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UK-Minister Dominic Johnson: "Wir sind durch den Brexit flexibler"

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LORD JOHNSON. Der frühere Hedgefondsgründer und Geschäftspartner des Brexiteers Jacob Rees-Mogg will aus dem Brexit doch noch eine Success Story machen.

©Lukas Ilgner
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Der britische Minister für Investment, DOMINIC JOHNSON, buhlt um österreichische Firmen. Sein Versprechen für das Post-Brexit-Großbritannien: weniger Regulierung, mehr Dynamik.

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Dave, der Dackel der britischen Botschafterin in Österreich, hat es dem Lord angetan. Am Ende seines Wien-Besuchs lobt Dominic Johnson im Garten der britischen Residenz in der Metternichgasse überschwänglich Aussehen und Charakter des Tiers. Überhaupt ist der für Investitionen zuständige britische Minister of State, vergleichbar einem Staatssekretär, an diesem warmen Freitag im Oktober bester Laune. Er zeigt sich beeindruckt von seinen vielen Gesprächen mit österreichischen Unternehmen, unter ihnen der Ziegelkonzern Wienerberger, der Schalungsspezialist Doka und Siemens Mobility.

Als "besonders inspirierende Person" bezeichnet der konservative Politiker den Chef der Venturekapitalfirma Speedinvest, Oliver Holle. Speedinvest hat nicht nur ein Büro, sondern viele Startups in London.

Österreichs Wirtschaft hat, kaum bemerkt von einer größeren Öffentlichkeit, eine Investmentrallye im Vereinigten Königreich hinter sich. Der Direktinvestitionsbestand ist seit 2018 um 58 Prozent auf inzwischen 8,5 Milliarden Euro gewachsen.

Der Brexit, 2021 in Kraft getreten, hat dem keinen Abbruch getan: 2022 war mit Transaktionen von über 2,2 Milliarden ein Rekordjahr. Firmenübernahmen wie der Kauf von BSW Timber durch die Tiroler Firma Binderholz und der Verpackungsfirma Essentra durch Mayr Melnhof haben sich positiv in der Statistik niedergeschlagen. Beim Bau von Europas größtem Eisenbahnprojekt, der Hochgeschwindigkeitsstrecke HS2 zwischen London und Birmingham, sind sowohl Doka als auch die Baufirmen Strabag und Porr gut im Business.

Wir wollen, dass österreichische Unternehmen ihre internationalen Headquarters bei uns haben.

Lord Dominic Johnson of Lainston CBEMinister of State (Minister for Investment)

Speed up.

Dieses Momentum will der britische Minister nützen. Er riecht förmlich die Unzufriedenheit vieler Geschäftsleute mit den Rahmenbedingungen in Österreich und auf dem europäischen Festland: zu viele Regulierungen, zu wenig Freihandelsmentalität "Wir wollen ein starkes, sicheres Europa", schickt Johnson, 49, höflich voraus, "aber wir wollen auch, dass starke österreichische Unternehmen mit ihrem Know-how ihre internationalen Headquarters bei uns haben." Und gezielter: "Wollen Sie noch stärker mit Deutschland, das in der Rezession ist, Geschäfte machen?"

Johnson ist ein langjähriger Geschäftspartner von Jacob Rees-Mogg, der als Verfechter eines "harten Brexits" über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist. Die beiden haben 2007 den Hedgefonds Somerset Capital Management gegründet. Aber ist nicht sein eigener Sprung in die Politik unter Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss der Beleg dafür, dass es für Finanzmanager in London eben nicht mehr so viel zu holen gibt?

Alles eine Frage der Perspektive.

Es seien EU-Regularien wie die Solvency-II- Richtlinie gewesen, die viele Einschränkungen gebracht hätten. "Wir reformieren das jetzt für unsere Zwecke, das wird die Liquidität bedeutend erhöhen. Daher bin ich dem Brexit gegenüber weiterhin positiv eingestellt. Wir haben dadurch mehr Flexibilität und einen besseren Preisanpassungsmechanismus."

