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“Ein Befreiungsschlag ist überfällig” [Politik Backstage]

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SPÖ-Parteichefin hat in der Personaldebatte weiterhin Rückendeckung vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
SPÖ-Parteichefin hat in der Personaldebatte weiterhin Rückendeckung vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Die Frage ist nur: Wie lange noch?©APA/EVA MANHART
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Das Lager um Hans Peter Doskozil rüstet zum finalen Schlag gegen die SPÖ-Spitze. Im Wiener Rathaus werden Pläne gewälzt, Pamela Rendi-Wagner durch jemand anderen als Michael Ludwig zu ersetzen. Offen ist, wer in diesem Duell zuerst zieht. Wenn es nach Dosko & Co geht, wird das Shoutout bereits nach dem Wahlsonntag in Kärnten eröffnet.

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Im Büro des Wiener Bürgermeisters geben einander seit Wochen ehemalige und aktive Spitzengenossen die Türklinke in die Hand.

Selbst nach wie vor spinnefeinde rote Granden wie Franz Vranitzky und Hannes Androsch waren in gleicher Mission unterwegs. Von einflussreichen Gewerkschaftern bis zu Spitzenfunktionären aus den Bundesländern waren schon ganze rote Karawanen bei Michael Ludwig, um diesen zu beknien: Mache bitte dem selbstmörderischen Treiben rund um die Parteichefin ein Ende und stelle Dich als Retter in der Not zur Verfügung.

Rote Karawanen beknien Ludwig, Rendis Job zu übernehmen

Der Wiener Bürgermeister, der lange auch innerhalb der SPÖ als fleißiger aber grauer Spitzenfunktionär galt, hat sich binnen weniger Jahre das Image eines roten Wunderwuzzis erarbeitet.

Den Grundstein dafür legte er bei einer scheinbar aussichtslosen innerparteilichem Herausforderung: Michael Ludwig obsiegte 2018 als Galionsfigur des Lagers um Werner Faymann in einer Kampfabstimmung nicht nur gegen den Favoriten von Michael Häupl, Andreas Schieder. Er schaffte es - trotz des mehr knappen denn überragenden Ergebnisses von 57:43 Prozent - danach auch, die beiden zerstrittenen Lager nachhaltig zu befrieden.

“Wiener Weg” als neues rotes Markenzeichen

Während der Achterbahnfahrt der drei Corona-Jahre vermochte sich der vorsichtige Taktiker zudem mit einem eigenständigen Kurs zu profilieren. Ludwig entwickelte den “Wiener Weg” zu einem neuen Markenzeichen. Für die konturlosen und entwurzelten Roten war das identitätsstiftend.

Ergebnis: Am roten Rathausmann kommt in der SPÖ mehr denn je niemand mehr vorbei.

Allein der schützenden Hand von Michael Ludwig hat es so auch Pamela Rendi-Wagner zu verdanken, dass sie die zahlreichen Anläufe, sie als SPÖ-Chefin zu stürzen, bis jetzt erfolgreich überstand.

Damit könnte es nach der Kärnten-Wahl endgültig vorbei sein. Denn die inzwischen im Wochentakt beschworene Parteidisziplin reicht in der SPÖ 2023 nur noch dafür, sich vor einer Schlüsselwahl nicht auf offener Bühne zu befetzen. Für eine tatsächliche Pause bei “Intrigen-Spielchen” (SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried) reichte der befristete rote Waffenstillstand allerdings schon lange nicht mehr.

Rote Planspiele über Sesseltausch zwischen Bures und Rendi-Wagner

Just wenige Tage vor dem kommenden Wahlsonntag flammte die lodernde Führungsdebatte in der SPÖ wieder lichterloh auf. Erst ging der ehemalige steirische Landeschef Franz Voves, der für die SPÖ zweimal den Landeshauptsessel zurückerobert hatte, für Ludwig als Rendi-Ersatz in die Offensive.

Dann machte ein mögliches Planspiel über einen Sesseltausch zwischen Pamela Rendi-Wagner und Doris Bures medial die Runde. Bures solle die SPÖ-Vorsitzende ablösen und dieser ihren Sitz als zweite Nationalratspräsidentin überlassen.

