
Andreas Babler (SPÖ), Christian Stocker (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (Neos)
©APA/MAX SLOVENCIKÖVP, SPÖ und NEOS haben sich im zweiten Anlauf auf eine Dreierkoalition geeinigt. Geplant ist eine Budgetkonsolidierung ohne EU-Defizitverfahren, dazu wird es deutliche Verschärfungen im Asylrecht und Erleichterungen für Mieter geben.
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Die Parteiobleute von ÖVP, SPÖ und NEOS haben ihr gemeinsames Regierungsprogramm bereits Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einem persönlichen Gespräch vorgestellt, wie die Präsidentschaftskanzlei mitteilte. Der Bundespräsident werde das Programm nun „sorgfältig prüfen“, hieß es. Zudem hätten ÖVP-Obmann Christian Stocker, SPÖ-Chef Andreas Babler und NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger den Bundespräsidenten über die finalen Schritte der Regierungsbildung informiert.
Stocker meinte in der gemeinsamen Pressekonferenz von ÖVP, SPÖ und Neos, dass die vielleicht schwierigste Regierungsbildung der Geschichte sei nun abgeschlossen: „Diese Einigung ist nur nach einem zutiefst österreichische Grundsatz gelungen: ‚Durch’s reden kommen die Leute zusammen‘.“während sich andere der Verantwortung entzogen hätten, haben ÖVP, SPÖ und NEOS Einvernehmen hergestellt und Handlungsfähigkeit bewiesen. Es gehe jetzt nicht um rechts und links sondern um Rot-Weiß-Rot und neun Millionen Menschen.
Babler meinte, man tue jetzt gemeinsam das Richtige: „Das Schließen von Kompromissen ist eine alte österreichische Tugend.“ Man saniere das Budget ausgewogen: „Das gibt uns Luft zu investieren.“ Meinl-Reisinger nannte das Anstreben des Konsenses bzw. des Ausgleichs unterschiedlicher Wertehaltungen das, „was uns wirklich nach vorne bringen kann.“ Unruhige Zeiten brauchten staatspolitische Verantwortung.
Der künftige Kanzler hob in seinem Statement den Asyl- und Integrationsbereich hervor. So betonte Stocker etwa, dass man notfalls Asylanträge auch gar nicht mehr annehmen würde. Ein Kopftuch-Verbot für Mädchen werde verfassungskonform ausgestaltet. Babler freute sich, dass Banken, Energieanbieter und Immo-Branche mit Abgaben zur Budgetsanierung beitragen müssten. Zudem würdigte er, dass die Mietpreise für ein Jahr eingefroren würden und auch die kommenden Jahren moderat steigen würden.
Meinl-Reisinger nannte als für die NEOS besonders wichtig die Aufwertung der Elementarpädagogik mit einem zweiten verpflichtenden Kindergarten-Jahr. Budgetär würden es jetzt zwei harte Jahre werden. Aber man könnte sich gerade jetzt strukturellen Themen widmen. Maßnahmen werde es im Pensionswesen geben über einen Nachahltigkeitsmodus.
In dem mehr als 200 Seiten starken Programm mit dem Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ wird „Konsens und Pragmatismus“ betont, auf dem die Einigung basiere. Der größte Fortschritt für Österreich sei immer aus „Konsens, Zusammenarbeit und Zuversicht“ entstanden. Auch auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ wird Bezug genommen: „Während andere diese Kooperation verweigern und sich ihrer Verantwortung entziehen, stellen wir Einvernehmen und Handlungsfähigkeit her.“ Jetzt gehe es nicht um parteipolitische Interessen, sondern „um uns alle, um Österreich, um neun Millionen Menschen in unserem Land“.
Scharfe Maßnahmen werden im Asylbereich angekündigt. So soll der Familiennachzug zumindest vorübergehend „sofort“ gestoppt werden, auch ein Kopftuchverbot für unmündige Minderjährige (bis zur Vollendung der 14. Lebensjahres) ist angepeilt. Auch finden sich Maßnahmen im Mietrecht im Programm, so soll etwa die Mindestdauer der Befristung bei Mietverträgen auf fünf Jahre steigen. Am Aufbauplan für das Bundesheer wird festgehalten, ebenso an der Teilnahme von Sky Shield. Der ORF-Beitrag soll bis 2029 nicht erhöht werden. In den Kinderbetreuungseinrichtungen soll es eine gesunde Jause kostenlos geben. Frauenhygiene- und Verhütungsartikel sollen von der Umsatzsteuer befreit werden.
Neuerungen sind laut dem Entwurf unter anderem auch im Bereich Armut und Soziales geplant. Der Kinderarmut soll mit einer „Kindergrundsicherung“ entgegengetreten und bis 2030 halbiert werden. Die bisherige Sozialhilfe soll zu einer „Sozialhilfe NEU“ werden, mit einem einheitlichen Tagsatz, der sich am Ausgleichszulagen-Richtsatz orientiert. Die 2019 unter Schwarz-Blau statt der Mindestsicherung geschaffene Sozialhilfe legte hingegen Höchstgrenzen statt der bis dahin gütige Mindeststandards fest.
Das Budget soll wie angekündigt entlang der EU-Fiskalregeln konsolidiert werden, Ziel ist die Verhinderung eines Defizitverfahrens. Angesichts der „aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen“ plane die neue Bundesregierung das Budget über die nächsten sieben Jahre zu konsolidieren. Auch soll rasch ein Doppelbudget und ein neuer Bundesfinanzrahmen beschlossen werden. Die Planungen sehen wie bereits angekündigt ein Maßnahmenpaket für das Jahr 2025 von mehr als 6,3 Mrd. Euro und für das Jahr 2026 von 8,7 Mrd. Euro vor.
Als möglicher Angelobungstermin der neuen Bundesregierung gilt weiterhin der kommende Montag. Voraussetzung dafür ist, dass die Partei-Gremien grünes Licht für den Koalitionspakt geben. Die größte innerparteiliche Hürde müssen dabei die NEOS nehmen, entscheidet bei den Pinken doch in letzter Instanz eine Mitgliederversammlung am Sonntag. Für die Annahme der Koalitionsvereinbarung ist dabei eine Zweidrittelmehrheit nötig.