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EU-Vize-Kommissionspräsidentin Teresa Ribera und EU-Vize-Kommissionspräsident Stéphane Séjourné
©IMAGO / ZUMA Press WireDie EU-Kommission hat ein Paket an Vorschlägen zur Förderung der europäischen Industrie und Wirtschaft vorgestellt. Der „Clean Industrial Deal“ soll Europas Industrie zugleich wettbewerbsfähiger und emissionsärmer machen. Österreichische EU-Abgeordnete bewerten den Deal positiv.
Dekarbonisierung und Reindustrialisierung sind die Eckpfeiler auf denen der in Brüssel präsentierte „Clean Industrial Deal" aufbaut. Energieintensive Industrien würden mit hohen Energiekosten, unfairem globalem Wettbewerb und komplexen Vorschriften konfrontiert, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, heißt es aus der Kommission. „Europa muss eine Führungsrolle bei sauberen Industrien übernehmen“, so EU-Vize-Kommissionspräsidentin Teresa Ribera. „Europas Industrieunternehmen müssen in saubere Technologien investieren können und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.“
Steuern auf Strom müssten daher reduziert und Netze effizienter genutzt werden, so die Spanierin. Die Welt und die Märkte hätten sich geändert, der „Clean Industrial Deal" ist angesichts von höchster Priorität.
100 Milliarden Euro für Clean Tech
Die Kommission will für grüne Technologien über 100 Mrd. Euro an Förderungen mobilisieren, sowie zusätzliche Garantien in Höhe von 1 Mrd. Euro im Rahmen des aktuellen mehrjährigen EU-Budgets. Die Förderungen sollen zudem schneller und unkomplizierter fließen können. Dazu soll der Rahmen für Beihilfen der EU-Länder vereinfacht werden. Eine „Bank für industrielle Dekarbonisierung“ soll Finanzmittel aus dem EU-Innovationsfonds sowie Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem mobilisieren.
Die Kommission will die europäische Clean Tech-Branche mit einem „Made in Europe“-Label unterstützen. Zudem will sie vorschlagen, europäische Unternehmen gegenüber Konkurrenz aus China oder den USA bei der öffentlichen Beschaffung in strategischen Sektoren zu bevorzugen. Auch Rohmaterialien sollen verstärkt aus Europa kommen: „Wir wollen die Rechnung für die Rohmaterialien und unsere Abhängigkeit senken", so Riberas Amtskollege Stephane Sejourne. Europa müsse beim Kauf und der Produktion von Rohmaterialien wie etwa seltener Erden „strategischer vorgehen“, diese gebe es auch in Europa. Bei einer gemeinsamen Beschaffung mehrerer EU-Länder soll ein neues „EU-Zentrum für kritische Rohstoffe“ helfen.
Entschlossener gegen unfairen Wettbewerb vorgehen
Die Kommission kündigte auch an, sie wolle „noch entschlossener vorgehen, um unsere Industrien mithilfe einer Reihe von Handelsschutz- und anderen Instrumenten vor unfairem globalen Wettbewerb und Überkapazitäten zu schützen“. Während im Zentrum der ersten Amtsperiode von der Leyens der Green Deal mit zahlreichen Regelungen für mehr Klimaschutz stand, hat sich das Blatt nun gedreht: Die krisengebeutelte Wirtschaft und auch Vertreter ihrer eigenen, konservativen Partei EVP fordern seit längerem immer vehementer mehr Unterstützung für europäische Unternehmen. Auch die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Handelsbeschränkungen und Bevorzugungen amerikanischer Produkte spielen eine Rolle.
Ribera betonte am Mittwoch, die grüne Transformation werde nicht aufgeweicht, wie von einigen Kritikern vorgeworfen. Die Regeln würden vereinfacht, das Vertrauen der Investoren gefördert. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra erklärte, heute sei kein neues Klimaziel präsentiert worden, weil das aktuelle nach wie vor gelte. Die EU strebt bis 2050 Klimaneutralität an.
Mit dem „Affordable Energy Plan“ will die Kommission die Integration der EU-Elektrizitätsmärkte vorantreiben und die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen verringern. Auch bestimmte Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit sollen reduziert werden. Dies ist der dritte Teil des Pakets, der heute noch vorgestellt wird. Für März kündigt die Kommission einen Aktionsplan für die Automobilindustrie, für Frühling für die Stahl- und Metallindustrie an. Weitere sollen für die Chemie- und Clean-Tech-Industrie folgen.
Reaktionen österreichischer EU-Parlamentarier:innen
Für Angelika Winzig, Wirtschaftssprecherin der ÖVP im Europaparlament, ist der präsentierte Deal - sofern er gelingt - „die größte Errungenschaft der EU“. Die Abgeordnete erwartet jedoch, dass bis zu 40 weitere Legislativakte folgen könnten, die wiederum zu überbordender Bürokratie führen würden.
Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament, sieht im „Clean Industrial Deal“ einen „wichtigen und interessanten Ansatz", der angesichts der geopolitischen Gegebenheiten für die Wettbewerbsfähigkeit besonders wichtig ist. Offen bleibe für ihn die Frage der benötigten Investitionen.
Der Aktionsplan für erschwinglichere Energie für Unternehmen und Privathaushalte sei laut Lena Schilling, Abgeordnete für die Grünen im EU-Parlament, ein „guter Hebel“. An der klimagerechten Transformation der Industrie wird zwar festgehalten, betont Schilling. Ihr fehle jedoch eine klar definierte Verpflichtung, am 2040-Ziel (Senkung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber den Werten von 1990) festzuhalten.
Die Neos-Abgeordnete Anna Stürgkh begrüßt den „ganzheitlichen Ansatz“ des Clean Industrial Deals, der das Gebot der Stunde - „die Industrie zu entfesseln" - folge. Damit dies gelinge, müssen jedoch auch die finanziellen Ressourcen Europas „entfesselt werden" (Stichwort Kapitalmarkt).
Kritischer wird von den Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS die ebenfalls von der EU-Kommission präsentierten „Omnibus“-Vorschläge bewertet. Wie heute bekannt wurde, wird es unter anderem zu einer Verschiebung des Lieferkettengesetzes um ein Jahr und zur Ausnahme von 80 Prozent der EU-Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung kommen.