Arnold Schiefer ist das Mastermind hinter dem Wirtschaftsprogramm der FPÖ.
©Sebastian ReichAus einem trend-Interview Anfang Dezember: Arnold Schiefer über die Sanierung Österreichs, die Milliarden, die man einsparen könnte – und warum er den angeblich detaillierten Plan seiner Partei nicht offenlegen möchte.
Sind Sie durch die Steiermark-Wahl einem Ministerposten nähergerückt? Oder werden sich ÖVP, SPÖ und Neos trotzdem zusammenraufen?
Ich glaube eher nicht, dass wirklich jemand die Verhandlungen kippt. Die FPÖ steht Gewehr bei Fuß, das haben wir der ÖVP auch klar gesagt. Wir wollen in die Regierung.
Zur Person
Arnold Schiefer, geb. 1966 in Gmunden, ist das Mastermind hinter dem Wirtschaftsprogramm der FPÖ und heißer Kandidat auf einen Ministerposten, sollte es die FPÖ doch noch in die Regierung schaffen. Er sitzt im Finanz- und im Budgetausschuss des blauen Parlamentsklubs, mischt aber auch in den Bereichen Verkehr und Medien mit.
Schiefer, Mitglied der schlagenden Burschenschaft Teutonia, war unter mehreren FPÖ-Ministern im Infrastrukturministerium tätig, später bei den ÖBB u. a. Finanzvorstand und Aufsichtsratspräsident. Sporen als -Sanierer verdiente sich der Betriebswirt bei der ungarischen ÖBB-Tochter MÁV Cargo. Und als Verwerter des Hypo-Alpe-Adria-Vermögens holte er für die Republik um vier Milliarden Euro mehr heraus als gedacht.
Schiefer, derzeit Manager der Spedition Transdanubia und FPÖ-Abgeordneter, verhehlt nicht, dass er sich auch mit der Rolle des Sanierers der Republik in einer Regierung anfreunden könnte. Auch wenn dann weniger Zeit in seinen Domizilen an Traun- und Attersee bliebe.
Mit Andreas Babler könnten die Blauen nicht?
Die FPÖ ist nicht so weit weg von den Positionen alter Sozialdemokraten: Wer keine Leistung fürs Sozialsystem erbringt, hat auch keinen Anspruch. Aber die Damen und Herren, die maßgeblich für die SPÖ verhandeln, haben keine soziale Marktwirtschaft im Kopf, sondern irgendwas in Richtung Staatsmonopolkapitalismus. Wir haben öfter mit dem Gedanken gespielt, auch auf Bundesebene was mit der SPÖ zu machen. Aber als die wirtschaftspolitischen Aussagen von Herrn Babler gekommen sind, war klar, dass das für unsere Wähler nicht akzeptabel ist. Noch stärkeres Umverteilen von Geld, das nicht da ist, geht mit uns nicht.
Das Hauptargument der FPÖ-Wähler war neben der Migration ganz klar die Teuerung und die Erwartung, dass eine Regierung ihnen Wohlstandsverluste abgilt. Da werden Sie liefern müssen …
Ich nehme wahr, dass die Leute sehr wohl trennen zwischen der Frage, wie die in Österreich extrem hohe Teuerung überhaupt passiert ist, und der Frage, wie man die Folgen lindern kann. Den meisten Menschen geht es nicht nur darum, dass sie Förderungen, Gutscheine oder sonst was kriegen wollen. Solche Wünsche gibt es sicher auch, aber ausschlaggebender ist die schwache Inflationspolitik der letzten drei Jahre. Die Regierung hat ihre Sache nicht gut gemacht und dafür die Sammelrechnung bekommen.
Die FPÖ hat im Wahlkampf häufig noch höhere Zuschüsse gefordert. Alles vergessen?
Wir haben uns im Gegensatz zur SPÖ für auf zwei Jahre beschränkte Eingriffe ausgesprochen. Das wäre auch gescheit gewesen, weil unsere Rekordinflation auf die Produktionskosten durchschlug und uns Wettbewerbsnachteile brachte. Zu diesem Hauch von Austro-Keynesianismus bekenne ich mich. Es wurden aber durchaus unterschiedliche wirtschaftsliberale Positionen innerhalb der Partei diskutiert.
Vergangenheitsbewältigung verhalf der FPÖ zu Wahlsiegen. Aber wie jetzt rauskommen aus dem Schlamassel? Braucht es eher ein Spar- oder ein Konjunkturprogramm des Staates?
