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Ersatzkaiser in der Instagram-Kutsche [Politik Backstage]

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Ersatzkaiser in der Instagram-Kutsche [Politik Backstage]
IM TEAMDRESS. Für Van der Bellens Wiederwahl steht reine Sympathiewerbung im Vordergrund.©APA/LUKAS DÜRNEGGER
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ALEXANDER VAN DER BELLENS größte Hürde ist, dass die heurige Hofburg-Wahl - im Gegensatz zu 2016 - die breite Öffentlichkeit kalt lässt. Wie der 78-Jährige mithilfe seines jungen Social-Media-Teams im Finale noch einmal punkten will.

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Für Heinz Fischer stand der Termin bei jedem New-York-Besuch so fix im Kalender wie einst der 1.-Mai-Aufmarsch. Am Rande der jährlichen UN-Generalversammlung suchte der Staatspräsident Jahr für Jahr den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger auf.

Bei der lebenden Legende der amerikanischen Politik geben sich nach wie vor Staatenlenker aus aller Welt die Türklinke in die Hand, wenn New York in der zweiten Septemberhälfte zur Weltbühne wird. Den prestigeträchtigen Termin hätte Heinz Fischer mit Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident gerne an seinen Freund und Nachfolger Alexander Van der Bellen übergeben. Doch dieser steckte im September 2016 noch im Finale für die erste Stichwahl mit Norbert Hofer. Fischers zwölfjährige Amtszeit war aber unwiderruflich mit Juli 2016 zu Ende.

Die im Interregnum mit den präsidentiellen Vollmachten betrauten Nationalratspräsidenten beschränkten sich bei diesem Zusatzjob auf das Allernotwendigste. Heinz Fischer weg, Van der Bellen noch nicht da - Sebastian Kurz kaperte den frei gewordenen Termin umgehend für sich. Das Treffen ließ sich perfekt vermarkten: Der große alte Mann der Weltpolitik empfängt Österreichs jüngsten Außenminister. Kurz nahm Fischers Erbe auch ins Kanzleramt mit.

Mit dem Sturz des türkisen "Wonderboys" wäre der publicityträchtige Kissinger-Termin heuer zur Neuvergabe frei gewesen.

Der Bundespräsident hat sich erst gar nicht darum bemüht. Kurz-Nachfolger Karl Nehammer suchte den 99-Jährigen in dessen Büro in Manhattan auf.

Trademark ironische Distanz

Alexander Van der Bellen brennt auch bei internationalen Terminen nicht vor Ehrgeiz, sich überall ins Bild zu drängen und maximal in Szene zu setzen. Er setzt auch im Ausland auf sein bisheriges Erfolgsrezept: ruhig im Ton, selten emotionell und -als stärkste Trademark -eine ironische Distanz zu den Zeitläuften.

Das unvermeidliche Buhlen um Aufmerksamkeit und zielgruppengerechte Klappern, das zum Politikhandwerk gehört, überlässt der 78-Jährige seinem jungen Social-Media-Team in der Hofburg.

Der Ex-Grünen-Chef hat nicht vergessen, dass er seinen Wahlsieg 2016 vor allem einem Video auf Social Media verdankt: einem sehr bewegenden fünfminütigen Statement von "Frau Gertrude", die als einziges Familienmitglied den Holocaust überlebt hatte und im Wahlkampffinale vor Ausgrenzung und Hass warnte.

Facebook-Video entschied Wahlkampffinale 2016

Das Video wurde zehn Tage vor der Wahl auf der Facebook-Seite des grünen Präsidentschaftskandidaten veröffentlicht und binnen weniger Tage fast drei Millionen Mal angeklickt.

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[KLICK zum Video]

 © FB/vdB

Bei seiner Wiederwahl am zweiten Oktobersonntag steht Van der Bellen vor einer ganz anderen Herausforderung als vor sechs Jahren. Sein Gegenüber vor dem entscheidenden Wahltag ist nicht - wie damals Norbert Hofer - eine Person, die klar polarisiert.

Und die, was heute gerne vergessen wird, dem Ex-Grünen-Chef in der ersten Auflage des zweiten Wahlgangs im Oktober 2016 bis auf 30.000 Stimmen nahe gerückt war. Die Stichwahl musste wegen defekter Briefwahlkuverts peinlicherweise Anfang Dezember wiederholt werden - mit, angesichts des knappen Ergebnisses, offenem Ausgang.