Obwohl der Termin nie auf seinem Kalender stand, machte Michael Ludwig daher diesen Dienstag einem Gedenkabend an die Ausschaltung des Parlaments im Hohen Haus seine Aufwartung. TV-Teams und Journalisten, die das Event bis dahin ebenfalls nicht am Spielplan hatten, wurde vorab avisiert: Ludwigs spontaner Auftritt werde hohen Nachrichtenwert haben.

Flankiert von Pamela Rendi Wagner proklamierte Michael Ludwig einmal mehr: Er stehe “ganz stark” hinter der gewählten Vorsitzenden. “Daran gibt es nichts zu rütteln.” Der Wiener Bürgermeister und Parteichef erneuerte coram publico seinen Appell an die Geschlossenheit der SPÖ und für Solidarität mit Rendi-Wagner.

Diese hehren politischen Ziele wurden von Ludwig & Co zuletzt auch in einer Präsidiums-Sitzung, dem höchsten Führungs-Gremium der SPÖ, beschworen. Die Nachhaltigkeit hielt sich allerdings sowohl intern als auch öffentlich in Grenzen.

Dosko-Lager: “Nach Kärnten-Wahl geht es endgültig los”v

Schon kommende Woche dürfte Michael Ludwig neuerlich gefordert sein. In der ständig wachsenden Gruppe der Rendi-Wagner-Kritiker rund um Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wurde dieser Tage die Parole ausgegeben: Nach der Kärnten-Wahl geht es endgültig los.

Das Argument, der nächste für die SPÖ heikle Wahlgang am 23. April in Salzburg, erfordere innerparteiliche Ruhe, wird von den aufständischen Burgenländern auf den Kopf gestellt. Der neue rote Landeschef und weitgehend noch unbekannte Salzburger SPÖ-Spitzenkandidat, David Egger, drohe mangels Rückenwind aus dem Bund von der FPÖ auf schmachvollen dritten Platz verwiesen zu werden. Mit der Perspektive auf einen Wechsel an der Spitze der Bundes-SPÖ bestehe vielmehr die Chance, demnächst auch auf Salzburger Landesebene das Ruder zugunsten der Roten herumzureißen.

Ein burgenländischer Spitzengenosse lässt wissen: “In der zweiten Funktionärsreihe der SPÖ gibt es eine hohe Zustimmung zum Kurs von Hans Peter Doskozil und den massiven Wunsch nach einem Wechsel.”

High-Noon-Stimmung in der SPÖ

Sollten diese mit ihrem Ansinnen neuerlich an den SPÖ-Spitzengremien scheitern, dann sieht das Doskozil-Lager die Chance gesichert, Pamela Rendi-Wagner per Urabstimmung unter den SPÖ-Mitgliedern aus dem Sattel zu heben. In der SPÖ kommt so dieser Tage High-Noon-Stimmung auf: Welches der beiden Lager macht den ersten entscheidenden Schritt, um das andere kalt zu stellen?

Das Dosko-Lager setzt auf ein konzertiertes Rumoren der Basis Funktionäre samt anschließender Abstimmung unter allen Mitgliedern der SPÖ. Motto: Kurs und Spitzenpersonal sind nicht im Partei-Hinterzimmer auszumachen, sondern von den Betroffenen zu bestimmen.

Im Rendi-Wagner Schutzmantel-Lager rund Michael Ludwig werden derzeit mehrere Varianten auf ihre Tauglichkeit final geprüft. Das Planspiel mit dem Sesseltausch zwischen Bures und Rendi-Wagner scheidet nach dem jüngsten Dementi vorläufig aus. Auch wenn es nach wie vor den Reiz hätte, eine Kampfabstimmung Rendi vs. Doskozil handstreichartig zu umgehen und rasch Fakten zu schaffen.

