Burgenland Energie will das Ökostromfördergesetz EAG aus 2021 nutzen, wonach sich eigentlich branchenfremde Betreiber kleiner erneuerbarer Stromerzeugungsanlagen, z.B. PV-Anlagen, zu Mini-Teilzeit-Energieversorgern zusammenschließen können.
©iStockphoto.com/kamisoka„Fanclub Burgenland Energieunabhängig": Eine Marketingaktion von Burgenland Energie beunruhigt die Strombranche und ruft Stromregulator E-Control sowie die Wettbewerbsbehörde auf den Plan.
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Als Alternative zum herkömmlichen Strommarkt sind Energiegemeinschaften (EG) Lieblingsprojekte von Noch-Klimaministerin Lenore Gewessler. Jetzt freilich hat der Plan des gestandenen Landesenergieversorgers Energie Burgenland, unter dem Namen „Fanclub Burgenland Energieunabhängig" selbst so ein Modell für seine Kunden ins Leben zu rufen, doch einige Aufregung verursacht. Man werde sich das genauer anschauen, lässt die Bundeswettbewerbsbehörde BWB bereits ausrichten, die ohnehin gerade eine Branchenuntersuchung des Energiemarktes durchführt: „Für eine Bewertung etwaiger Wettbewerbsprobleme ist es noch zu früh. Doch wenn es Beschwerden gibt, werden diese prioritär behandelt“.
Wo ist das Problem? Eigentlich war das den EGs zugrundeliegende Ökostromfördergesetz EAG aus 2021 dazu gedacht, dass sich branchenfremde Betreiber kleiner erneuerbarer Stromerzeugungsanlagen (vorwiegend Photovoltaik auf Hausdächern, Gemeindeeinrichtungen, Gewerbebetrieben) zu Mini-Teilzeit-Energieversorgern zusammenschließen können. Für E-Control und Wettbewerbsbehörden stellt sich daher die grundsätzliche Frage, ob ein Landesenergieversorger so ein Projekt überhaupt ins Leben rufen kann, gilt doch für sie ein gesetzliches Verbot eines bestimmenden Einflusses.
„Transparenzproblem"
Doch die Vorgabe ist schwammig. Während sich Burgenland Energie nur als (erlaubter) externer Dienstleister eines Trägervereins der EG versteht, verweisen Kritiker darauf, dass der Stromriese doch selbst den Kraftwerkseinsatz bestimme, offenbar auch die Preise, und über nahestehenden Personen und Beteiligungen (etwa Energieberatung Burgenland) direkt in dem EG-Trägerverein vertreten sei. Leo Lehr, Abteilungsleiter der Regulierungsbehörde E-Control auf X (Twitter): „Die genauen Verträge mit der Burgenland Energie bleiben geheim, das ist ein Transparenzproblem. Anlagen könnten aus der EG genommen werden, das relativiert das Preisversprechen. Eigentlich umgeht man den Gedanken einer EG.“
Nur zum Größenvergleich des burgenländischen Experiments: In ganz Österreich haben bisher erst rund 20.000 Konsumenten Verträge mit einer Energiegemeinschaft abgeschlossen (bei insgesamt rund 6,6 Millionen Stromanschlüssen). Wenn sich die Erwartungen von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erfüllen, der als Zielgröße keck alle Einwohner seines Bundeslandes angibt, könnte er bei rund 120.000 Privathaushalten die Zahl versechs- oder versiebenfachen.
Innerhalb der Strombranche wiederum sind Energiegemeinschaften als echte Cherry Picker verschrieen, da sie die Versorgung nur dann leisten, wenn zufällig genug Strom von den eingebundenen Kraftwerken kommt. Zusätzlich gibt es für sie eine Reihe von exklusiven Förderungen, in lokaler Ausführung wird etwa ein Teil der (immer teureren) Netzgebühren erlassen. Größere überregionale EGs sind von sonst obligaten Pflichten zur teuren Beschaffung von Ausgleichsenergie befreit, wenn Sonne oder Wind mal auslassen. Jeder Teilnehmer einer EG - auch beim "Fanclub Burgenland" – muss daher zur Sicherheit einen echten Zweitlieferant haben. Dieser muss sich dann mit höherem Aufwand und Gesamtkosten herumschlagen.
Verwunderung beim Mitbewerber
Mitbewerber am Markt für Energiegemeinschaften wiederum sind über die verkündeten Konditionen verwundert: Strom zu zehn Cent/kWh, ein Diskontladetarif für Elektroautos, stabile sieben Cent fürs Einspeisen, alles auf 20 Jahre garantiert, jederzeit kündbar. Schließlich, so assistierte Burgenland Energie-CEO Stephan Sharma höchstpersönlich, wolle man die Benefits aus den 20-jährigen Förderungen für Ökostrom an die Bürger weitergeben (siehe auch Interview unten).
