Thomas Gangl, CEO der Petrochemiegruppe Borealis, war zuvor OMV-Vorstand. Über seinen Aufstieg, seinen Führungsstil, seine Managementstrategie und wie ihn seine Kindheit prägte
Lebenslauf: Thomas Gangl
Aktuelle Funktion: CEO Borealis
Seit wann in dieser Funktion: April 2021
Jahrgang: 1971
Geburtsort: Reichersberg, Oberösterreich
Staatsangehörigkeit: Österreich
Ausbildung: Studium der Verfahrenstechnik an der Technischen Universität (Abschluss 1998) davon hat er ein Jahr Mechanical Engineering an der University of Salford in Manchester, Großbritannien studiert.
Familienstand: Verheiratet und Vater eines Sohnes
Beruflicher Werdegang Thomas Gangl
2021 bis heute: CEO Borealis
2019 -2021: Vorstand OMV und verantwortlich für die Raffinerien und Petrochemie
2016 - 2019: Verantwortlich für alle drei OMV Raffinerien in Schwechat (Österreich) und in Burghausen (Süddeutschland) und Petrobrazi (Rumänien)
2014 - 2016: Leitung Senior Vice President der Business Unit Refining (Veredelung) & Petrochemical Raffinerie Schwechat
2011 - 2014: Geschäftsführer OMV Deutschland und Raffinerieleiter Burghausen
1998 - 2011: Prozess-Ingenieur in der Raffinerie Schwechat bei der OMV
Geschätztes Gehalt: 2 Millionen Euro jährlich
Eckdaten Borealis
Eigentümer: 75 Prozent OMV, 25 Prozent Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) Vereinigte Arabische Emirate
Unternehmenssitz: Wien
Länder: 120
Zentrale: Wien Schwechat
Produktionsstandorte: Österreich (Schwechat und Linz), Belgien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Niederlande, Schweden, Südkorea und USA. Zwei Forschungszentren in Schweden und Finnland und das European Innovation Headquarters ist in Linz
Forschungszentren: Linz (European Innovation Headquarter), Porvoo (Finnland), Stenungsund (Schweden); Borouge: Abu Dhabi (UAE)
Branche: Kunststoffherstellung
Geschäftsfelder: Das Kerngeschäft von Borealis (rund drei Viertel des Umsatzes ist die Kunststoffproduktion in flüssiger (primärer) Form (Polyolefine), rund ein Drittel geht auf die Erzeugung organischer Grundstoffe, Basischemikalien und Lösungen für Düngemittel zurück. Der Petrochemie-Konzern liefert das Basismaterial für Plastik. Es wird in ganz unterschiedlichen Industriesegmenten wie Automotive (in der E-Mobilität unterstützt der Kunststoffproduzent mit seinen Produkten den Leichtbau), Energieübertragung (wie Hochleistungsstromkabel), Infrastruktur, Medizin (Mund-Nasen-Schutz) und auch in für Konsumgütern, wie für Handys, eingesetzt.
Konzernkennzahlen 2022
Umsatz: 12,225 Milliarden Euro
Gewinn [EBIT]: 1,06 Milliarden Euro (inklusive Erlös vom Verkauf der Tochtergesellschaft Nitro (Pflanzennährstoffe, Melamin und technische Stickstoffprodukteum) um 810 Millionen Euro
Return on Capital Employed (Vorsteuerrendite): 19
Verschuldungsquote: 3
Zahl der Mitarbeiter: 7.649 weltweit
Links/Videos zum Unternehmen: Video
Über seinen familiären Background
Thomas Gangl stammt aus einer Familie mit acht Kindern. Das hat in geprägt. Gegenüber dem trend erzählte der Borealis-Chef in seinem Antrittsinterview nach der Bestellung zum CEO: "Bei uns zu Hause gab es ein Stück Schokolade und nicht eine ganze Reihe, und auch das nicht jeden Tag." Allen Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, war den Eltern, - der Vater arbeitete in der Fertigung von Hagan-Ski, und obwohl es finanziell nicht leicht zu stemmen war, ein Anliegen: "Ich bin der erste Akademiker der Familie, aber es stand nie infrage, dass allen eine Ausbildung ermöglicht wird. Meine Eltern mussten sehr sparsam sein, um das Leben mit acht Kindern bewerkstelligen zu können. Die Leistung musste stimmen. Klar ist das prägend - und Teil meiner Entwicklung bis da, wo ich heute bin.