Es wird jedenfalls nicht von selber besser. Wir werden Hausaufgaben auf allen Ebenen machen müssen. Ich komme aus dem Infrastrukturbereich, glaube jedoch nicht, dass ein Konjunkturprogramm bei Schiene oder Straßen sinnvoll wäre. Impulse müsste man im Hochbau und speziell im Wohnbau setzen. Der Staat wird weiter investieren müssen, wo das die Konjunktur und den Arbeitsmarkt stützt. Und dann gibt’s Bereiche, wo du was wegnehmen kannst. Die Überförderung in Österreich ist ja aus internationalen Vergleichen -abzulesen. Die Einnahmen aus der CO2-Steuer liegen um die 800 Millionen Euro, die Ausgaben für den Klimabonus bei zwei Milliarden. Die Differenz wird mit Krediten finanziert. Ich habe im Budgetausschuss kürzlich gefragt, warum ich einen Klimabonus kriege, und jemand von der SPÖ hat geantwortet: „Weil es im Gesetz steht, Herr Schiefer.“ So viel zur sozialen Treffsicherheit.
Der Klimabonus wird sowieso fallen. Aber Sie haben angeblich eine Aufstellung, wie man fünf Milliarden Euro aus dem Budget holen kann.
Die FPÖ hat ein genaues Bild, was sie tun würde. Im Moment ist es aber nicht unsere Aufgabe, das im Detail kundzutun. Wir haben der ÖVP schon angeboten, zum Beispiel das Thema Bildungskarenz anzugehen. Viele Leute machen da Kurse, die sie nie brauchen werden, und der Staat zahlt. Wir sind auch überzeugt, dass fünf Prozent bei den Ministerienbudgets locker gekürzt werden können. Ich habe all die Jahre keinen getroffen, der aus dem Finanzministerium weinend nach Hause gekommen ist. Alle waren sehr angetan vom Herrn Minister Brunner, weil er ein netter Kerl ist, und sind mit prall gefüllten Taschen aus seinem Ministerium rausgekommen. Aber in jedem Verein ist das Wort „Nein“ vom Säckelwart das Wichtigste. Wie kann ich noch einen Klimabonus auszahlen, wenn ich schon pleite bin? Die Zahlen zeigen, dass weder Corona noch die Energiekosten an der Misere schuld sind, sondern dass überall die Ausgaben explodiert sind.
Das ist nichts Neues …
Nein, Politiker möchten geliebt werden und darum was zum Verteilen haben. Fein, aber es ist halt nichts mehr da. Davon abgesehen sind die Menschen nicht mehr so dumm. Sie wissen, dass es ihr Steuergeld ist, das der Politiker verteilt, und nicht sein Privatvermögen. Das ist der Grund, warum wir jetzt leider die Zurückhaltung bei Investitionen und Konsum spüren.
Die Strategie der jetzigen Regierung war unklug. Aber eine unsachliche, aggressive FPÖ hat sie mit dazu getrieben, das Füllhorn auszuschütten. Man hätte auch verantwortungsbewusster agieren können, oder?
Grundsätzlich neigt die Opposition dazu, einfach die Gegenposition einzunehmen. Und ja, wenn man über die Jahre alle diejenigen einsammelt, die mit der Regierungspolitik nicht zufrieden sind, überflügelt dieser Weg öfter den Pragmatismus. Das ist aber, wohlgemerkt, das Spiel in der Demokratie. Es ist legitim, als Opposition zu schauen, dass du die Stimmen maximierst.
Herbert Kickl will bei seiner Charme-offensive Richtung Wirtschaft plötzlich das Gemeinsame über das Trennende stellen, nachdem er bislang nur destruktiv war. Was ist denn das Angebot an die Unternehmen?
Wir haben ein klares Angebot. Für Hunderttausende Kleinstunternehmen würden wir die Körperschaftsteuer auf 15 Prozent senken. Es braucht da ein Signal, weil sich Unternehmer oft schon überlegen: „Übergebe ich an den Sohn oder die Tochter – oder lasse ich es bleiben?“ Wir wollen die KMU-Struktur und die lokalen Arbeitsplätze aufrechterhalten. Der zweite Punkt ist, den Investitionsfreibetrag beschränkt für die nächsten drei Jahre zu erhöhen, um bei größeren Betrieben den Kapitalabfluss schnell zu stoppen. Außerdem wollen wir eine steuerliche Entlastung für nicht entnommene Gewinne, um die Kapitalstrukturen zu stärken.