Eva Barbier, Sprecherin von Neoom, der bisher größten Plattform für EGs aus Oberösterreich: „Mit diesen Angeboten können wir nicht mithalten.“ Sie muss ihre Preise vierteljährlich anpassen und Teilnehmern zur Absicherung des Modells sogar (gedeckelte) Nachschussverpflichtungen auflegen. Energiegemeinschaft-Experte Dominik Kurzmann von RKPartners (energierecht.at) wiederum macht die Garantie von 20 Jahren stutzig: „Das ist betriebswirtschaftlich nicht argumentierbar. Aber da wird das Marketing noch mit der Realität konfrontiert werden.“
Auch Sharmas Argument, die aktuell 20-jährigen Ökostromförderungen weitergeben zu wollen, sehen Juristen durchaus kritisch. Laut Elektrizitätsorganisationsgesetz Elwog, §16b, Abs. 5. darf just der Strom, der von den Teilnehmern der Energiegemeinschaft selbst verbraucht wird, keine Subventionen aus dem aktuellen Förderegime (Marktprämie) beziehen. Daher können diesbezüglich auch schwer Förderungen weitergegeben werden.
Die garantierten zehn Cent sind letztlich nur dann ein guter Preis für die Stromkunden, wenn man mit dem neuen Strommarkt nicht viel zu tun haben will - und das Kleingedruckte in den Verträgen nicht liest. Zum einen weil noch zusätzliche Verwaltungsgebühren dazukommen, moniert E-Control-Experte Lehr: „Klingt als Schlagzeile super - sieht man sich das Konzept näher an, bleibt vor allem ein Marketing-Schmäh“. Zum anderen, weil just dann, wenn der "Fanclub" seinen Teilnehmern den Strom zuteilt, liegen die Marktpreise immer öfter wegen eines Ökostromüberschusses bei oder gar unter Null Euro. Mit einem sogenannten dynamischen Stromtarif eines echten Versorgers ließe sich in diesen Phasen das Elektroauto gar gratis laden oder Warmwasser mit einer Wärmepumpe erhitzen. Experte Kurzmann: „Hinter dem Versuch steht wohl die Überlegung, wie man den Strom aus Windkraft langfristig vermarkten kann, wenn man keine Förderungen mehr dafür bekommt.“
Doch das Projekt könnte den Burgenländern letztlich auch noch ganz anderweitig Zores einbringen. Die komfortbewußten Stromkonsumenten, die an der EG teilnehmen, weil sie mit dem Strommarkt nichts zu tun haben wollen, keine Billigpreisphasen für Elektroauto brauchen und darauf vertrauen, dass der Wind ausreichend weht, die wären durchaus bereit, noch höhere Strompreise zu zahlen. Das ist nicht gewinnorientierten EGs wie dem "Fanclub" egal – nicht aber dem indirekt 49-Prozent-Teilhaber von Burgenland Energie, dem börsenotierten Konzern und NÖ-Landesversorger EVN. Dass dessen Hälfte-Tochter größere Kundengruppen derart aus der Gewinnrechnung herausnehmen will, könnte auch abseits von BWB und E-Control noch für Hochspannung sorgen.
„Revolution am Strommarkt"
Interview mit Burgenland Energie-Chef Stephan Sharma über den Aufreger der neuen Energiegemeinschaft.
trend: Welchen Vorteil erhoffen Sie sich von dieser BEG grundsätzlich? Sharma: In den letzten vier Jahren konnten wir die Energieinfrastruktur und -produkte grundlegend in Richtung Unabhängigkeit umbauen. Die BEG ist nur ein Instrument für eine Strommarkt-Revolution, weil damit jetzt jene profitieren können, die den Ausbau ermöglichen: Die Burgenländer. Dies erhöht die Akzeptanz, ist gerecht und schafft aktuell 60 Prozent Unabhängigkeit.
Experten sehen vor allem die langjährige Preisbindung kritisch. Was, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld gravierend ändert? Offensichtlich wird das energiewirtschaftliche System nicht verstanden. Jede Erzeugungsanlage wird auf Jahrzehnte mit stabilen Investitionskosten geplant. Damit können wir den Strompreis unabhängig vom wirtschaftlichen Umfeld auf die Laufzeit garantieren.
So eine BEG hat gesetzliche Vorteile. Kritiker aus der Branche monieren, dass damit die Belastungen eines Stromversorgers auf andere überwälzt wird. Im Unterschied zur „alten“ Energiewelt, in der die Kunden nur Strombezieher waren, wird in der „neuen“ Energiewelt der Strom demokratisiert. Genau das setzen wir aktiv um, indem wir unter den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen das Maximale für unsere Kunden im Sinne günstiger Preise herausholen, das ist unser einziges Motiv. Dass das nicht jedem in der Branche gefällt, kann sein, mir ist wichtig, dass das den Menschen gefällt.