Sölden, Rettenbachferner: Nachhaltigkeit bei Skirennen kommt trotz sichtbarem Klimaproblem erst langsam an.
©picturedesk.com/EXPA/Johann GrodeDer SKIRENNSPORT muss klimafreundlicher werden. Das fordern Umweltschützer, Sportler und Sponsoren. Erste zartgrüne Spuren sind sichtbar. Auch im ÖSV denkt man langsam um.
Dass sich Peter Schröcksnadel Zeit seiner ÖSV-Präsidentschaft wenig aus dem Klimawandel machte, war kein Geheimnis. Seit nun Roswitha Stadlober das Ruder im Österreichischen Skiverband übernommen hat, dürfte sich das Blatt langsam wenden. "Ich persönlich fahre ein E-Auto, reise gerne und oft mit dem Zug, kaufe regionale Lebensmittel - jeden Freitag besuche ich den Bauernmarkt - und versuche, darüber hinaus nachhaltig zu leben", sagt die ehemalige Skirennläuferin. Und auch im Verband tut sich etwas: 2022 hat der ÖSV eine CO2 Bilanz erstellt. Diese Bilanz soll nun sukzessive etwa durch die Umstellung des Fuhrparks auf Hybrid-und E-Fahrzeuge verbessert werden. Und auch Ski-Events werden nachhaltiger: "Bei Weltcup-Veranstaltungen wurde und wird bereits auf eine nachhaltige und ressourcenschonende Organisation Rücksicht genommen. In Hinblick auf die bevorstehenden Großveranstaltungen, die Skiflug-WM am Kulm 2024 und jene der Alpinen in Saalbach 2025, arbeiten wir an nachhaltigen Projekten und Strategien, um unserer Rolle als verantwortungsbewusster Veranstalter nachzukommen", meint Stadlober.
Sportler für Klimaschutz
Den Klimaschützern reichen all diese Zusagen nicht. Beim Weltcupauftakt in Sölden Ende Oktober standen die Arbeiten am Rettenbachferner und der frühe Start in die Skisaison massiv in der Kritik. Auch die Gletscherarbeiten im Schweizer Zermatt, wo der Herren-Skitross am zweiten November-Wochenende Station macht, standen in der Öffentlichkeit unter Beschuss. Superstars wie Mikaela Shiffrin und Alexander Aamodt Kilde nahmen sich ebenso wie Ex-Skistar Felix Neureuther kein Blatt vor den Mund. "Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?", fragte etwa Shiffrin. Trainingsreisen nach Argentinien oder Neuseeland seien nicht mehr zeitgemäß, finden viele Rennläufer.
Wenig verwunderlich, dass Klimakleber den Weg zum Skirennen in Sölden blockierten. Beim NGO "Protect Our Winters" geht man hingegen andere Wege und richtet sich mit einer Petition an die FIS. Bis 2030 sollen die Emissionen um 50 Prozent reduziert werden, der Rennkalender soll adaptiert werden, und die Umweltauswirkungen der FIS sollen transparent gemacht werden, lautet die Forderung. Angeblich will FIS-Präsident Johan Eliasch in Kürze einen konkreten Plan zur CO2-Reduktion präsentieren. Eine Nachhaltigkeitsbeauftragte wurde im Sommer in der FIS installiert. Beim Rennkalender schiebt Eliasch aber den Ball zurück zu den Landesverbänden: "Ich verstehe auch nicht, warum wir im Oktober auf Gletschern ohne Schnee fahren", richtet Eliasch dem ÖSV aus, mit dem er seit seinem Amtsbeginn im Clinch liegt.
Wirtschaft pocht auf ESG
Druck auf die Veranstalter und Verbände kommt nicht nur von Umweltschützern, sondern auch von Sponsoren, die selbst meist strengen ESG-Kriterien unterworfen sind. Gut, dass der ÖSV viele Sponsorenverträge letztes Jahr auf fünf Jahre verlängern konnte. "Grundsätzlich stehen wir weiterhin zum Skisport und unterstützen den ÖSV als Partner. Gleichzeitig beschäftigt sich die gesamte Wintersport-Branche mit dem Thema Nachhaltigkeit, so auch der ÖSV. Und natürlich stehen wir in regem Austausch zu diesem wichtigen Thema", heißt es etwa von Groß-Sponsor Raiffeisen.
Ähnlich klingt das bei Topsponsor Audi, der seinen Vertrag letztes Jahr um weitere vier Jahre verlängert hat und dem Verband eine E-Dienstauto-Flotte bereitstellt: "Wir sehen aktuell keinen Anlass, von der Partnerschaft mit dem ÖSV abzuweichen. Natürlich begrüßen wir aber grundsätzlich die aktuell geführte Diskussion zur Überarbeitung der Ski-Weltcup-Zeitpläne und vertrauen vollumfänglich auf die Expertise der Verantwortlichen, eine für den Sport und unsere Umwelt gleichermaßen bestmögliche Lösung zu finden." Hauptsponsor A1 ortet das Umweltproblem weniger beim Verband, bei dem man Fortschritte im Sinne der Nachhaltigkeit ortet, sondern bei der Anreise zu den Events. "Alle Experten sind der Meinung, dass Skifahren weiterhin ohne schlechtes Gewissen möglich ist. Der Großteil der CO2-Belastung entstammt aus der An- und Abreise - hier gilt es mit neuen Mobilitätskonzepten und einer Ausweitung der öffentlichen Anreise in die Skigebiete anzusetzen", so der Mobilfunker, der den ÖSV seit 25 Jahren sponsert. Manch kleinerer Sponsor hingegen überlegt noch, ob die Bilder der Logos vor aperen Hängen ihm nicht mehr schadet als nützt.
Der Artikel ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 10.11. 2023 erschienen.