Doris Bures bleibt als roter Jolly Joker im Talon

“Die Doris hatte zwar andere Pläne: Sie wollte nach der nächsten Wahl zur ersten Nationalratspräsidentin aufsteigen und sich dort als nächste Bundespräsidentschafts-Kandidatin positionieren”, sagt ein Wiener Spitzengenosse, “Jetzt droht sie angesichts der schlechten Umfragen aber zur dritten Nationalratspräsidentin degradiert zu werden. Auch wenn Sie das bisher nicht wollte: Damit könnte es gelingen sie zu überzeugen, in den sauren Apfel zu beißen und die Parteiführung zu übernehmen.”

Ob Bures in dem Fall die SPÖ auch in die nächsten Wahlen führt, ist in diesen Planspielen noch nicht ausgemacht. Sowohl eine Spitzenkandidatin Bures als auch ein Überraschungs-Kandidat á la Sven Hergovich gilt SPÖ-intern als möglich.

Besonders hartnäckige Ludwig-Fans sind zudem überzeugt, dass sich der Wiener Bürgermeister kurz vor Nennschluss noch überreden lassen könnte, die Wahlkampf-Lokomotive zu machen. Zumal dann, wenn in Umfragen der erste Platz für die SPÖ derart abgesichert wäre, dass ihr der Anspruch auf die Wiedereroberung des Kanzlersessels nicht zu nehmen ist.

Panik-Planspiel: Rendi-Wagner auf baldigem Parteitag einbetonieren

Im engsten Umkreis von Rendi-Wagner kursiert auch unverdrossen eine Idee, wie der Parteiobfrau doch noch das politische Überleben gesichert werden könnte. Bis zum Wahlkampf-Start irgendwie durchzutauchen und darauf zu setzen, dass dann jede weitere Kritik in der SPÖ als Todsünde geahndet werde – diese bis vor kurzem bei Rendi & Co umgehende Phantasie ist obsolet.

Nun glauben sich die Parteichefin und ihre Anhänger so noch zu retten: Der SPÖ-Parteivorstand nominiert sie bereits jetzt als Spitzenkandidatin, um die öffentliche Debatte vorerst zu beenden und beruft zur finalen Klärung der Führungsfrage bereits für die kommenden Wochen einen Parteitag ein. Turnusmäßig wäre dieser erst im Frühjahr 2024 fällig gewesen.

Zuwarten im roten Showdown könnte an Ludwigs Wunderwuzzi-Image kratzen

Geht es nach den Speerspitzen in den widerstrebenden Lagern, dann ist das Finale im roten Showdown längst eröffnet. Die Weichen, wie die SPÖ ihre chronische Führungskrise in den Griff bekommen will, dürften so schon in den kommenden Wochen gestellt werden.

Denn weiteres Zuwarten könnte vor allem am Image jenes Spitzenroten kratzen, der in der SPÖ als einziger noch als unantastbare Autorität gilt. “Michael Ludwig muss aufpassen, dass er nicht in die Rolle des Schiedsrichters kommt, der es zwar in der Hand hätte, ein brutales Match zu entscheiden, dieses aber durch Zaudern und Zögern fahrlässig verlängert”, so ein SPÖ-Insider.

Rathaus-Insider beklagen “Häupls fatale Statistenrolle” bei Kür von Kern & Rendi-Wagner

Langjährige Spitzengenossen im Wiener Rathaus holen in ihrer Analyse noch weiter, aber messerscharf aus:

“Es gab nur zwei Entscheidungen, die je ohne die ordnende Hand des Wiener Bürgermeisters in der Bundes-SPÖ getroffen wurde. Beide waren eine Katastrophe, wegen beider gibt es dieses Vakuum, diese Instabilität in der SPÖ: Die Kür von Christian Kern zum SPÖ-Kanzler und Parteichef sowie die von Pamela Rendi-Wagner zu seiner Nachfolgerin.”

Der kritische Rathaus-interne Befund: Michael Häupl ließ in seinen letzten Bürgermeister-Jahren die Zügel schleifen.

Mit Christian Kern als neuem Hoffnungsträger der SPÖ sei erstmals ein roter Kanzler und Parteichef ohne Zutun oder gar Plazet des Chefs der mächtigsten und größten roten Landesgruppe installiert worden. Nach der die SPÖ final ausblutenden Ära Werner Faymann drückten erstmals jene roten Bundesländer-Funktionäre ihren Wunschkandidaten durch, die sich jahrzehntelang nur als Kiebitze im roten Machtpoker fühlten.