Wiederwahl-Werben ohne Wahlkampf

Die Herausforderung vor dem kommenden Wahlgang am 9. Oktober 2022 ist für Van der Bellen eine gänzlich andere. Von sechs Gegenkandidaten hat kein einziger die Chance, dem Amtsinhaber entscheidend nahe zu rücken. Die größte Hürde für VDB und sein Team ist, dass die Hofburg-Wahl 2022 das Gros der Landsleute im Gegensatz zu 2016 weitgehend kalt lässt.

Damals war das Land am Ende in zwei fast gleich große Lager gespalten. Heute ist die von multiplen Krisen überforderte Politik generell unten durch. Diese massive Vertrauenskrise hat auch vor der Hofburg nicht haltgemacht.

Van der Bellen und sein Wahlkampfteam taten daher in den vergangenen Wochen alles, um nirgendwo anzuecken. Der Hausherr in der Hofburg meidet, wo immer es geht, konkrete Aussagen. Am Rande seines Aufenthalts bei der UN-Generalversammlung in New York startete er noch einmal eine letzte Interview-Welle. Mangels Masse macht kein einziges nachhaltige Schlagzeilen.

Das ist freilich ganz im Sinne seiner Wiederwahlstrategie: Massiv verstärkte Präsenz in den finalen Wochen vor dem 9. Oktober und kein öffentliches Kräftemessen mit wem auch immer. Die Fr a g e, ob es einen besseren Bundespräsidenten gibt, soll erst gar nicht aufkommen: Van der Bellen, wer sonst?

Aura des Amtes

Das Wahlkampfteam um den Ex-Ö3-Marketingmann und erfolgreichen Werbeprofi Martin Radjaby setzt allein auf die Aura des Amtes und rein persönliche Sympathiewerbung.

Auch die zehn Sujets in zwei Plakatwellen sollen nicht polarisieren, sondern mit Slogans wie "Weil's drauf ankommt" allein mobilisieren.

Die Nachricht vom Tod der Queen ist gerade einen halben Tag alt, als der Hausherr in der Hofburg einen Monat vor dem Wahltag zum offiziellen Wahlkampfauftakt ins Wiener Museums-Quartier lädt. Während auf der Bühne der Altbürgermeister aus dem Kaunertal und eine extra aus Tirol angereiste Blasmusikkapelle TV-gerecht für eine erfolgreiche Wiederwahl Stimmung machen, laufen hinter den Kulissen die Telefone heiß. Das Hofburg-Team sondiert die möglichen Umstände der Teilnahme Van der Bellens am Staatsbegräbnis für die verstorbene britische Monarchin.

Der Ersatzkaiser in der Hofburg muss nicht lange grübeln, ob er ein medial derart prominent gecovertes historisches Ereignis im Wahlkampffinale persönlich wahrnehmen soll.

Zwei Social-Media-Profis und ein Fotograf immer im Schlepptau

Van der Bellen verkürzt seinen geplanten Aufenthalt bei der UN-Generalversammlung auf zwei Tage und reist nach dem Begräbnis für die Queen via London nach New York an. Im Schlepptau hatte Van der Bellen einmal mehr zwei Social-Media-Spezialisten aus der Hofburg und einen Fotografen, die den Auftritt auf der Weltbühne auf allen Medienkanälen in Szene setzen sollen. Der Ersatzkaiser bedient sich auf seinem neuerlichen Weg in die Hofburg vornehmlich der Instagram-Kutsche.

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k.A

 © APA/LUKAS DÜRNEGGER

VdBs Wahlkampfteam und das Hofburg-Team legen - mit Verweis auf unterschiedliche Personen, Büros, Termine und Budgets - nach außen großen Wert auf saubere Trennung zwischen Wahlwerber und Amtsinhaber.

Es ist freilich ganz im Sinne der Wahlkampfstrategen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung die proklamierten strengen Grenzen zwischen Wiederwahlwerber und Noch-Amtsinhaber erst gar nicht aufkommen.

Bestes Beispiel: Schlüpfte im Vorfeld des Fußball-Ländermatches zwischen Österreich und Kroatien nun der Wiederwahlkandidat für ein Social-Media-Posting in ein rot-weiß-rotes ÖFB-Trikot oder war es doch der amtierende Bundespräsident?

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