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Brunner, wer sonst? [Politik Backstage]

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Finanzminister Magnus Brunner, designierter österreichischer EU-Kommissar

©Andy Wenzel / BKA
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Wie Karl Nehammer ohne Wenn und Aber den Finanzminister als EU-Kommissar durchdrückte. Warum dabei gleich zwei Frauen auf der Strecke blieben. Womit die Grünen den ultimativen Machtpoker nun schönzureden suchen.

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Der Termin war schon Ende vergangener Woche offiziell angekündigt worden: EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler präsentiert gemeinsam mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, diesen Mittwochvormittag (31. Juli) die neue Online-Kampagne des Kanzleramts gegen Antisemitismus. Die Ministerin, die seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober des vergangenen Jahres eine massive “Zunahme des linken Antisemitismus” beklagt, lud zudem zu einem Runden Tisch mit Online-Plattformen über eine gemeinsame Strategie und konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Judenhass-Virus im Internet.

Edtstadler hat sich dieses sensiblen Themas seit dem Abgang von Sebastian Kurz aus dem Kanzleramt vor bald drei Jahren persönlich sehr angenommen. Bis dahin war das primär Regierungschef-Sache.

Skurriler Medien-Staffellauf im Kanzleramt

Die Pressekonferenz startete, wie seit Tagen avisiert, kurz nach 10:45 Uhr. Die Medienregie des Kanzleramts wartete derweil allein das Ende des Medienauftritts der Ministerin ab, um mit Breaking News an die Öffentlichkeit zu gehen: Türkis-Grün hat sich nach wochenlangem schwerem Ringen auf den Namen des österreichischen Kandidaten für den EU-Kommissar und ein Paket von offenen Personal- und Politikfragen geeinigt.

Karl Nehammer und Werner Kogler waren eigentlich schon am Vorabend handelseins geworden. Kogler erbat sich noch eine Nachfrist, “um darüber zu schlafen”. Der Grünen-Chef wollte die Zeit vor allem nutzen, um grün-intern vorsorglich die Reihen zu schließen.

Mittwochmorgen gab Kogler auch formal grünes Licht. Mit der Verkündigung des EU-Deals warteten beide Regierungslager nur noch den Medienauftritt der EU-Ministerin ab. Denn die Kür von Magnus Brunner macht auch öffentlich breit sichtbar, was Regierungs-Insider schon länger wissen.

Nehammers harsche EU-Absage an Edtstadler

Karoline Edtstadler ließ zwar schon seit Monaten auch öffentlich wissen, dass sie einem Wechsel nach Brüssel als andere als abgeneigt ist. Regierungschef Karl Nehammer hat “seine” Kanzleramtsministerin – wie in dieser Kolumne in der Vorwoche erstmals berichtet – aber schon vor Wochen harsch wissen lassen: “In diesem Leben geht es sich sicher nicht mehr aus, dass ich als Bundeskanzler Dich als Österreichs EU-Kommissarin nach Brüssel schicke.”

Der Satz fiel in einer Aussprache, in der es um die – von Edtstadler heftig dementierten – Gerüchte ging, sie würde am Stuhl des Kanzlers sägen. Weil sich Edtstadler schon Monate davor zudem dem dringenden Wunsch Nehammers versagt hatte, bei der EU-Wahl die Spitzenkandidatin zu machen, war ihr Stern am Ballhausplatz schon länger im Sinken.

Die nun auch öffentlich werdende Niederlage, dass ihr Brunner für den Kommissars-Posten vorgezogen wird, auch noch brühwarm live kommentieren zu müssen, wollte die Kanzleramts-Regie allen Beteiligten ersparen. Stattdessen mühte sich Nehammer noch Stunden vor der Verkündigung der Kür von Magnus Brunner, die Causa Edtstadler kleinzureden.

Der Kanzler setzte drei Stunden vor dem offiziellen türkis-grünen Rauch für "Habemus EU-Kommissar" Mittwoch früh via APA-Video-Interview ein gewundenes Statement ab. Nehammer lobpries "ein sehr gutes und auch freundschaftliches Arbeitsverhältnis" mit Karoline Edtstadler.

Nehammer hat von Anfang an klargestellt, dass er Brunner und niemanden anderen nach Brüssel schicken will.

Ballhausplatz ignoriert Von-der-Leyen-Wunsch nach Frau für Brüssel

Wie wenig belastbar diese Aussage ist, war auch koalitionsintern im Finale des Kommissars-Feilschen zum Greifen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte nach ihrer Wiederwahl in der vorletzten Juli-Woche nicht nur an jenes Dutzend Regierungschefs appelliert, die nach wie vor keine EU-Kommissions- Kandidaten genannt hatten, dies rasch zu tun. Sie deponierte auch sehr deutlich den Wunsch, sowohl eine Frau als auch einen Mann zu nominieren, damit sie die angepeilte Geschlechterparität sichern kann.

“Eine Diskussion über eine Frau als Kandidatin ließ Nehammer erst gar nicht aufkommen, weil er von Anfang an klargestellt hat, dass er Brunner und niemanden anderen nach Brüssel schicken will”, sagt ein maßgeblicher Player im grünen Verhandler-Team.

Grünes Selbstlob: "ÖVP pokert um Posten, wir kämpfen für Inhalte"

Die Ökos suchen ob der Tatsache, dass auch deswegen der Personal-Poker wochenlang auf der Stelle trat, die Flucht nach vorne. Sie geben intern und extern die Parole aus: “Die ÖVP pokert um Posten, wir kämpfen für Inhalte.”

