweiten Subprime-Krise ist verständlich, aber der Preisanstieg der Immobilien wird dadurch nicht gebremst werden können, und die sozialen Langzeitwirkungen sind katastrophal.
Mein eigener Sohn, der gerade das Studium beendet hat, ist soeben ausgezogen und hat mit meiner Unterstützung eine kleine gebrauchte Eigentumswohnung gekauft, in der er auch wohnt. Das war vermutlich die beste Investition seines Lebens. Er zahlt nie Miete, und vermutlich wird die Wohnung auch langsam, aber sicher mehr wert. Aber mein Sohn hat Glück, denn er hat einen Vater, der ihm bei der Finanzierung geholfen hat. Junge Menschen ohne dieses Privileg werden durch diese Richtlinien nie die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig ein Eigenheim anzuschaffen, und dadurch Jahrzehnte ihres Lebens beim Vermögensaufbau verlieren.
Abhilfe dafür könnte ein System staatlicher Garantien sein, die die Rolle der Eltern übernehmen und im Falle von Zahlungsausfällen haften. Im schlimmsten Fall wird der Garantiegeber Eigentümer einer Wohnung, die dann an die nächsten Kandidaten verkauft werden kann. In der Schweiz gibt es so gut wie keine Immobilienkredite, die in Raten abgestottert werden, sondern fast ausschließlich endfällige Hypotheken mit Laufzeiten bis zu 20 Jahren. Monatlich müssen also nur Zinsen bezahlt werden. Auch in Deutschland ist diese Finanzierungsform häufig anzutreffen. Die geforderte maximale Belastung des Haushaltsbudgets von 40 Prozent für Wohnkredite könnte durch die Vergabe endfälliger Darlehen für Wohnzwecke wesentlich leichter eingehalten werden. Auch für die Banken ist das ein gutes Geschäft. Der Immobilienbesitzer entschuldet sich dabei über die Inflation während der Laufzeit.
Da finanzielle Bildung in den Lehrplänen unserer Schulen nicht vorkommt, herrscht in breiten Bevölkerungsschichten eklatante Fehleinschätzung über die Entwicklung des eigenen Wohlstands bis ans Lebensende. Die Erkenntnis, dass die staatliche Pension später gerade mal die Miete der eigenen Wohnung deckt, aber nicht Lebensmittel oder Kleidung, kommt für viele zu spät. Bis dahin wurden meistens schon wertvolle Lebensjahrzehnte verschenkt, die zum Aufbau eines Vermögenswerts in Form einer Immobilie benötigt werden.
Der Gastkommentar ist der trend. EDITION März/2022 entnommen.