Oliver Holle
©trend / Lukas IlgnerOliver Holle hat als Start-up-Gründer seine berufliche Laufbahn gestartet und schöpft aus einem reichen Fundus an Erfahrungen. Der vom trend zum Mann des Jahres 2023 gewählte Investor, will diese Erfahrungen nicht nur versilbern, sondern auch tatkräftig daran mitwirken, dass weiterhin Innovatoren sich trauen, ein eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen. Er formuliert dazu 6 Gedanken zur Start-up-Szene, zu Bildung, Innovationskraft und gesellschaftlichem Impact.
1. Die heimische Start-up-Szene
"Das Positive ist eine neue Generation an Gründerteams, die gelernt haben, wie Internationalisierung und Skalierung funktionieren. Da wird eine große Welle an erfolgreichen Start-ups auf uns zukommen. Dem steht eine im Wesentlichen stagnierende politische Dynamik gegenüber.
Es fehlt - mit wenigen Ausnahmen - an Verständnis und Interesse daran, wie Innovationsökonomie funktioniert - und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.
Während es in anderen Ländern längst Kern einer modernen Industrie- und Standortpolitik ist, Innovation auf allen Ebenen zu fördern - ob durch steuerliche Anreize, Ansiedlungspolitik oder Investitionen in Start-ups -, sind diese Themen bei uns immer noch als 'Schönwetterpolitik' abgespeichert. Das ist ein massiver Fehler."
2. Die Folgen des mangelnden Verständnisses
"Wir kommen im Europavergleich in diesem Bereich nicht aus dem untersten Drittel heraus und sind zehn, zwanzig Jahre hintennach. Das könnte man nur mit einer enormen Kraftanstrengung ändern. Wenn es diese nicht gibt, werden wir nicht in der Lage sein, strukturiert große digitale Leitbetriebe in Österreich aufzubauen, die wiederum die volkswirtschaftliche Basis für unsere Kinder sein sollten.
Denn es macht einen riesigen Unterschied, ob wir in Österreich große digitale Firmen haben werden oder nicht. Und die wenigen, denen das gelingt, werden es trotz der Rahmenbedingungen in Österreich geschafft haben und nicht deswegen."
3. Die gesellschaftliche Bedeutung von Start-ups
"Wir wissen, dass wir in der Welt unfassbare Herausforderungen haben in Bereichen wie etwa Klima, Gesundheit oder Einkommensverteilung. All diese Themen benötigen politische Lösungen, aber auch ganz dringend technologische Innovation.
Diese entsteht aber nicht im luftleeren Raum, sondern dafür gibt es weltweit bekannte Mechaniken. Eine dieser Grundregeln ist, dass Innovation viel eher in kleinen Strukturen - man kann diese Start-ups nennen oder sonst wie - stattfindet und nicht in großen Unternehmen. Und dabei spielt Risikokapital eine enorme Rolle."
4. Die heimische Innovationskraft
"Wir haben noch immer ein ausgeprägt hierarchisches Kulturdenken - von der Schule bis zum Wirtschaftsleben und der Politik. Es geht um oben und unten, um innen und außen, Freund und Feind.
Solche Strukturen sind nicht nur ineffizient und letztlich dysfunktional, sondern vor allem tödlich für Innovation und das Entwickeln junger Talente.
Das Umdenken hat in vielen größeren Corporates bereits begonnen, auf breiter Ebene sind wir aber noch weit entfernt von einem Verständnis, wo nicht Titel und Status im Vordergrund stehen, sondern tatsächlicher Impact."
5. Das Bildungssystem in Österreich
"Meine Kinder haben extrem positive Erfahrungen mit dem Schulsystem in den USA gemacht. Es war wie ein intellektuelles und emotionales Aufatmen, dass die dortige Lehrerschaft mit ihnen auf Augenhöhe gearbeitet hat. Da kann man im Gegensatz zum sturen Auswendiglernen gemeinsam ein inhaltliches Verständnis zu allen möglichen Themen entwickeln. Wir bräuchten für das österreichische Bildungssystem einen kompletten kulturellen Reset, wo Lehrer verlernen, so mit Kindern umzugehen, wie sie es seit mehreren Hundert Jahren tun."
5. Oliver Holles Wünsche an die nächste Regierung
"Was den Umbau Österreichs in Richtung Innovationsökonomie betrifft, befinden wir uns auf dem langsamsten Zug. Daher gibt es eine ganze Reihe von wichtigen Themen wie Klimawandel, Bildungssystem, Pensionssystem etc.
Ich wäre aber schon froh, wenn wir uns für unsere nächste Regierung nicht schämen und bei internationalen Geschäftspartnern keine Fragen zur Fremdenfeindlichkeit Österreichs beantworten müssen. Ich habe gesehen, wie etwa in Ungarn Talente konsequent das Land verlassen haben - mit fatalen langfristigen Folgen für das Land. Dies wäre der größte Schaden für die aufstrebende Start-up-Szene und letztlich für ganz Österreich."
Der Artikel ist der trend. edition+ Ausgabe vom 22.12.2023 entnommen.
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