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Auf ins Parlament!

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Die Chancen, dass Frauen im nächsten Nationalrat sichtbarer sein werden, stehen gut. Doch wie viele von ihnen können praktische Wirtschaft?

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Praktisch alle etablierten Parteien haben bei der Erstellung ihrer Listen das Ziel verfolgt, auf wählbaren Rängen rund die Hälfte der Kandidatenplätze für Frauen zu reservieren. Selbst die FPÖ, aktuell mit einem Frauenanteil von 13 Prozent in ihrem Nationalratsklub Schlusslicht, hat die ersten 30 Plätze ihrer Bundesliste nach dem Reißverschlussprinzip besetzt. Auch wenn die endgültige Zusammensetzung stark von Landes- und Regionalwahl-ergebnissen beeinflusst wird: Es kann fix damit gerechnet werden, dass der derzeitige Frauenanteil im Parlament in Höhe von 41 Prozent in der nächsten Legislaturperiode noch einmal steigen wird.

Während in der FPÖ, die derzeit in den Umfragen führt, Vertreterinnen von freien Berufen wie Rechtsanwältinnen und Apothekerinnen dominieren, hat die ÖVP die höchste Dichte an Kandidatinnen mit mehrjähriger Erfahrung in der Privatwirtschaft oder mit unternehmerischem Background. In der SPÖ sucht man derlei mit der Lupe, es gibt eine Unternehmensberaterin auf Rang 44. Bei Grünen und Neos, tendenziell urbane Parteien mit hohem Akademikerinnenanteil, ist der Anteil der Wirtschaftspraktikerinnen durchaus noch ausbaufähig.

Nicht jede Frau im künftigen Parlament ist auch eine künftige Frauenpolitikerin. Dennoch bringt praktisch jede Kandidatin eigene Erfahrungen aus Berufsbereichen mit, in denen häufig Männer dominant waren oder sind – und zieht daraus ihre eigenen Schlüsse. Alle vom trend porträtierten Frauen sind etwa klar für einen Ausbau der Kinderbetreuungsangebote, um Frauen für berufliche Entfaltung überhaupt erst einmal freizuspielen.

Wie sie selbst mit ihrem Beruf umgehen werden, sollten sie den Einzug in den Nationalrat schaffen, ist bei den Meisten noch unklar. Neos-Kandidatin Ines Holzegger will erst einmal den Wahlabend abwarten, bevor sie darüber entscheidet, ob sie ihren Job als IT-Fachkraft reduzieren will oder muss. Eva Maria Kroismayr-Baier von der FPÖ hat ihre Kessler-Alm in Schladming vor einem Jahr verpachtet und startet eben in eine neue unternehmerische Tätigkeit, die sich mit den Anforderungen an eine Nationalrätin in Einklang bringen lassen sollte. ÖVP-Unternehmerin Tanja Stöckl, nebenher auch Obfrau der Wirtschaftskammer-Regionalstelle Oberwart, hat schon einmal vorsorglich die Öffnungszeiten reduziert und hofft, ihre 70-Stunden-Präsenz mit digitalen Mitteln reduzieren zu können. Doch ein Entweder-oder wird es für sie nicht geben, sagt sie. „Mein unternehmerisches Engagement wird bleiben, es ist die Verbindung zu den Menschen.“

Frauen auf den Wahllisten

Frauenanteil* in %

Altersbandbreite

Durchschnittsalter

Kandidatinnen mit mehr als drei Jahren Erfahrung in der Privatwirtschaft/Selbstständigkeit **

Akademikerinnenanteil*** in %

ÖVP

50

22-70

40

10

36

SPÖ

50

21-78

45

1

52

FPÖ

34

30-60

47

4

47

Grüne

55

39-64

45

3

100

Neos

45

26-51

41

3

78

Basis: Bundeswahlvorschläge. ÖVP, SPÖ, FPÖ: Ränge 1–50. Grüne, Neos: Ränge 1–20. * Ausgenommen freie Berufe. *** Inklusive Bachelor-Abschlüsse. Quellen: BMI, LinkedIn, meineabgeordneten.at

