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Die nächste große Baustelle der neuen Regierung

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Bundeskanzler Stocker, Vize-Kanzler Babler, Außenministerin Meinl-Reisinger, Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer, Bildungsminister Wiederkehr, Finanzminister Marterbauer

©APA/ROLAND SCHLAGER
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Nicht nur die Budgetsanierung und die zähe Inflation werden den Finanz- und den Wirtschaftsminister vom ersten Tag an fordern. Nach zwei Jahren Rezession steigt auch die Arbeitslosigkeit weiter, und es ist kein Ende in Sicht.

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Ende Februar waren 429.940 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos oder in Schulung gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer um 6,9 Prozent bzw. 27.643 Personen gestiegen. Die Arbeitslosenrate erhöhte sich Ende Februar im Jahresabstand um 0,5 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent.

Das sei „kein leichter Start für eine neue Bundesregierung", kommentierte AMS-Vorstand Johannes Kopf die aktuellen Arbeitslosenzahlen am Montag. Er geht davon aus, dass die Zahlen im Lauf des Jahres weiter nach oben gehen. Positiv bewertet Kopf das Regierungsprogramm der neuen türkis-rot-pinken Koalition. „Die neue Bundesregierung hat angekündigt, das AMS mit deutlich mehr Budget zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auszustatten. Das ist ein wichtiger erster Schritt“, so der AMS-Chef.

Der Arbeitsmarkt wird auch der erste Test, wie die Zusammenarbeit zwischen den Koalitionspartnern funktioniert. Denn die Arbeitsagenden sind nun aus dem Wirtschaftsministerium heraus gelöst und ins Ressort von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) gewandert. Der mächtige Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) hat jedoch weiterhin die Hebel für die Rahmenbedingungen der Unternehmen in der Hand. Den staatsnahen Bereich als Arbeitgeber haben auch der für den öffentlichen Dienst zuständige Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP), Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) und – mit Sicherheit deutlich kritischer – der neue Deregulierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) im Blick.

Neue Regierung plant keine große Arbeitsmarktreform

Die Dreierkoalition plant beim Arbeitsmarkt keine große Reform, hat aber zahlreiche Einzelmaßnahmen vorgesehen. Der Zuverdienst beim Arbeitslosengeld soll deutlich strenger gehandhabt werden. Bei der Bildungskarenz ist ein eingeschränktes Nachfolgemodell ab 2026 geplant. In der Vorgängerregierung war Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) bei der Reform des Arbeitslosengeldes und der Bildungskarenz am Widerstand der Grünen gescheitert.

Kocher selbst schreibt nach der Amtsübergabe in seinem Blog durchaus selbstkritisch: „Die GANZ großen Reformen sind in den letzten fünf Jahren zu selten zustande gekommen. Die Arbeitsmarktreform hat genauso wenig die nötige koalitionäre Einigkeit gefunden, wie eine Reform der Bildungskarenz (eigentlich eine Reform der Fachkräfteausbildung im Erwachsenenalter) oder eine noch viel stärkere Senkung der Lohnnebenkosten. Auch das Arbeiten im Alter wurde nur unzureichend attraktiver. Ebenso wären mehr Maßnahmen zur Ermöglichung und Attraktivierung von Vollzeit nötig gewesen und zur Geschlechtergleichstellung am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft."

Damit benennt er einige großen Aufgaben, denen sich die neue Regierung stellen muss. Vollzeitarbeit attraktiver zu machen ist allerdings in Hochkonjunkturzeiten einfacher.

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 © APA

AMS-Chef: Rückgang der geleisteten Arbeitszeit muss gestoppt werden

Die Gesamtzahl an tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sinkt, obwohl die Zahl der unselbständig Beschäftigten ständig steigt. Die Gründe für den Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Kopf sind laut AMS „vielfältig“: Die maßgeblichen Faktoren dafür seien Strukturveränderungen in manchen Branchen, die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einer Teilzeitquote von über 50 Prozent, die Reduktion der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten und weniger geleistete Überstunden. „War Österreich im Jahr 2008 mit einer durchschnittlich tatsächlich geleisteten Arbeitszeit von 41,1 Stunden pro Woche und Vollzeitarbeitskraft noch auf Platz 3 in der EU, lag dieser Wert im Jahr 2023 mit 37,6 Stunden und unser Land damit nur mehr auf Platz 12“, schreibt das AMS in einer aktuellen Spezialauswertung.

„Aktuell hilft der Trend zur reduzierten Arbeitszeit den Arbeitslosenzahlen, da die Betriebe dann mehr Menschen beschäftigen müssen“, sagte der AMS-Chef. „Trotzdem ist der Umstand, dass wir in Österreich mit immer mehr Menschen in weniger Stunden insgesamt weniger leisten, alles andere als eine gute Nachricht“, warnte Kopf. Zur Finanzierung der Sozialsysteme und für den Erhalt des Wohlstands sowie der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs müsse man „den Rückgang der insgesamt geleisteten Arbeitszeit jedenfalls stoppen“.

Damit mehr Arbeitnehmer wieder Vollzeit arbeiten, will die neue Regierung die gestaffelten Arbeitslosenversicherungsbeiträge „überdenken“. Es sollen mehr Möglichkeiten für einen Wechsel von Teilzeit in Richtung Vollzeit geschaffen werden. Konkrete Maßnahmen dafür stehen nicht im Regierungsprogramm. Insgesamt soll das Modell der geringfügigen Beschäftigung „weiterentwickelt“ werden.

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