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Politik Backstage: Bablers Doppelmühle

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SPÖ-Chef Andreas Babler bekommt auf den Weg zu möglichen Koalitionsverhandlungen parteiinterne Aufpasser.

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In der SPÖ hat der Traiskirchner Bürgermeister mit der Verteidigung des schlechtesten SPÖ-Ergebnisses aller Zeiten seine Haut zwar vorläufig gerettet. Die Partei hat ihm – angeführt von Michael Ludwig – aber nun vier Aufpasser verpasst. Seine beste Karte im Koalitionspoker heißt Karl Nehammer. Seine schlechteste trägt das Gesicht von Alfred Gusenbauer.

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In der SPÖ liefen schon in den letzten Tagen vor dem Wahlsonntag die Handy-Telefone heiß. Spitzenfunktionäre in den Bundesländern suchten bis zuletzt Verbündete. Sie einigt vor allem eines: Die SPÖ sei dabei, mit dem von Andreas Babler unbeirrbar propagierten „Linkskurs” mehr Wähler zu verschrecken als zusätzliche zu gewinnen. Die Tage nach der Wahl böten ob des absehbaren SPÖ-Ergebnisses die Chance für einen programmatischen und personellen Kurswechsel. Denn der historisch einmalige Verweis auf den dritten Platz für die jahrzehntelang auf das Kanzleramt abonnierte Sozialdemokratie sei für die SPÖ mehr als eine bloße Schmach. Das drohe zum point of no return zu Kanzler-Power zu werden.

Die vor allem in Tirol, Salzburg, Ober- und Niederösterreich mit lokal prominenten SPÖ-Funktionären gut verankerte Gruppe war auch längst dabei, sich mit Ex-Kanzler Christian Kern auf einen Gegenkandidaten zu einigen. Kern hat in der SPÖ nach wie vor sehr viele Anhänger – nach seinem abrupten Abgang und der handstreichartigen Installierung von Pamela Rendi-Wagner aber auch sehr viele Gegner. Vor allem bei Spitzen der Wiener SPÖ und der roten Gewerkschaften löst sein Name nach wie vor allergische Reaktionen aus. 

Kern selber, sagen Freunde und Kenner, schmeichle die Idee eines Comeback in der SPÖ. „Er hat beruflich alles erreicht, wieder einen guten Job und ist auf die Politik nicht angewiesen. Aber nach dem Abgang von Kurz wäre es ihm eine große Genugtuung, die Scharte in seinem Leben auszulöschen, wegen Kurz aus der Regierung geflogen zu sein.“

Kern ließ seine Fans freilich wissen: Für ihn kommt ein Comeback nur in Frage, wenn es einen breiten Ruf aus der Partei gibt.

Ludwigs Konter-Strategie „Babler einhegen“

Das Werben um möglichst viele Kern-Comeback-Fans blieb so auch dem Wiener Rathaus verborgen. Dort hegte der Wiener Parteichef Michael Ludwig schon seit Monaten andere Pläne. Der oberste Rathausmann setzte beim - von Hans Peter Doskozil losgetretenen - Machtkampf um die SPÖ-Spitze zwar bis zuletzt auf Pamela Rendi-Wagner. Als diese vor bald eineinhalb Jahren bei der Mitglieder-Befragung unterlag, tat Ludwig weiterhin alles, um Doskozil zu verhindern. Der mächtigste rote Oberrealo setzte auf den dritten Mann in diesem Powerplay: den seit Jahrzehnten am linken Rand der SPÖ karrieremäßig festsitzenden Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Verknüpft mit der in der Politik handelsüblichen Erwartung: Babler werde sich nach seiner erfolgreichen Kür zum Parteichef weiter auf seine neuen Verbündeten politisch abstützen. 

