Wenn sich der Kabarettist Ulrich Salamun, einer der drei Edelblödler der Wiener Wuchteldrucker-Truppe maschek, auf seine Latifundien, also auf die 40 Hektar große Kaffeegarten-Finca "Los Alpes" im Hochland von Nicaragua begibt, dann gleicht das einer kleinen Expedition. "Der Weg ist schmal und geht steil bergauf, die Hufe der Mulis hinterlassen tiefe Löcher im Boden, es nieselt", schildert der Reisebericht eines Begleiters den beschwerlichen Weg. "Plötzlich durchdringt lautes Gebell die Stille, Brüllaffen verteidigen ihr Revier. Zwischen den Baumriesen blitzen die Blechdächer des Urwaldbergdorfes Macando, das Zentrum der Finca, silbern hervor. Stolz geht Salamun zur Baumschule, wo starke Jungpflanzen in vollem 'vigor', im Saft, stehen. Es ist angenehm kühl."
Willkommen im Reich von Österreichs ungewöhnlichstem Kaffeeproduzenten, mitten im Nationalpark Kilambé in der Provinz Jinotega. Hier, auf 1.300 bis 1.750 Meter Seehöhe, zwischen Lianen, Wildbächen und Dschungelvieh, betreibt Salamun seit etwa zehn Jahren einen inzwischen recht erfolgreichen biologischen "Schattenanbau" von Kaffee, geerntet aus der artenreichen Familie der Arabica-Bohne, insbesondere von seinen liebe-und mühevoll kultivierten Leitsorten Bourbon, Catimor, Caturra, Pacamara oder Roter Catuaí.
Das Resultat heißt "Grandoro -Finest Nicaraguan Coffee", eine in Salamuns gleichnamiger Rösterei in Breitenbrunn am Neusiedler See veredelte Cuvée-Mischung. Kaffeeliebhaber berichten begeistert von der "leichten, fruchtigen Zitrusnote und dem vollmundigen, schokoladigen Körper" des Grandoro - ein Wortspiel mit dem spanischen "Grana del Oro", zu deutsch Goldkorn.
Nun ist dem in Köln geborenen gelernten Juristen Salamun, 46, auf seinem Weg zum Kaffeebaron ein entscheidender Durchbruch gelungen. Ab Oktober 2017 wird sein Grandoro unter dem Markennamen "Caffé Dolcevita" auch in allen 128 Filialen der Merkur-Handelskette österreichweit erhältlich sein - ein bekömmlicher Spezialmix aus den Sorten Bourbon, Catimor und Caturra, der bereits bei "Wein &Co" kredenzt wird. Stolzer Preis: 9,99 Euro für ein halbes Kilo, 5,99 Euro für 250 Gramm.
Bereits seit Mai dieses Jahres vertreibt Salamun eine weitere Grandoro-Sorte - den "Nationalpark-Kaffee Kilambé" - über die 27 Outlets der Biosupermarktkette denn's. Dort muss man für 500 Gramm gleich 11,49 Euro springen lassen, für ein Viertelkilo 7,49 Euro. Wer will, kann Mister Beans Bohnen ebenso in ein paar hippen Beiseln wie etwa dem Wiener "Jonas Reindl" oder bald auch im Hipster-Chillout "Süssmund" genießen. Oder über ausgesuchte Fachhändler wie "Wheel" und natürlich online via cafegrandoro.com beziehen.
"Derzeit verkaufen wir von diesen Eigenmarken jährlich etwa 20 Tonnen um durchschnittlich 20 Euro pro Kilo und kommen so auf einen Umsatz von etwa 400.000 Euro", sagt Salamun. "Wir hoffen, dass unser Kaffeeabsatz durch das Merkur-Listing deutlich zunimmt. Immerhin haben unsere bestehenden Anbauflächen ein Potenzial von gut 200 Tonnen pro Jahr. Und wir stehen immer noch erst am Anfang."
Third Wave of Coffee
Auf die Bohne gekommen ist Salamun ähnlich wie oft als Kabarettist auf einen Gag -zufällig. Kurz nach der Befriedung Nicaraguas, zum Jahreswechsel 2001/2002 traf er bei einem Trip durch das zentralamerikanische Land auf Dieter Stadler, den Leiter des von der Schauspielerlegende Dietmar Schönherr gegründeten Kulturhauses "Casa de los Tres Mundos". Der überredete ihn, das freie Radio Volcan aufzubauen - einen Sender, der dank seines Knowhow-Transfers von Radio Orange heute 250.000 Hörer erreicht. In der Folge lernte der "Kaffee-Aficionado" Salamun nicht nur das Land, sondern auch dessen Hauptexportprodukt -die Bohne - mehr und mehr lieben.
