Stephan Zöchling
©LUKAS ILGNERDer Investor und Unternehmer Stephan Zöchling wird am Montag aller Voraussicht nach in den Aufsichtsrat der Pierer Mobility AG gewählt. Bislang ist er durch umstrittene Deals und knallharte Aussagen aufgefallen.
Stephan Zöchling ist ein Unternehmer, wie er im Buche steht. Er ist letzte Woche 53 Jahre alt geworden, und doch bekleidet er laut Firmenbuch nicht weniger als 35 aktive Funktionen, darunter auch seine wichtigsten Tätigkeiten als Miteigentümer und Chef des Auspuffherstellers Remus und als Mitgesellschafter der Vorarlberger Erne Group. Außerdem ist der Vater von drei Töchtern Stifter von drei Privatstiftungen, und er besitzt etliche Beteiligungs- und Immobiliengesellschaften sowie einen Privatjet. Seine größten Engagements ist der gebürtige Wiener gemeinsam mit Strabag-Eigentümer Hans Peter Haselsteiner eingegangen: Remus, Erne und einen riesigen Logistikpark in Hirschstetten besitzen beide gemeinsam. Auch zum früheren Magna-Manager Sigi Wolf, für den er einst tätig war, pflegt Zöchling enge freundschaftliche Kontakte. So teilen sich die beiden Manager ein Büro in Wien.
Zu den zahlreichen Mandaten des studierten Betriebswirts und Historikers, der seine Karriere als Kongressmanager beim Reisebüro Mondial begann und später ins Investmentbanking wechselte, kommen demnächst einige weitere, besonders prominente dazu. Mit 1. Jänner ist er in den Vorstand der Pierer Industrie AG eingezogen, und in einer außerordentlichen Hauptversammlung soll er am 27. Jänner in den Aufsichtsrat des KTM-Mutterkonzerns Pierer Mobility AG gewählt werden. Dort soll er seine Expertise in der Sanierung von Firmen aus dem Automotivsektor einbringen. Aufsichtsratschef Josef Blazicek wird sein Mandat zurücklegen. Stefan Pierer, seit der Pleite 1991 die Galionsfigur bei KTM, wird sich schrittweise zurückziehen.
Vier Tage vor seinem Einzug in das Kontrolllgremium der KTM-Mutter ist ein Brief Zöchlings an die Gläubigerbanken des Motorradherstellers durchgesickert. In dem von der „Presse" zitierten Schreiben setzt er die Institute u.a. mit dem Argument unter Druck, gemeinsam mit dem indischen Pierer-Mobility-Miteigentümer Bajaj „einen Betrag von 600 Millionen Euro für die Finanzierung der Pierer Mobility/KTM zur Verfügung zu stellen“ – alledings nur, „wenn die Eigenverwaltung bei der KTM und den (insolventen) Tochtergesellschaften aufrechtbleibt“. Zöchling will sich also das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen – obwohl er es formell noch gar nicht in der Hand hat.
Neustart in Politik und Wirtschaft
Zöchling ist beliebter Gast in Puls4-Diskussionssendungen wie „Wild umstritten“. Dabei gibt er stets den streitbaren und polternden Kapitalisten, der sich von der Politik nicht die Butter vom Brot nehmen lassen will und sich vehement gegen staatlichen Einfluss in der Wirtschaft ausspricht. Auch vor gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Betriebsräten und der Arbeiterkammer wie aktuell bei Remus scheut der Investor nicht zurück.
Vor der Nationaratswahl am 29. September zeigte sich der Unternehmer jedoch plötzlich von einer ganz anderen, moderaten Seite. Er hob die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker aus der Taufe , die sich gegen Neid, Hass, Wut, Frust, Zorn und Angst bei der Stimmabgabe wenden sollte. „Die Menschen sollen sich bei der Wahl nicht von negativen Gefühlen leiten lassen. Die Stärkung der extremen Ränder schwächt nur unser Land“, so Zöchling damals. Das Wahlergebnis bezeichnete er auf trend.at dann als die „größtmögliche aller Katastrophen“.
Gut möglich, dass er das Platzen der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos deshalb nicht negativ beurteilt – je nachdem, was die Alternative zur Dreierkoalition ist. Bei den Firmen von Stefan Pierer braucht er nicht nur die Gunst der Märkte, sondern auch Unterstützung durch eine möglichst wirtschaftsfreundliche Standortpolitik.
Die Geschäfte des „waschechten Wieners“ liefen in letzter Zeit gut. Remus, das zuletzt mit 1.000 Beschäftigten rund 237 Millionen Euro umsetzte, hat kürzlich die italienische GLM Gruppe zugekauft. „Wir wachsen bei Remus sehr ordentlich. Gott sei Dank hat die deutsche Automobilindustrie erkannt, dass der Markt die Elektromobilität nicht annimmt, und einen Salto rückwärts zum Verbrennermotor gemacht“, ist Zöchling für sein Auspuffgeschäft zuversichtlich. Speziell das Betriebsergebnis konnte 2023 laut Firmenbuch deutlich gesteigert werden: von 4,7 auf 10,3 Millionen Euro.
