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Schwarz-rotes Bangen um Babler [Politik Backstage]

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SPÖ-Parteichef Andreas Babler kann am Parteitag mit 80 Prozent Zustimmung und mehr rechnen, sein Kurs bleibt aber auch intern sehr umstritten.

©PICTUREDESK.COM/APA/HELMUT FOHRINGER,
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Warum just ÖVP-Wirtschaftskämmerer dem SPÖ-Parteitag am 11.11. hoffnungsvoll entgegenblicken, zugleich aber immer mehr rote Spitzenfunktionäre für die nächste Wahl bereits schwarz malen. Ihr Pessimismus macht sich in einem galligem Bonmot Luft: "ANDREAS BABLER, ein Juso im Körper eines 50-Jährigen."

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In der VP-Wirtschaftskammer haben Spitzenfunktionäre einen Tag im Kalender in ihren Hinterköpfen schon seit Wochen rot angestrichen: den 11.11.2023. Das Datum markiert nicht nur den Beginn des Faschings, im Burgenland den Namenstag des Landspatrons Martin und österreichweit den Höhepunkt der jährlichen Ganslessen-Saison.

Am Martini-Wochenende geht auch heuer bereits der zweite Parteitag der SPÖ über die Bühne. Wichtigster Tagesordnungspunkt des roten Konvents in Graz: die Bestätigung der Wahl von Neoparteichef Andreas Babler. Der Außenseiterkandidat war Anfang Juni nach einer peinlichen Auszählungspanne erst Tage nach der vermeintlichen Kür von Hans Peter Doskozil am Parteitag in Linz zum Nachfolger von Pamela Rendi-Wagner ausgerufen worden.

Der Partei-Konvent war in den roten Chaostagen nach der SPÖ-Mitgliederbefragung zur Befriedung der gespaltenen Partei aus dem Hut gezaubert worden und trug daher aus vielerlei Gründen das Label "außerordentlich". Das SPÖ-Statut sieht dennoch die Wahl des Parteichefs turnusmäßig weiterhin für spätestens kommendes Frühjahr vor. So knapp vor den EU-Wahlen im Juni 2024 und nach wie vor möglichen Neuwahlen im Frühjahr wollte die neue SPÖ-Nomenklatura aber keine zusätzlichen Kalamitäten riskieren. Zudem hatte Babler schon bald nach Amtsantritt noch für heuer einen "Einigungsparteitag" angekündigt.

Die ÖVP-Auguren in der Wirtschaft, die sehnsüchtig dem 11.11. entgegenblicken, haben weniger die Wahlchancen der SPÖ für 2024 im Auge. Ihre hoffnungsvolle Erwartung ist vielmehr, dass sich mit dem Innenleben beim politischen Achsenpartner nach dem 11.11. auch die Großwetterlage in Sachen Lohn-und Wirtschaftspolitik nachhaltig beruhigt. Wegen der hohen Inflationsraten und der zweistelligen Forderungen der Gewerkschaften ließen sich die Kollektivvertragsverhandlungen heuer besonders ruppig an. Das ist frei Haus beinahe täglich mit martialischen Lageberichten aus den gerade laufenden Metallerverhandlungen zu besichtigen.

Mahrers diskrete Pendelmission

"Die Metallerverhandlungen sind ja nicht nur für die betroffenen Betriebe maßgeblich. Sie geben auch die Benchmarks für die anderen Branchen vor. Daher ist es auch für das generelle Wirtschaftsklima wichtig, hier zu einem vernünftigen Abschluss zu kommen", sagt ein ÖVP-Wirtschaftsmann.

Hinter den Kulissen wird in Regierungs-und Sozialpartnerkreisen in diskreten Kontakten alles daran gesetzt, dass die entscheidenden Gespräche erst nach dem 11.11. über die Bühne gehen. WKO-Präsident Harald Mahrer ist seit Wochen dabei, das Terrain zu sondieren -von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer abwärts. Die schwarz-türkisen Wirtschaftskreise sind mit ihrer Hoffnung, von Seiten der SPÖ würden die Klassenkampfparolen leiser werden und Signale Richtung politische Mitte gesetzt werden, nicht allein.

Bablers strammer Linkskurs spaltet SPÖ

Der stramme Linkskurs, den Andreas Babler für die SPÖ bislang ausgegeben hat, ist auch in der langjährigen Kanzlerpartei nicht unumstritten. Die Skeptiker, die weit über die Anhänger von Hans Peter Doskozil in den Bundesländer-Parteien hinaus gehen, fühlen sich auch durch die Umfrageergebnisse bestätigt. Die "neue" SPÖ kommt bei den Wählern bestenfalls ähnlich bescheiden wie die "alte" SPÖ unter Pamela Rendi-Wagner zu liegen. Dem neuen Parteichef Andreas Babler wohlmeinende Spitzengenossen lassen freilich unter vier Augen wissen: Die Sorge in-und außerhalb der Partei, die SPÖ würde stur auf Linkskurs bleiben, sei unbegründet. Ihre Begründung: Vor dem Parteitag am 11.11. müsse die neue SPÖ-Spitze alle Energie darauf verwenden, Kurs zu halten und Einigkeit zu signalisieren. Denn mit seiner klassenkämpferischen Rede sei es Andreas Babler nicht nur gelungen, gegen alle Prognosen die Stimmung am denkwürdigen Pannen-Parteitag Anfang Juni zu seinen Gunsten zu drehen. Damit habe die Partei nach Jahren des Mitgliederschwunds auch erstmals wieder Themen vorgegeben und mit 15.000 Neueintritten wieder Zulauf erhalten.

