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Die frühere SPÖ-Politikerin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer über das Verhältnis von Industrievertretern zu AfD, FPÖ & Co. sowie über die Gründe für die deutsche Wirtschaftsschwäche.
Warum steht Deutschland heute so viel schlechter da als noch vor einigen Jahren?
Einer der Gründe ist, dass es als Autoland nicht geschafft hat, eine Autobatterie zu erzeugen. Dadurch ist völlige Abhängigkeit von China entstanden. Vor fünf Jahren hätte man das in einem gemeinsamen Kraftakt von Politik und Industrie vielleicht noch lösen können.
Vielfach wird Angela Merkels Energiepolitik schuld an der aktuellen Standortschwäche gegeben.
Ich bin großer Merkel-Fan. Einiges, was in der Situation richtig schien, erweist sich im Rückblick jedoch als Fehleinschätzung. Es ging Merkel immer darum, billige Energie für die deutsche Industrie zur Verfügung zu stellen, deshalb hat sie die Tür zu Russland offen gelassen und sich sogar für Nordstream 2 eingesetzt. Der Ausstieg aus der Atomenergie war unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima nachvollziehbar. Aber er erfolgte zu schnell, und vielleicht hätte er gar nicht sein müssen. Was noch immer fehlt, ist ein Gesamtkonzept für den Ausbau der Erneuerbaren und vor allem für die Energiespeicherung.
Straße, Bahn, digitale Netze – warum ist bei Investitionen in die deutsche Infrastruktur so wenig weitergegangen?
In Deutschland ist es quasi sakrosankt, etwas für die Straßenbenützung zahlen zu müssen. Im Bahnbereich wollte der damalige Deutsche-Bahn-Chef Mehdorn an die Börse und hat das Unternehmen kaputt gespart – das Resultat sehen wir heute. Die Bereitschaft, wichtige Infrastruktur zu verstaatlichen, ist in Deutschland auch nicht so ausgeprägt wie in Österreich.
Die deutsch-französische Achse hat ebenfalls stark gelitten …
Merkel hat Europa zusammengehalten und die große Linie vorgegeben. So jemand fehlt heute. Olaf Scholz war mit den Herausforderungen durch Pandemie, Russland-Ukraine usw. völlig ausgelastet. Macron hat es allein nicht auf den Boden gebracht.
Was muss geschehen, damit eine Koalition aus CDU/CSU und SPD, wie sie sich abzeichnet, nicht mehr für Lähmung steht?
Was Bundespräsident Van der Bellen für Österreich gesagt hat, gilt auch für Deutschland: Regieren heißt Kompromisse finden und gesprächsfähig sein, nicht nur für die eigene Klientel da sein und wissen, wohin das Land sich entwickeln soll.
Die Abgrenzung zu rechts außen wird halten?
Die deutschen Manager waren jedenfalls beeindruckender als die österreichischen, wenn es um die Abgrenzung zur AfD geht. Es gab viele, die gegen Rechtsextremismus demonstriert haben, etwa VW-Chef Oliver Blume, und gesagt haben, dass die AfD Deutschland schadet, etwa der deutsche Industriellenverband BDI. In Österreich habe ich das vermisst, da hatten wir das genaue Gegenteil.
Wie soll sich Deutschland zwischen den USA und China positionieren?
So wie sich die EU in der Welt positionieren soll. Innovationskraft und Kreativität zeichnen Europa noch immer aus. Gegenüber China muss man jetzt entschieden aufpassen, dass uns die Schwemme billiger Produkte, die durch die US-Zölle umgelenkt werden, nicht überrollt. Ich bin etwa eine entschiedene Gegnerin davon, dass die ÖBB chinesische Züge kaufen.