Thomas Gangl: Werdegang und Aufstieg zum Top-Manager
20 Jahre bei der OMV
Der Borealis-Chef hat das Industriebusiness von der Picke auf kennengelernt. Nach dem Studium an der Technischen Universität Wien hat seine Karriere als Prozessingenieur im Schichtdienst in der Raffinerie in Schwechat begonnen. Gangl über seine Erfahrungen damals: "Ich bin selbst mitten in der Nacht, im Regen oder bei Minusgraden auf den Anlagen in Schwechat herumgeklettert. Es ist immer gut, zu wissen, wie sich das anfühlt. Diese Erfahrung hat sicher auch einen Einfluss darauf, wie man später mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umgeht."
Übernimmt mit 40 Jahren die erste Leitung der ersten Raffinerie
Der studierte Spezialist für Prozessoptimierung wurde mit 40 Jahren erstmals an die Spitze eines Unternehmens berufen. Er wurde zum Geschäftsführer von OMV Deutschland ernannt und ihm wurde erstmals die Leitung einer Raffinerie übertragen - dem größten Rohstofflieferanten für die Petrochemie, Chemie und Kunststoffverarbeitung. Die Verantwortung, dass alle Prozesse so effizient und reibungslos wie möglich klappen, war entsprechend groß.
Drei Jahre nach seinem Antritt als General Manager bei OMV-Deutschland, 2014, folgte der nächste Karriereschritt. Gangl wurde Chef der OMV-Raffinerie in Schwechat - eine der größten und modernsten Binnenraffinerien Europas und erhielt damit eine noch größere Verantwortung als bisher. Die Raffinerie vor den Toren Wiens deckt rund die Hälfte des Bedarfs an Mineralölprodukten in Österreich.
Zwei Jahre, 2016, später wird Gangl bereits die Leitung aller drei OMV-Raffinerien übertragen. Es sollte weiter Schlag auf Schlag gehen. 2019 wird der Manager in den Vorstand der OMV berufen - als, nicht schwer zu erraten, - Vorstand für das Raffineriegeschäft.
Grundstein für die Kreislaufwirtschaft in der OMV gelegt
In seiner Zeit als OMV-Vorstand hat er die damals von der OMV übernommene rumänische Petrom - das größte Energieunternehmen in Südosteuropa - in den Konzern integriert und in den Raffinerien die Prozesse harmonisiert. In seiner Zeit als Vorstand hat er die Sparten Raffinerie- und Petrochemie bei der OMV in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgestaltet und das chemische Recycling im Konzern etabliert und damit den Grundstein für die Kreislaufwirtschaftsstrategie der OMV gelegt.
VIDEO: Thomas Gangl über seine Laufbahn und seine Zeit beim OMV-Konzern
Seine größten Erfolge
1. Modernisierung des Raffineriebusiness
Als seinen größten beruflichen Erfolg bezeichnete Gangl - damals bei der OMV für die Raffinerien verantwortlich - "Unsere Raffinerien auf das heutige Performance-Level zu heben."
2. Begleitete den Kauf der Borealis federführend
Hätte man ihn zwei Jahre später gefragt, wäre die Antwort wohl anders ausgefallen. Denn der Manager selbst soll, laut Insidern, die Idee, die Borealis mehrheitlich zu übernehmen, gehabt haben. Was dann auch geschah. Und als Chef der OMV-Raffinerien war er federführend mit der Übernahme des Kunststoffspezialisten betraut. Der Preis: 4,1 Milliarden Euro und damit der größte Firmenkauf der österreichischen Industriegeschichte. Die Borealis gilt als einer der weltweit führenden Hersteller von Polyolefinen.
Borealis Kauf durch dessen künftigen Boss - Thomas Gangl
Die Übernahme der Borealis gleicht einem Wirtschaftskrimi. Es ging um viel Geld, Macht und Intrigen. An dessen Ende Gangl als strahlender Held stand. Statt Bereichsvorstand der OMV wurde er, nach der Finalisierung der Mega-Akquisition, zur Überraschung so mancher, selbst der Chef von Borealis und nicht Alfred Stern und Johann Pleininger, die beide um die Spitzenposition gebuhlt hatten.