Ludwig & Co mussten rasch schmerzhaft lernen: Babler setzte auch im Werben um das breite Wählerspektrum der Sozialdemokraten in Stil und Inhalt weiterhin auf jene Klassenkampf-Rhetorik, mit der er in der engen SPÖ-Funktionärswelt Doskozil bezwungen hatte.

Warnung vor Weg in die linke „Sekte“

Die Verengung auf linke Ideologien – etwa nach Vorbild des in der Versenkung verschwundenen Labour-Chefs Jeremy Corbyn – galt in der SPÖ bis dahin als gefährlicher Irrweg in die politische Sackgasse. Öffentlich wurde das mit dem kurz vor dem Wahltag geleakten E-Mail von Doris Bures weithin sichtbar.

Die Ludwig-Vertraute, die dieser nach Bablers Parteichef-Kür als Aufpasserin in das Parteipräsidium – das wichtigste Gremium der Partei – geschickt hatte, hat darin mit Bablers SPÖ-Wahlprogramm abgerechnet. Es sei als „Kompendium vielfältigster, durchaus wohlklingender Forderungen“ nicht nur „unernst", sondern auch ein Alleingang Bablers, weil diesem „eine fundamentale demokratische Legitimation“ fehle.

Im kleinsten Kreis drückten sich Ludwig & Co. noch drastischer aus: Die SPÖ drohe mit Bablers Rhetorik und Kurs „zu einer Sekte“ zu werden.

Bures & ÖGB-Kapos als Babler-Aufpasser

Michael Ludwig, der bald nach dem Sturz des eingefleischten Rot-Allergikers Sebastian Kurz an einem Comeback der Kooperation von Rot und Schwarz zu basteln begann, sah diese Pläne gefährdet. Er wollte und will Babler freilich nicht mit dessen Sturz als Parteichef endlich Herr werden, sondern anders. Denn, so ein Ludwig-Intimus: „Babler hatte intern schon wissen lassen, er werde auch bei unter 20 Prozent nicht freiwillig gehen. Das würde wieder drei Monate internes Gemetzel bedeuten. Da bräuchten wir zu Koalitionsverhandlungen erst gar nicht anzutreten.“

Die Parole, die im Rathaus daher schon vor Wochen ausgegeben wurde: Wir müssen Andreas Babler nach der Wahl „einhegen“. Sprich: Dem Hero der roten Linksaußen-Truppe eine Gruppe von roten Realos an die Seite stellen, die den Schwarz-Türkisen nicht die Chance bieten, mit Hinweis auf irreale Forderungen und Wünsche vom schwarz-roten Koalitionszug abzuspringen.

„Niemand will Königsmörder spielen“

Mit dem Wahlabend war SPÖ-intern rasch klar: Die Babler-Sturztruppe muss ihre Pläne begraben. Mit dem Halten des desaströsen Wahlergebnisses von Rendi-Wagner hat Babler seine Haut innerparteilich gerettet. „Niemand will momentan den Königsmörder spielen”, resümiert ein SPÖ-Mandatar trocken. „Bei unter 20 Prozent wäre er auch für die Wiener nicht zu halten gewesen, aber dieses Ergebnis ist zum Sterben zuviel, aber auch zum Leben zu wenig”, so ein Länder-Roter.

Michael Ludwig klemmte sich schon vor Eintreffen der ersten offiziellen Hochrechnungen hinters Telefon. In einer für zehn Uhr abends am Wahlsonntag einberufenen Sitzung der Wiener SPÖ-Spitze wurden dann die Weichen für die Operation „Babler einhegen“ endgültig gestellt. Am Tag danach segneten SPÖ-Präsidium und Vorstand ein fünfköpfiges Verhandlungskomitee ab. Der linke Parteichef wird von vier roten Realos „eingehegt“: Babler-Kritikerin und Ludwig-Intima Doris Bures, SPÖ-Frauenchefin und Bures-Ziehkind Eva-Maria Holzleitner, Ex-Dosko-Promotor und nun fraktionsübergreifend integrativer SPÖ-Klubchef Philip Kucher sowie – last but not least – ein SPÖ-Spitzengewerkschafter. Die roten Gewerkschafter müssen noch entscheiden, ob sie den Chef der roten Gewerkschaftsfraktion und Babler-Kritiker Beppo Muchitsch oder ÖGB-Chef Wolfgang Katzian als Aufpasser entsenden.