Dass Hermann Hauser, österreichischer Mitgründer der Chipfirma ARM aus Cambridge, jüngst von der "Idiotie des Brexits" gesprochen hat (siehe Artikel: "KI macht die gesamte Wirtschaft produktiver", lässt Johnson ungerührt. ARM ist im September erfolgreich an die New Yorker Börse gegangen und hat auf eine Zweitnotiz in London verzichtet, weil nach Hausers Urteil der Brexit den dortigen Kapitalmarkt geschwächt habe.

"Ich respektiere Hauser, und ARM bleibt ja eine britische Firma. Ich mache mir keine großen Sorgen, wenn eine britische Firma anderswo notiert", ist Johnsons achselzuckende Antwort darauf. Der Brite wäre schlecht beraten, wenn er Probleme in Gefolge des Brexits in Abrede stellen würde. Wenn man ihn auf die Schlagzeilen über Engpässe von Gemüse bis Kartons anspricht, wie sie in den letzten Monaten häufig waren, lässt er das jedoch ebenso unkommentiert wie die offensichtliche Krise des National Health Services, des britischen Gesundheitssystems.

Seine Mission ist, den Brexit doch noch zum Erfolg zu machen, und dazu stellt er häufig Vergleiche von Unternehmens- mit Staatsvorgängen an. "Brexit bedeutet eine Restrukturierung, und am Ende wird der Wert steigen", sagt er etwa. Oder: "Manchmal erhöht es den Wert des Ganzen, wenn man ein Spin-off macht." In diesem Fall heißt die erfolgreiche Abspaltung Großbritannien, und das Überbleibsel ist Europa.

Mit einer Vielzahl neuer Freihandelsabkommen will das Königreich an alte Glanzzeiten anknüpfen. "Wir haben eine Reihe von Abkommen abgeschlossen, allen voran CPTPP, dessen Mitglieder für 15 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung stehen." Handel ohne starke Produktionsbasis ist aber nur die halbe Miete, das wissen die Briten aus ihrer jüngeren Vergangenheit. Deshalb will man sich den Umstand, dass drei der globalen Top-zehn-Universitäten auf der Insel sind, zunutze machen: "Unser Premier ist sehr fokussiert darauf, aus unserem Land eine Supermacht forschungsbasierter Unternehmen mit den Schwerpunkten Life Sciences, Deeptech, KI und Fintech zu machen", trompetet Sunaks Herold Johnson.

Regional is king.

Sunak hat soeben aber auch für massive Verunsicherung gesorgt. Er hat den nächsten Abschnitt von HS2 zwischen Birmingham und Manchester abgeblasen. Strabag, Doka, Voestalpine und Co. hatten sich für Großaufträge bereits in Stellung gebracht. "Ich habe diese Unternehmen getroffen und ihnen versichert, dass unser Bekenntnis zu Infrastrukturinvestitionen unverändert bleibt, insbesondere in den Sektoren Mobilität und Clean Energy", versichert der Staatssekretär.

Denn gerade die Stärke von österreichischen Firmen in der Fertigung hat der britische Standort bitter notwendig, "Advanced Manufacturing" ist einer der Lieblingsbegriffe des Staatssekretärs. Dass die jüngsten Zuflüsse zudem nicht mehr so stark in die Hauptstadt London, sondern in die Regionen gehen -die Österreicher passen da perfekt ins Bild -ist politisch hocherwünscht. Rund um Birmingham, Manchester, Newcastle, Sheffield oder Belfast ist die regionale Dynamik besonders hoch. Mit Geldvermehrung kennt sich Lord Johnson als früherer Hedgefondsmanager aus, daher ist für ihn klar: "Vor zehn Jahren hätte ich für arabische Investoren Immobilien in der Londoner City gekauft. Heute würde ich in den Life Sciences Park außerhalb von Birmingham investieren." Nachsatz des Promotionprofis: "Und Großbritannien ist nun einmal für Investitionen der beste Ort der Welt."

Dackel "Dave" bellt dazu wie bestellt, und der Minister macht sich noch besser gelaunt als zuvor auf den Weg Richtung Flughafen.

Artikel aus trend. PREMIUM vom 13.10.2023

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