Kern legte Grundstein zur Intimfeindschaft Rendi-Doskozil

Als Christian Kerns Traum, als Emmanuel Macron d'Autriche in die Geschichte einzugehen, platzte, warf er den Job des SPÖ-Chefs hin. Die trickreichen Umstände der Kür von Rendi-Wagner zu seiner Nachfolgerin in der SPÖ legte dann den Grundstein zur Intimfeindschaft zwischen Hans Peter Doskozil und der neuen SPÖ-Chefin.

Kern ließ den an höheren Weihen in der Bundes-SPÖ bereits interessierten Burgenländer in dem Glauben, er werde eisern als SPÖ-Chef weitermachen. In Wahrhei wartete er nur noch ab, bis sich Doskozil als Nachfolger des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Niessl inthronisieren ließ und damit als Nachfolgekandidat in der Bundes-SPÖ schachmatt gestellt war. Unmittelbar danach warf Kern über Nacht das Handtuch und setzte Pamela Rendi-Wagner handstreichartig als designierte Parteichefin durch.

Kern und Rendi-Wagner haben sich sowohl politisch als auch persönlich auseinander gelebt, Doskozil und Kern politisch wieder gefunden.

Christian Kern macht kein Geheimnis daraus, dass er die persönliche Kränkung, von Kurz als Kanzler ausgebootet zu werden, gerne mit der Genugtuung kompensieren würde, diesen mit der Rückkehr ins Kanzleramt am Ende doch noch politisch zu überleben.

Auf dem Spielplan von Michael Ludwig findet sich freilich ein Name mit Sicherheit nicht: Der hochbegabte, aber sprunghafte Christian Kern hat mit seinem abrupten Abgang jeden politischen Kredit beim mächtigsten SPÖ-Genossen verspielt.

Dosko-Lager spekuliert mit Spaltpilz, zwei Gegenkandidaten bei Urabstimmung

Das Zeitfenster in dem Michael Ludwig das Gesetz des Handelns wieder fest in Wiener SPÖ-Händen halten kann, ist auf Sicht aber knapp bemessen, meinen langjährige SPÖ-Insider:

“Was ist, wenn bei einer Mitglieder-Befragung mit Rendi-Wagner, Kern und Doskozil drei mögliche SPÖ-Chef-Kandidaten auf dem Stimmzettel stehen? Dann könnte am Ende Doskozil nicht nur als Sieger dastehen, sondern auch noch das Lager seiner Gegner erfolgreich gespalten haben.”

Eines eint trotz all der unfriendly Planspiele selbst eingefleischte Anhänger von Hans Peter Doskozil und seine Widersacher rund um Michael Ludwig: “Ein Befreiungsschlag ist überfällig.”

Denn ob der Dauerdebatte um die bemühte aber glücklose SPÖ-Chefin droht der langjährigen Kanzlerpartei in Umfragen bereits der Absturz hinter FPÖ und ÖVP auf Platz 3.

“Wenn wir noch weiter zuwarten landen wir bald unter 20 Prozent. Diese Stimmenverluste kann auch der größte Wunderwuzzi dann nicht mehr aufholen”, sagt ein roter Spitzenmann. Auch wenn für diesen Hans Peter Doskozil als SPÖ-Chef ein rotes Tuch bleibt.

Sein Wunsch-Szenario für die kommenden Tage und Wochen formuliert dieser stellvertretend für viele Rathaus-Genossen dennoch eindeutig so:

“Rendis Steherqualitäten sind bewundernswert. Aber es gibt bei größter Sympathie und Loyalität nun einmal ungerechte Situationen, die man nicht wegbekommt, indem man sie ignoriert und aussitzt. Wenn die Abwehr der Ungerechtigkeit dazu führt, dass wir bei der nächsten Wahl Dritte werden, dann muss auch Pamela Rendi-Wagner die Einsicht haben und sagen: Ich bin bereit für Wechsel an der SPÖ-Spitze.

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