Kogler, Maurer & Co wollen so für sich drei "inhaltliche Erfolge" auf der Habenseite verbuchen.

  • Nummer eins: Eine Einigung mit Schwarz-Türkis über den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP). Den bereits im Vorjahr von Klimaministerin Leonore Gewessler nach Brüssel übermittelten Österreich-Plan zur Erreichung der EU-Energie- und Klimaziele hatte EU-Ministerin Karoline Edtstadler Anfang Dezember in einer spektakulären Intervention in Brüssel – mit Verweis auf mangelnde politische Absprache mit den zuständigen ÖVP-Ministern – erfolgreich für obsolet erklärt.

  • Auch in Sachen eines Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energiequellen bei der Gasversorgung, so die Ökos, würde die ÖVP nun jene Zugeständnisse machen, die es braucht, um via SPÖ-Stimmen auf die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu kommen.

  • Besonders stolz sind die Grünen schlussendlich darauf: “Der Ausstieg aus dem Russengas wird in der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie als strategisches Ziel bis 2027 festgeschrieben”, so eine grüne Dealmakerin: “Dagegen hatte sich die ÖVP davor ein dreiviertel Jahr lang mit Händen und Füßen gewehrt.”

Türkise Empörung: "Grüne verbuchen Bestellung eines roten FMA-Managers auf das ÖVP-Konto"

Besonders zäh geriet der letzte große Machtpoker zwischen Türkis und Grün aber einmal mehr wegen einer Personalie. Auch wenn der Vertrag des Ex-Spitzenbeamten und Kurzzeit-Finanzministers im Kabinett Bierlein, Eduard Müller, als Vorstand in der Finanzmarkt-Aufsicht (FMA) erst im Juni 2025 ausläuft, hatte das Finanzministerium die Neubesetzung eines der beiden Vorstandspositionen in der FMA bereits vor dem Sommer 2024 ausgeschrieben. Die ÖVP brachte dafür die stellvertretende Generalsekretärin in der Wirtschaftskammer, Mariana Kühnel, in Stellung.

Türkis und Grün lieferten sich freilich erst wochenlang Scharmützel darüber, wer laut Koalitions-Sideletter das Nominierungsrecht habe. Die ÖVP pochte darauf, dass dieses bei ihr liege. Die Grünen stellten das in Abrede, nominierten ihrerseits aber keinen Kandidaten.

Was einen ÖVP-Mann am meisten empört: “Die Grünen behaupteten allen Ernstes, dass die letzte FMA-Vorstandsbestellung von Helmut Ettl, einem Sozialdemokraten, auf unser Konto gehe und daher sie jetzt wieder dran sind.” Dabei hätte Finanzminister Magnus Brunner, so der ÖVP-Mann, nur – wie formal gefordert – das für einen der zwei FMA-Jobs gesetzliche Vorschlagsrecht der Nationalbank zustimmend zur Kenntnis genommen.

Grüne verweigern Weichenstellung für FMA-Vorstands-Rochade 2025

Ergebnis des wochenlangen Stellungskriegs: Mangels Konsenses bleibt der FMA-Job zwar weiter zur Nachbesetzung ausgeschrieben. Die Entscheidung aber, wer das Mitte kommenden Jahres freiwerdende Vorstandsmandat tatsächlich übernimmt, wird die nächste Regierung wohl bald nach Amtsantritt zu treffen haben.

Dass die ÖVP in der Causa FMA am Ende die Flinte ins Korn warf, hat – so teilnehmende Beobachter – auch damit zu tun, dass die Nominierung von Mariana Kühnel in ÖVP-Wirtschaftskreisen nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß. Kühnel ist keine gelernte Bankerin, hat allerdings vor allem einst als Bürochefin von Erste-Boss Andreas Treichl und danach als Leiterin der Vorstandsabteilung an höchster Stelle Erfahrungen in der Bankenwelt gesammelt.

Ihre Wurzeln in der Erste Bank fanden aber nicht gerade das Wohlgefallen von Raiffeisen-Managern, die in der niederösterreichischen ÖVP-Nomenklatura rund um Karl Nehammer mehr denn je eine gewichtige Stimme haben.

On hold ist so nicht nur ein möglicher FMA-Vorstandsjob für die Favoritin von Wirtschaftskammer- und Nationalbank-Chef Harald Mahrer. Bitte warten, heißt es in Sachen Karriere auch für Karoline Edtstadler. Die 43jährige Salzburgerin ist zwar als Nummer 1 auf der Landesliste und auch mit einem Platz in den vorderen Reihen im Bund zumindest als künftige Abgeordnete abgesichert. Ein Ticket auf einen Fixplatz in einer künftigen Regierung, sagen Partei-Insider, hat sie politisch aber nicht. Denn gleich hinter Partei- und Regierungschef Karl Nehammer ist auf der bundesweiten ÖVP-Nationalratsliste nicht seine selbstbewusste Kanzleramts-Ministerin gereiht. Karoline Edtstadler muss sich mit Platz 4 begnügen.

Die neue Nummer 2 auf Nehammers ÖVP-Liste ist die bislang politisch unauffällige Staatssekretärin für Jugend, Zivildienst und Digitalisierung – die kreuzbrave 29jährige Oberösterreicherin und begeisterte Blas-Musikerin Claudia Plakolm.

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