Doch bis dahin war es eine Nervenschlacht. Gerade einmal als OMV-Vorstand inthronisiert, erhielt Gangl, nachdem er dem damaligen OMV-Konzernchef Rainer Seele den Deal vorgeschlagen hatte, das Ok, den Kauf über die Bühne zu bringen. Im Zuge dessen folgten im Konzern wilde Beschuldigungen und Intrigen. Der Kaufpreis wurde beispielsweise als viel zu hoch eingestuft. In der Zwischenzeit hat sich jedoch gezeigt, dass der Preis eine Okkasion war.
Der Chemie-Konzern wirft zudem immense Gewinne ab. 2021 waren es 1,512 Milliarden Euro [EBIT]; 2022 beträgt der Gewinn 1,076 Mrd. € trotz Krieg und Krise.
Wie bei der OMV setzt sich der Oberösterreicher auch bei der Borealis für nachhaltigeres Wirtschaften ein. Seine Ziele und Ausbaupläne gelten vor allem, die Kunststoffproduktion in Richtung Recycling und Kreislaufwirtschaft zu transformieren.
So tickt der Manager
Thomas Gangl gilt als gerader und direkter Mensch, aber auch als geschickt, Entscheidungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Er selbst beschriebt sich in einem Interview für die OMV als Beziehungsmensch, zielorientiert und pragmatisch. Auch der Großzügigkeit kann er viel abgewinnen:
Eine weitere positive Eigenschaft wird ihm attestiert: "Er drängt nicht ins Rampenlicht und hat nichts mit der durch ständige Machtspiele geprägten Führungskultur der OMV am Hut. Gangl ist frei von Starallüren und entspricht so gar nicht dem Bild des karrierebesessenen Aufsteigers", schreibt trend-Chefredakteur Andreas Lampl (siehe Interview vom November 2022).
Gangl, Herr über mehr als 5.000 Mitarbeiter, legt auch Wert auf die Kommunikation nach außen und ist beispielsweise auf auf LinkedIn aktiv und kann auf fast 4.500 Follower verweisen.
Sein Führungsstil
"Wir haben im Headoffice über 50 Nationen, fast die gesamte Kommunikation findet in Englisch statt. Es ist schwierig, im Deutschen zwischen Sie und Du zu wechseln. Darum habe ich mich entschlossen, mit allen per Du zu sein. Ich mache auch keine hierarchischen Unterschiede, das gilt genauso für die Raffineriearbeiter in Schwechat. Und wenn das jemandem komisch vorkommt, sagt er halt Sie zu mir - und ich dann umgekehrt auch."
Flache hierarchische Strukturen sind ihm ein Anliegen. "Es soll nicht in einem Organigramm festgelegt werden, wer mit wem wie reden darf. Ich möchte eine erfrischende, offene Unternehmenskultur, in der zum Beispiel schlechte Nachrichten genauso schnell nach oben transportiert werden wie gute Nachrichten. Nur so kann rasch reagiert werden."
Für Gangl ist die Resilienz seiner Mitarbeiter ein zentrales Thema. "Dank der Resilienz unserer Mitarbeiter sind wir in einer guten Position, um Krisen zu bewältigen."
Sein Tipp, um Karriere zu machen
"Entscheidend ist nicht, sich darauf zu fokussieren, wo man hin möchte, sondern im Hier und Jetzt einen guten Job zu machen", so der damalige OMV-Bereichsvorstand in einem Interview. "Nur so kann man sich für den nächsten beruflichen Schritt qualifizieren. Der Wunsch ein bestimmtes Ziel und auch Karrierelevel zu erreichen, solle dennoch auch da sein."
Seine Managementphilosophie
Worauf es dem Manager in schwierigen Zeiten ankommt
"Ein Zeichen von Exzellenz und Top-Performance ist die Fähigkeit, flexibel auf Marktrückgänge zu reagieren und damit zumindest sich im Vergleich zum Wettbewerb gut zu positionieren", so Gangl gegenüber dem Kunststoffmagazin. Es hält es für essenziell, "schnell zu reagieren, um den Sturm zu überstehen."
