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Drei Jahre Ukraine-Krieg: Der österreichische Banker, der in Kiew blieb

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„Die nächsten Wochen werden entscheidend sein“, Gerhard Bösch, ehemaliger Banker in der Ukraine.

©Trend/Michael Rausch-Schott
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Gerhard Bösch leitete nach dem russischen Überfall auf das Nachbarland die größte ukrainische Bank. Wie er die Situation nach den jüngsten Gesprächen zwischen den USA und Russland beurteilt.

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„Man weiß nicht, ob man lachen, weinen oder Kopfschütteln soll“, sagt Gerhard Bösch, den wir am dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine in einem Wiener Café treffen. Donald Trump hat in den letzten Tagen verlauten lassen, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei ein Diktator und habe den Krieg begonnen - und verdreht damit die Geschichte von Beginn weg. „Ernst zu nehmen ist, dass Trump seine Unterstützung für Europa zurücknimmt“, sagt Bösch.

Der Vorarlberger, bald 68, hat in den letzten Jahren maßgeblich mitgeholfen, die Geldversorgung des Landes am Laufen zu halten. Als CEO der größten ukrainischen Bank ging es darum, zerstörte Filialen wiederaufzubauen, Geldtransporte zu organisieren und die Energieversorgung sicher zu stellen. „Wir sind die Letzten, die gehen, und die Ersten, die wiederkommen“, hatte er dem trend bei einem Lokalaugenschein im Februar 2023 seinen Job umrissen.

Nun droht das Land den Interessen der beiden Großmächte USA und Russland geopfert zu werden. Donald Trump will als schneller Friedensstifter in die Geschichte eingehen, dabei nimmt der US-Präsident keine Rücksicht auf mittel- und langfristige Schäden. Putin will die eroberten Gebiete in der Ostukraine de facto anerkannt wissen und verhindern, dass die Ukraine NATO-Mitglied wird und westliche Sicherheitsgarantien bekommt. Beide wollen, dass Selenskyj, der ukrainische Kriegspräsident, weicht. Doch genau das könnte nicht so einfach gehen, wie sich die beiden starken Männer das vorstellen.

„Die Attacken helfen Selenskyj“, sagt Bösch, der die staatliche Privatbank geleitet hat und seit November in Pension ist. Gleich nach dem trend-Gespräch macht er sich aber wieder von Wien aus auf den Weg in die Ukraine. Fast 20 Jahre in der Ukraine als Bankmanager schaffen viele Verbindungen und ein gutes Gespür für Mentalität und Stimmungen. Selbst wenn es zu baldigen Wahlen käme - kein Kandidat könnte es sich derzeit leisten, eine prorussische Haltung einzunehmen. „Die Ukrainer wissen nur zu gut, was es heißt, unter russische Herrschaft zu kommen. Dann ginge das Töten und Vergewaltigen weiter", so Bösch. An der Westorientierung der Ukrainer hat er keine Zweifel, der Bruch sei durch die Brutalität der Aggressoren langfristig: „Brüder, Partner oder sogar Freunde werden Ukrainer und Russen frühestens wieder in zehn Generationen.“

Deshalb glaubt der Banker nicht, dass Entscheidungen mächtiger Männer über den Kopf der Ukrainer hinweg funktionieren werden. Die Amerikaner können kaum an der Mehrheitsmeinung des Volkes vorbei, das in diesem Konflikt für die typisch westlichen Werte Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gekämpft hat. Und die russischen Interessen, Stichwort Verzicht auf Sicherheitsgarantien, werde es kaum spielen. „Es wird nicht easy werden für die Russen.“

Nach einem langen, zermürbenden Konflikt mit hunderttausenden Toten und ohne Perspektive ist aber auch der Österreicher sicher, dass nun Bewegung in die Sache kommt: „Die nächsten Wochen werden entscheidend sein.“

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