Tanja Stöckl, 50, Rang 30 der ÖVP-Bundeswahlliste

70-Stunden-Wochen in ihrer Tankstelle in Mariasdorf bei Oberwart sind normal, dennoch will Tanja Stöckl nun für die ÖVP in den Nationalrat. Sie ist Listenerste im Burgenland. „Starke Frauen mit Bodenhaftung“ brauche es im Parlament, meint die Unternehmerin, die ihr Ohr immer nah an der Kundschaft hat – und deshalb ziemlich genau über Stimmungen und Meinungen Bescheid weiß. Seit ihre Kandidatur bekannt ist, muss sie ihren Kunden, die über die gestiegene Inflation und darüber, dass es „noch nie eine so schlechte Regierung gegeben hat“, lamentieren, immer öfter mit Fachwissen kontern. Von den Kickl-Jüngerinnen und -Jüngern erhält sie auf ihrer Facebook-Seite erheblichen Gegenwind. Zum Rollenbilder-Backlash der letzten Jahre findet sie deutlichere Worte als ihre Partei: „Viele Frauen sehnen sich wieder nach Biedermeier und einem sicheren Hafen, sie ziehen sich aufs Kochen und Backen zurück“, registriert sie entgeistert. „Die Fortschritte der letzten 30 Jahre schmelzen dahin.“ Bei aller Sympathie für Wahlfreiheit plädiert sie in jedem Fall für Vollzeitberufstätigkeit von Frauen als Leitbild. All jene, die jetzt vom Nicht- oder Wenigerarbeiten reden, müssten sich einmal vor Augen führen, „was mit ihnen in der Pension ist“.

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Tanja Stöckl

 © Tanja Stöckl

Eva Maria Kroismayr-Baier, 43, Rang 24 der FPÖ-Bundeswahlliste

Ihre Mutter hat jahrzehntelang die Kessler-Alm geführt, Skihütte, Restaurant und Bar auf der Schladminger Planai. Eva Maria Kroismayr-Baier hat übernommen und das Lokal zehn Jahre weiterbetrieben – ehe sie es vor einem Jahr verpachtet hat. Sie ist  FPÖ-Stadtparteiobfrau von Schladming und  Mitglied im Bundesvorstand der Freiheitlichen Wirtschaft. Frauenpolitisch ist ihr „Wahlfreiheit“ wichtig, dazu gehören in jedem Fall umfassende Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen.  Ihr Hauptanliegen ist, Bürokratie und Deregulierung zu bekämpfen und eine Stimme für die Klein-und Mittelbetriebe zu sein, „die meistens vergessen werden“. Also eine Art Sepp Schellhorn der FPÖ? Mit dem streitbaren Salzburger Gastronomen und Mittelstandsfighter, Kandidat der Neos, will Kroismayr-Baier keinesfalls in Verbindung gebracht werden.

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Eva Maria Kroismayr-Baier

 © beigestellt

Ines Holzegger, 31, Rang 14 der Neos-Bundeswahlliste

Die Wienerin weiß aufgrund ihrer beruflichen Praxis auf jeden Fall schon, was sie in den Nationalrat einbringen will, sollte sie den Einzug schaffen: Digitalisierungs-Know-how. Die ausgebildete Geschichte- und Englischlehrerin ist seit zwei Jahren Leiterin des Produkt- und Innovationsbereichs bei A-Trust, einem privaten Sicherheitsspezialisten für den digitalen Raum, und sie hat sich schon jetzt jede Menge Gedanken dazu gemacht, wie Produkte – etwa die Rot-Weiß-Rot-Card – benutzerfreundlicher werden könnten und wie generell den Bürgerinnen und Bürgern digitale Angebote „verständlicher zu machen“ sind, wie sie erklärt. „Man muss den Menschen die Angst vor den digitalen Tools nehmen“, so Holzegger, deren Masterstudium in Estland ihr die Augen dafür geöffnet hat, wie es geht. Schafft sie für die Neos den Einzug ins Parlament, will sie sich die ausgebildete Geschichte- und Englischlehrerin für eine bessere Repräsentation von Frauen in der IT einsetzen.

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Ines Holzegger

 © beigestellt

Nina Tomaselli, 39, Rang 7 der Grünen-Bundeswahlliste

Die studierte Volkswirtin ist „mit Wirtschaft aufgewachsen“, sagt sie, der Hausverstand sei im Wirtschaftsalltag unersetzbar: „Es gibt nicht für alles und jedes eine Studie.“ Viel Praktisches hat sie im elterlichen Tischlerbetrieb ebenso erfahren wie als Vertriebscontrollerin bei einem internationalen Konzern – in diesem Job leuchtete ihr erstmals ein, warum aufgrund der Just-in-Time-Produktion so viele Lkw herumfahren. Ob sie es auch müssen, ist politisch zu steuern. Dem Faible fürs Controlling ist Tomaselli treu geblieben, und wenn sie heute einmal kurz vor Mitternacht noch etwas recherchieren und auswerten will, öffnet sie eben schnell eine Excel-Datei. Wenn man sich an die Bilanzen von René Benkos intransparentem Signa-Konzern herantastet, ist es obendrein von Vorteil, schon einmal mit Konzernabschlüssen befasst gewesen zu sein, sagt sie. Im Nationalrat will sie sich weiterhin als Bautensprecherin einbringen und bei den Finanzen am Kurs des Besteuerns klimaschädlicher Aktivitäten – Stichwort CO2 -Steuer – festhalten.

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 © APA/GEORG HOCHMUTH

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