Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ins ein europaweites Problem. In Österreich sieht der Rechnungshof Handlungsbedarf der Politik.
©IMAGO / Jochen TackEine Bestandsaufnahme des Rechnungshofs zum Fachkräftemangel in Österreich bemängelt die fehlende politische Gesamtstrategie und zeigt Handlungsfelder auf.
- Bestandsaufnahme Fachkräftemangel
- Regierung: Bekenntnis, aber keine Strategie
- Empfehlung 1: Bildung und Qualifikationen verbessern
- Empfehlung 2: Teilzeitquoten reduzieren, Frauenquoten erhöhen
- Empfehlung 3: Ältere Erwerbstätige im Arbeitsprozess halten
- Empfehlung 4: Integration von Migranten und Zuwanderung
Bestandsaufnahme Fachkräftemangel
Der Rechnungshof hat den Fachkräftemangel in Österreich analysiert und als eine ernsthafte Bedrohung für die Leistungsfähigkeit der österreichischen Gesamtwirtschaft erkannt, die mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten einhergeht.
Zudem werde sich das Problem mit dem Ausscheiden der "Baby-Boomer"-Generation aus dem Berufsleben mittel- und langfristig weiter verschärfen, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in der ganzen EU. "Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften in Österreich, wie auch in der EU insgesamt, wird in den nächsten zehn Jahren tendenziell abnehmen", betont der Rechnungshof.
In dem nun veröffentlichter Bericht mit dem Titel "Bestandsaufnahme Fachkräftemangel" zeigt der mehrere Handlungsfelder auf, wie der Fachkräftemangel entschärft werden kann. Diese sind Diese sind: Aus- und Weiterbildung, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von älteren Personen, Frauen sowie von Migrantinnen und Migranten, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aber auch die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften.
Die Empfehlungen des Rechnungshofs richten sich an das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie an das Bundesministerium für Finanzen.
Regierung: Bekenntnis, aber keine Strategie
Im Regierungsprogramm 2020-2024 sei zwar ein Bekenntnis zur Sicherstellung des Arbeits- und Fachkräftebedarfs und zur Erstellung einer Gesamtstrategie enthalten. Der Rechnungshof bemängelt aber, dass es nach wie vor keine Gesamtstrategie mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen gibt.
Zudem tappt man in Österreich bei der Abschätzung und Bestimmung des Fachkräftemangels im Dunkeln. Es fehlen Daten für eine Analyse auf Ebene der Berufe, der regionalen Verteilung und des Beschäftigungsausmaßes. Der Rechnungshof schlägt daher vor, eine systematische Erfassung von Beruf und Beschäftigungsausmaß einzurichten.
Empfehlung 1: Bildung und Qualifikationen verbessern
Ein mittleres und hohes Qualifikationsniveau wirkt sich positiv auf die Beschäftigungschancen und das Erwerbseinkommen aus und es verringert das Arbeitslosigkeitsrisiko. In Österreich hatten 2021 rund 17 Prozent der 25- bis 64-Jährigen maximal einen Pflichtschulabschluss. In dieser Gruppe lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2022 bei 19,4 Prozent.
Maßnahmen zur Begrenzung und Verringerung des Anteils von Personen mit maximal Pflichtschulabschluss wären daher zweckmäßig. Zu den empfohlenen Maßnahmen gehört daher die Unterstützung der Lehrlingsausbildung.
Der Rechnungshof betont außerdem, dass laut PISA-Ergebnissen ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Schülerinnen und Schüler über keine ausreichenden Basiskenntnisse in Lesen und Mathematik verfügt. Die MINT–Ausbildungen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) sollten daher forciert werden
Zur Prävention des Bildungsabfalls wäre es außerdem wichtig, einen Bildungsfokus auf Schülerinnen und Schüler zu setzen, bei denen ein Risiko besteht, dass sie elementare Kompetenzen nicht erreichen.
Empfehlung 2: Teilzeitquoten reduzieren, Frauenquoten erhöhen
2022 standen fast drei Viertel der 15- bis 64-jährigen österreichischen Bevölkerung in Beschäftigung. Die Beschäftigungsquote lag um fast sechs Prozentpunkte über jener von 2008, 3,91 Millionen unselbstständig Beschäftigte bedeuteten einen historischen Höchststand.
Trotz einer höheren Anzahl von Beschäftigten blieb das Ausmaß der geleisteten Arbeitsstunden aber seit 2008 weitgehend konstant, was in Zusammenhang mit der von 2008 bis 2022 um 23 Prozent gestiegenen Teilzeitquote steht. 2022 arbeiteten in Österreich bereits 31,2 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit.
Besonders hoch ist die Teilzeitquote mit 51,7 Prozent bei Frauen. Bei Männern liegt sie zum Vergleich bei nur 11,9 Prozent. Zudem lag die Beschäftigungsquote der Frauen 2022 immer noch elf Prozentpunkte unter jener von Männern.
Der Rechnungshof empfiehlt daher, die arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Anreize zu geringen beziehungsweise sehr geringen Arbeitsstundenausmaßen zu analysieren. Um die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu erhöhen weist der Rechnungshof außerdem darauf hin, dass das Angebot und die Qualität der Kinderbetreuung (Öffnungszeiten, Betreuungsverhältnis, Kosten) ein wichtiger Ansatzpunkt zur Erhöhung Beschäftigungsquote von Frauen ist
Empfehlung 3: Ältere Erwerbstätige im Arbeitsprozess halten
Großes Potenzial zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sieht der Rechnungshof auch bei den älteren Arbeitnehemer:innen. Die Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen lag im Jahr 2022 bei nur mehr 30,5 Prozent. Das effektive Pensionsantrittsalter lag in Österreich im Jahr 2022 bei 61 Jahren (Männer 62,1 Jahre; Frauen 60,1 Jahre).
Der Rechnungshof empfiehlt Maßnahmen, um ältere Personen länger im Arbeitsprozess zu halten. Das würde den Fachkräftemangel entschärfen und gleichzeitig auch das Pensionssystem entlasten.
In Österreich sieht der Rechnungshof diesbezüglich allerdings immer noch Versäumnisse. So setzt der gesetzliche Rahmen auch weiterhin Anreize zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsprozess.
Empfehlung 4: Integration von Migranten und Zuwanderung
Die Integration von Migrantinnen und Migranten bestimmter Herkunftsländer in den heimischen Arbeitsmarkt ist gering. Die Beschäftigungsquote von Staatsangehörigen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien lag im Jahr 2022 unter 45 Prozent. Dieses Arbeitskräftepotenzial sollte besser ausgeschöpft werden.
Zusätzlich rät der Rechnungshof zur vermehrten Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Erst Anfang April hat der Rechnungshof einen Bericht veröffentlicht („Rot-Weiß-Rot-Karte und Blaue Karte EU“), in dem die Rahmenbedingungen für qualifizierte Zuwanderung aus Drittstaaten kritisiert wurden.