Überhaupt, so der Ex-Investmentbanker, tue sich „in den Branchen, in denen wir tätig sind, sehr viel. Es sind Konsolidierungsbranchen.“ Sein Resümee: „Langweilig wird uns nicht.“
Spektakuläre Deals
Auch abseits seiner großen Beteiligungen wird dem Investor nicht fad. Letztes Jahr machte er mit zwei besonders spektakulären Deals von sich reden: mit dem Kauf des Restvermögens der in Wien ansässigen Sberbank Europe und dem Versuch, die Anteile des Oligarchen Oleg Deripaska an der Strabag auf die RBI zu übertragen. Zöchling war Architekt der Transaktion, die aber letztlich am politischen Widerstand scheiterte. Beide Deals wurden von der Öffentlichkeit mehr als kritisch beäugt. Warum ausgerechnet Zöchling beim Kauf der russischen Sberbank zum Zug kam, konnte niemand so recht verstehen. Damals flossen rund 240 Millionen Euro für Cash-Bestände im Umfang von 350 Millionen Euro.
Die steirische Immo-Gruppe Supernova, ein Konkurrent beim Kaufprozess, erstattete sogar bei der WKStA Anzeige, weil sie vermutete, dass bei der Genehmigung durch den Nachrichtendienst DSN nicht alles mit rechten Dingen zuging. Und wie erklärt Zöchling, dass er und nicht ein anderer der sechs weiteren Bieter zum Zug kam? „Ich weiß nicht, was die anderen geboten haben, aber es ist kein Geheimnis, dass ich nach sieben Jahren in Russland mit den handelnden Personen in Moskau gut bekannt war und dass sie gewusst haben, wem sie es verkaufen.“ Tatsächlich war der Wiener ab 2014 in Deripaskas Infrastrukturgesellschaft Transstroy mit 15.000 Mitarbeitern als Vorstand tätig. Auch heute noch verfügt er so wie Sigi Wolf, der auch Aufsichtsratspräsident der Sberbank Europe war, über gute Kontakte nach Russland.
Die Anzeige von Supernova sieht der Investor gelassen: „Ich habe sie zur Kenntnis genommen, habe aber von der WKStA bislang nichts gehört. Die Supernova hat sich als nicht ganz fairer Verlierer erwiesen.“ Mutmaßungen, dass Zöchling bei dem Deal als Strohmann für die RBI fungierte, verneint dieser: „Die RBI war nur als Abwicklungsbank dabei.“
Allerdings scheinen Zöchlings Bande zu Raiffeisen tatsächlich sehr eng zu sein. So sitzt er etwa auch im Beirat der Raiffeisen-nahen Concordia Sozialprojekte gemeinsam mit Ex-Raiffeisen-General Christian Konrad oder Ex-Vizekanzler Josef Pröll. Zöchlings Nähe zu Raiffeisen lässt so manchen Kritiker auf Social Media daran zweifeln, ob dessen Engagement bei #Zusammenstaerker wirklich der Zivilgesellschaft dient und nicht eher der ÖVP bzw. der Raiffeisen-Gruppe.
Auch bei dem im heurigen Frühjahr letztlich gescheiterten Deal zwischen Oleg Deripaska einerseits und der RBI andererseits, bei dem Zöchling als Mittelsmann die Fäden zog, hätte der Unternehmer Raiffeisen sehr dienlich sein können. Er hätte dafür gesorgt, dass die RBI ihr sanktioniertes Geld aus Russland herausbekäme und der sanktionierte Oligarch Deripaska gleichzeitig seine eingefrorenen Strabag-Anteile zu Geld machen könne. Eigentlich ein genialer Deal, von Zöchling ersonnen, der aber letztlich am Widerstand der USA scheiterte. Er kann das nicht nachvollziehen: „Einerseits drängt man die RBI dazu, aus Russland rauszugehen. Dann findet die Bank eine Möglichkeit, das zu tun, und dann untersagt die Behörde, die drängt, das Land zu verlassen, diesen Deal. Obwohl die Transaktion rechtlich einwandfrei war. Da kann man sich nur wundern.“
Natürlich wäre Zöchling dabei auch nicht leer ausgegangen. Wie viel genau er dabei bekommen hätte, will er aber nicht verraten, nur so viel: „Ich hätte ein bisschen was verdient. Aber der Deal wäre für alle Beteiligten sehr charmant.“
Der Artikel ist eine aktualisierte Version des Zöchling-Porträts aus der trend. PREMIUM Ausgabe vom 6. September 2024
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