Babler-Mitstreiter rechnet mit Signalen Richtung Mitte

"Babler hat schon jetzt seine Forderung nach einer 32-Stunden-Woche aufgeweicht und sagt, dass diese wie einst die Abkehr von der 40-Stunden-Woche in Etappen kommen muss", sagt ein Babler nahestehender SPÖ-Spitzenmann: "In den nächsten Monaten bis zum Beginn des Wahlkampfs wird es weitere Signale von Andreas Babler Richtung Mitte geben".

Wo und wie sich das inhaltlich und personell manifestieren könnte, vermag freilich in der SPÖ niemand zu prognostizieren oder gar schon konkret zu benennen. Im Vorfeld des Parteitags entluden sich die internen Spannungen so zuletzt in Scharmützeln um die Reihung von Kandidaten auf der SPÖ-Liste für die EU-Wahlen und diversen anderen Streitigkeiten zwischen Ländergruppen und Bundespartei. Je weiter weg von der Löwelstraße - wo derzeit noch die SPÖ-Zentrale zu Hause ist -die Rede auf den Parteichef und seinen politischen Kurs kommt, desto fester ist die Gewissheit:

"Wenn die SPÖ auf diesem Kurs bleibt, können wir auch die nächste Wahl vergessen", sagt ein erfahrener Parteistratege: "Dann war und bleibt Babler der nächste Betriebsunfall in der SPÖ."

Warum die Wiener SPÖ zu Babler auf Distanz gegangen ist

Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig hat, nachdem Wunschkandidatin Pamela Rendi-Wagner nicht mehr zu halten war, zwar auf Babler gesetzt, um seinen Intimfeind Hans Peter Doskozil mit aller Macht zu verhindern. Inzwischen rückt aber auch ein Wiener Spitzengenosse nach dem anderen vom Traiskirchner Bürgermeister ab. Ein Spitzenfunktionär im Wiener Rathaus bringt es so auf den Punkt: "Der Babler bringt uns bei den Wählern in Wien null. Der schadet uns eher. Er setzt nur auf Themen, mit denen er keinen einzigen FPÖ- Wähler für uns zurückgewinnt. Die Freigabe von Cannabis und sein Plädoyer für Tempo 100 gefällt Grün-Anhängern. Die wählen aber deshalb nicht uns. Und selbst wenn, bleibt das im rot-grünen Lager ein Nullsummenspielspiel."

Der Nolens-volens-Babler-Macher Michael Ludwig hat so längst die Notbremse gezogen und die SPÖ-Bundesgremien verlassen, um sich, so die offizielle Parole, vor der Wien-Wahl 2025 voll auf die Bundeshauptstadt konzentrieren zu können.

Ludwig musste fürchten, mehrfach zum Handkuss zu kommen. Bei den Babler-Gegnern in der SPÖ wurde nämlich die Parole ausgegeben, auf Streichungen bei der Bestätigung des Parteichefs zu verzichten. Der Rendi-Wagner-Nachfolger, sagen Spitzen-SPÖler unisono, müsse nicht mit ihren zuletzt desaströsen 75 Prozent rechnen. Nach den knapp 53 Prozent im Duell mit Doskozil erwarten SPÖ-Parteitagsauguren zwischen 80 und 90 Prozent Zustimmung für Babler.

"Ohne jede Alternative und nicht einmal ein Jahr vor einer Bundeswahl wäre eine Streichorgie für Babler ein Selbstmordkommando", sagt ein langjähriger Parteitagskenner, "die Delegierten sind selber Mandatare und wissen, dass sie sich auch so selber massiv schaden würden."

Blitzableiter Michael Ludwig

Als Blitzableiter für die vielen klammheimlichen Babler-Gegner war am 11.11. vielmehr Michael Ludwig gedacht. Wiens SPÖ-Chef entzog sich der absehbaren demütigenden Streichaktion, indem er nicht mehr für den SPÖ-Bundesparteivorstand kandidiert.

"Nachdem sich Ludwig rechtzeitig davongestohlen hat, werden alle Wiener, die sich am Parteitag für Funktionen zur Wahl stellen, ein sichtbares Zeichen der Missbilligung erhalten", prognostiziert ein Bundesländer-Spitzenmann.

Ludwig geht auch deshalb zu Babler auf Distanz, weil er in der SPÖ bald zwischen allen Stühlen zu landen droht. Die Babler-Kritiker werfen ihm vor, den Traiskirchner Bürgermeister allein aus tiefer Abneigung gegen den burgenländischen Landeschef auf den SPÖ-Chefsessel gehievt zu haben.

Das Babler-Lager wiederum, so ein Ludwig-Vertrauter, "hat sich zwar von Ludwig sehr gerne unterstützen lassen, macht aber nun wieder, was es will".

Auch wenn einige in der neuen SPÖ-Nomenklatura die Hoffnung nach einer roten Kurskorrektur nach dem Parteitag weiterhin hochhalten. In breiten SPÖ-Kreisen überwiegt angesichts der kommenden Wahlen schon jetzt zunehmend Pessimismus.

Dieser macht sich immer öfter in einem Bonmot Luft, das nicht als Kompliment gedacht ist: "Andreas Babler ist und bleibt ein Jungsozialist im Körper eines Fünfzigjährigen."

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 27.10.2023 entnommen.

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