"Und dann kommst du drauf, dass die Leute dort einen der besten Kaffees anbauen", erzählt er, "aber selbst nur total mistigen Löskaffee trinken." Zwar hatte eine Landreform den Bauern beste Anbaubaugebiete beschert. Aber die Höhenlagen waren (und sind) kaum durch Verkehrswege erschlossen, die Ernte war eine elende Schufterei und die Abhängigkeit der Kaffee-Farmer von einem Oligopol aus drei Einkaufsgesellschaften enorm. Viele standen mit sündteuren Krediten für Düngemittelbezug in der Kreide, vom Großhandelspreis verblieben den Bauern maximal 20 Prozent.
Sei es aus sozialem Gewissen heraus, sei es durch sein Gespür fürs Geschäft - jedenfalls beschloss Salamun, "alle zu eliminieren, die in dieser Kaffee-Wertschöpfungskette kaum eine Leistung erbringen". Und zwar durch die Gründung seiner Exportfirma Biosfair im Jahr 2007. Mit diesem Vehikel wollte er den lokalen Kaffeebauern einerseits den biologischen Anbau näherbringen, anderseits auf das immer stärkere "Speciality Coffee Movement" aufspringen, das sich über Europa ausbreitet.
Die Zauberformel dabei heißt "Third Wave of Coffee" - eine Bewegung, die besonders auf Direktimport von biologischen Anbauflächen und ein ausgeprägtes Ursprungsbewusstsein der Produzenten Wert legt. Und auf deren faire Entlohnung. "Heute kann ich sagen", so Salamun stolz, "dass die Bauern, die ihren Rohkaffee an Biosfair liefern, 70 bis 80 Prozent des Einkaufspreises der Röstereien erhalten."
Vorbild Weinbau
Dahinter steckt ein durchaus ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Zwar hatte Salamun in Österreich schnell einige Abnehmer von Rohkaffee aus Nicaragua gefunden -etwa den Fair-Trade-Anbieter Sonnentor oder das bekannte Grazer Kaffeelokal "Tribeka", aber die dortigen Bauern wollten ihm "aus Sturheit" sein Biokonzept anfangs nicht wirklich abkaufen.
Also steckte er sein Erspartes kurzerhand in eine eigene 40-Hektar-Plantage, taufte diesen Kafffeegarten auf "Los Alpes" und machte sich mit der Hilfe des ehemaligen Exportchefs des Schokoladen-Königs Josef Zotter daran, diese zu einer "ModellFinca" für biologischen Kaffeeanbau zu entwickeln. In der Praxis heißt das: komplett neue Baumschulen, keine Pestizide, Unkraut jäten mit der Machete oder Höhenschichten gegen Erosionen per Hand ebnen. "Alles keine Raketenwissenschaft", so Salamun. "Jedenfalls sind die Nachbarbauern schnell neugierig geworden. Ich habe sie ja regelrecht zur Betriebsspionage eingeladen."
So sind aus der Jungfernernte 2011 die "ersten paar Säcke" Grandoro entstanden. Die rohen Bohnen ließ er durch eine ins Hochland geschleppte Röstmaschine laufen und kredenzte das köstliche Gebräu dann seinen Kaffeebauer-Kollegen. "Viele dieser Leute haben das erste Mal das Ursprungsprodukt getrunken, wie ein Winzer, der vorher nie seinen eigenen Wein gekostet hat", sagt er. "Für die Bauern hat sich plötzlich die ganze Wertschöpfungskette geschlossen."
Kurzum: Salamun konnte die örtlichen Bauern mehr und mehr von seinem Biokonzept überzeugen. Inzwischen liefern rund 350 lokale Fincas -von Kleinbauern mit nur 0,25 Hektar Anbaufläche bis zu Großproduzenten mit 30 und mehr Hektar -ihren nach dem Vorbild von "Los Alpes" kultivierten Rohkaffee an Biosfair. Das Unternehmen übernimmt dann die Lagerung und Trocknung in der dortigen Aufbereitungsanlage "Beneficio la Corneta" und schließlich den Export nach Europa.
Dank dieses Erfolges konnte sich Salamun, der seit zwei Jahren auch als österreichischer Honorarkonsul in Nicaragua fungiert, bereits zwei weitere Fincas zulegen. Heute erntet er auf einer Anbaufläche von rund 70 Hektar jährlich an die 80 Tonnen Kaffee aus Eigenproduktion. Ein Viertel davon wird in seiner Rösterei in Breitenbrunn, die er vom befreundeten Topwinzer Gernot Heinrich angemietet hat, zu Grandoro veredelt. Die vertikale Integration vom Kaffeebauern zum Kaffeeproduzenten hat Salamun übrigens ebenfalls dem Spitzenweinbauern aus Gols zu verdanken, der ein ähnliches Ursprungskonzept verfolgt.
Heinrich hatte Salamun kurz nach dessen erster Ernte im Dschungel besucht und erstaunt festgestellt: "Du machst zwar hervorragenden Rohstoff, aber keinen richtigen Kaffee. Das ist ja wie Kindesweglegung." Diesen Hinweis hat Mister Bean daraufhin ziemlich ernst genommen.
Die Geschichte ist im trend 37/2017 erschienen