Er glaubt: "In einem schwierigen Markt baut man langfristige Beziehungen zu seinen Kunden auf, die nicht einfach durch Volumen aus den USA oder Asien ersetzt werden können."
Gangl agiert trotz hoher Gewinne derzeit auch in einem herausforderndem Umfeld: Die Preise für Gas und Energie sind auf Rekordniveau. Zudem setzen der Branche hohe Marktschwankungen und Überkapazitäten bei. "Wir sind wie die ganze Industrie in Europa stark unter Druck und müssen die Kosten in unseren Kerngeschäften strikt managen", so ein Statement des Managers im Februar 2023 gegenüber dem Kunststoff-Magazin. Doch solchen Herausforderung stellt er sich fast mit einer gewissen Lust.
In Zeiten, in denen der Druck hoch ist, wird deutlich, wer die Transformation wirklich umsetzen kann. Es entstehen Möglichkeiten, die in 'ruhigen Zeiten' nicht vorhanden sind. Ich halte es mit Ayrton Senna: "bei schönem Wetter kann ich keine 15 Autos überholen, bei Regen schon."
Borealis belegt den zweiten Platz als Österreichs führendes internationales Unternehmen. Maßstab für den dieser Bewertung zugrundeliegenden Maßstab für den Austrian Leading Companies Award sind die Bilanzzahlen der letzten drei Geschäftsjahre anhand eines Kennzeichenmodells. Ein Großteil der Lorbeeren gebühren damit bereits Gangl.
Über strategisches Vorgehen bei neuen Vorhaben
"Zuerst muss die Technologie entwickelt werden, dann müssen die Pläne für das Wachstum erstellt werden und dann die nötigen Akquisitionen getätigt werden", so Gangl. Ein Beispiel dafür, dass er diese Strategie auch umsetzt, zeigt er im Jahr 2022. So wurden die ersten Polypropylentypen des Unternehmens auf Basis einer neuen Technologie vorgestellt, die die Leistungsfähigkeit von Polypropylen verbessern und die Recyclingfähigkeit und Effizienz erhöhen soll. Nebenbei hat er sich um einen Übernahmekandidaten in diesem Segment umgesehen und schließlich im selben Jahr die Akquisition getätigt. So hat Borealis seine Beteiligung am belgischen Recycler Renasci auf 51 Prozent aufgestockt.
Sein soziales Engagement
Der Manager, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt und nun zu den Top-Verdienern Österreichs zählt, hat zwischenmenschliche Werte nicht aus den Augen verloren. Einen Teil seiner Gage gibt der Borealis-Boss für soziale Zwecke wie die Kindernothilfe aus. "Es erdet, wenn man sich dort engagiert, wo die Umstände schwierig sind. Darum bin ich in der Kindernothilfe aktiv und im Vorstand von Schloss Klaus, einem überkonfessionellen christlichen Freizeitzentrum mit zwei Behinderteneinrichtungen und einer Reihe von Projekten, wo tolle Arbeit geleistet wird. Gangl: "Mir sind christliche Werte und der Glaube sehr wichtig, was sich auch in solchen Engagements ausdrückt."
Take Aways
Borealis Vorstand Thomas Gangl: Sein Führungsstil
Gangl ist, mit allen per Du zu sein und legt Wert darauf, keine hierarchischen Unterschiede zu machen.
Es soll nicht in einem Organigramm festgelegt werden, wer mit wem wie reden darf. Ich möchte eine erfrischende, offene Unternehmenskultur.
Seine Managementphilosophie
Ein Zeichen von Exzellenz ist für Gangl die Fähigkeit, flexibel auf Marktrückgänge zu reagieren.
"In einem schwierigen Markt baut man langfristige Beziehungen zu seinen Kunden auf, die nicht einfach durch Volumen aus den USA oder Asien ersetzt werden können."
Er glaubt: "In schwierigen Zeiten entstehen Möglichkeiten, die in ruhigen Zeiten nicht vorhanden sind." Und meint: "Ich halte es mit Ayrton Senna: bei schönem Wetter kann ich keine 15 Autos überholen, bei Regen schon."
Sein soziales Engagement
Einen Teil seiner Gage gibt der Borealis-Boss für soziale Zwecke wie die Kindernothilfe und Schloss Klaus, einem überkonfessionellen christlichen Freizeitzentrum, aus.