Rot-Comeback in Bobostan, blaue Dominanz in SPÖ-Hochburgen von gestern

Andreas Babler startet derweil selbstbewusster denn je in die kommenden hürdenreichen Wochen. Die Bableristi fühlen sich vor allem durch die Ergebnisse in den Wiener Innenstadtbezirken in ihrem Kurs bestätigt, in denen vor fünf Jahren die Bobos noch Grün den Vorzug gaben und die jetzt wieder rot dominiert werden. Von grünen Kompromissen mit der ÖVP frustrierte Wähler hatten diesmal ihr Heil bei der SPÖ gesucht.

„Diese Rechnung stimmt nur, wenn Du nicht mehr als 21 Prozent haben willst“, merkt ein Rathaus-Genosse sarkastisch an. „Wenn man sich anschaut, wie die SPÖ in ehemaligen Hochburgen wie den ländlichen Industrieregionen Richtung Blau ausgeronnen ist, dann wiegen die gewonnenen Wähler in den kleineren Wiener Bezirken diesen Aderlass bei weitem nicht auf.“ Ein anderer sekundiert: „Nicht Wien-Neubau, das von grün auf rot umgedreht wurde, entscheidet die Wahl, sondern Wien-Floridsdorf, das nun blau statt rot ist.”

Harte Zahlen in den Wählerstrom-Analysen werden von anekdotischen Erzählungen ergänzt, mit denen Babler-skeptische SPÖ-Spitzenleute aufwarten: Noch nie hätten ihnen „so viele Stammwähler ins Gesicht gesagt, dass sie diesmal nicht SPÖ wählen können und daher zu Hause geblieben sind“.

Schwarz-Blau-Fans setzen auf Babler

Auch wenn die SPÖ am 29. September erstmals weit abgeschlagen auf Platz drei gelandet ist: Wie sich Babler & Co für die kommenden Wahlen aufstellen, wird prägend dafür sein, welche Regierung nach einem wochenlangen Poker tatsächlich zustande kommt. Die ÖVP kann als einzige Partei zwischen zwei Optionen wählen. Die nach wie vor starke Gruppe in der ÖVP, die Schwarz-Blau will, hält sich derzeit noch zurück und lauert darauf, dass Babler sein Blatt überreizt.

Selbst Kritiker sprechen dem SPÖ-Chef aus einem Grund freilich eine stärkere Verhandlungsposition zu als das karge Fünftel der Wählerstimmen auf den ersten Blick hergibt: Will Karl Nehammer Kanzler bleiben, dann braucht er dafür in jedem Fall die SPÖ. Ein langjähriger Babler-Kenner und roter Spitzenmann bleibt allerdings skeptisch: „Dass Babler als Person die Partei vertrauensvoll in eine Koalitionsregierung führen kann, das sehe ich nicht. Als Oppositionsführer wäre er die bessere Besetzung.”

Ein SPÖ-Spitzenmann sieht Andreas Babler so auch für die kommenden Wochen am Weg in eine Doppelmühle, der er schwer entrinnen kann: „Der Preis, den Alfred Gusenbauer für die Koalition mit der ÖVP zahlen musste, war ein Schnäppchen im Vergleich zu dem, was Babler in einer Koalition mit der ÖVP aufgeben müsste. Die Republik ist pleite, der Zeitgeist bleibt rechts. Hier mit der ÖVP und vielleicht auch noch Neos gemeinsam zu regieren und als SPÖ-Chef weiter das rote Vaterunser herunterzubeten, das wird sich nicht lange ausgehen.” 

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