Braucht es zusätzliche Einnahmen? Nicht nur für Linke, auch für unverdächtige Wirtschaftsforscher wäre eine Erbschaftssteuer denkbar. Für die FPÖ auch?
Nein. Wenn du diese Türe aufmachst, kommen die anderen Optimierungsschritte nicht. Im Moment schaut es nicht so aus, dass Österreich wieder ein Investitionsstandort wird in Europa. Wenn ich mit Leuten rede, sind die eher alle am Suchen nach Alternativen. Rechtsanwälte sind mit Vermögensverschiebungen ins Ausland ausgelastet. Das liegt hauptsächlich am Kostenthema, aber auch an den Diskussionen über Reichen-, Vermögens- oder Kapitalertragsteuern. Es braucht Botschaften, damit Unternehmer das Geld in Österreich lassen, hier investieren und Jobs schaffen. Die senden wir aus.
Die nachhaltige Sanierung des Standortes erschließt sich aus den genannten Punkten aber noch nicht.
Man wird überall ein bisschen schrauben müssen. Ich halte es für machbar, in den ersten beiden Jahren jeweils drei bis vier Milliarden einzusparen, während die ÖVP noch im September nicht einmal weiß, wie viel Schulden wir genau haben. Als ÖBB-Vorstand hätte ich mich in so einem Fall sofort vertschüssen müssen. Aber die verhandeln alle froh vor sich hin, haben eine Menge Forderung und Ideen – aber keine, um einzusparen. Eigentlich muss man das umgekehrt machen: zuerst den finanziellen Rahmen definieren, dann festlegen, wo das Budget gleich bleibt und wo es weniger wird. Die meisten lustigen Ideen für die nächsten drei Jahre kann man sich so gleich sparen und ist relativ schnell fertig mit dem Verhandeln. Das haben wir in Niederösterreich so gemacht.
Noch einmal gefragt: Wie soll sich das ausgehen, konjunkturfördernde Investitionen, keine Steuererhöhungen und trotzdem Reduzierung der Verschuldung?
Ich bin davon überzeugt, wir könnten die Konsolidierung mit einem ausgeglichenen Budget bis Ende der Legislaturperiode hinkriegen. Die FPÖ hat ein Bild, das wir, falls man uns im Sinne einer Regierungsbeteiligung fragt, gerne teilen werden. Aber meine Kollegen aus der Budgetgruppe sagen immer zu mir: „Arnold, mach nicht die Arbeit der Bundesregierung!“ Und sie haben recht. Ich kann nur sagen, in der Republik wurde noch nie gespart. Es ist immer mehr geworden. Und das muss sich ändern. Wir haben 2017/2018 vieles gestrichen, ohne dass es den großen Aufschrei gab. Ich habe damals zum Beispiel in den ÖBB-Rahmenplan eingegriffen und eine Milliarde fürs Budget geholt. Am Ende des Tages führte es zu einer Aufbruchstimmung. Das ist eine Frage des Wollens.
Aber Sie wollen uns an den Überlegungen nicht teilhaben lassen?
Wir haben im Hintergrund gerechnet. Aber jeden Einschnitt, den ich jetzt als Opposition nenne, kriege ich nachher um die Ohren gehaut. Man müsste überall drüberschauen, und es würde jeden betreffen. Das ist halt Knochenarbeit, für die alle Beteiligten in eine Richtung schauen müssen. Und bei einer Dreierkoalition wird wahrscheinlich immer abwechselnd einer nach hinten schauen. Du brauchst – wie jeder Turnaround-Manager – eine Erzählung: Wo wollen wir hin? Die Erzählung „die Blauen dürfen nicht mitspielen“ ist ein bisschen schwach für die jetzige Situation.
Die Erzählung der FPÖ, dass ohne Migration alles gut wird, ist auch ein Märchen.
Seit Jörg Haider basiert die Erzählungen auf der Unterscheidung der Fleißigen und Anständigen zu jenen, die eigentlich keinen Anspruch haben, weil sie noch nichts eingezahlt haben. Da kann man jetzt das Thema Migration mit reinbringen oder nicht. Ich verstehe, dass diese Position in guten Zeiten immer auch Naserümpfen hervorruft, weil Österreich ein reiches Land ist, das sich hohe Sozialausgaben leisten kann. In der jetzigen Lage haben wir aber das Thema Deattraktivierung des Asylstandorts europaweit. Unser Standpunkt war immer, dass wir mehr Geld für Wichtiges hätten, wenn wir weniger für unnötige Investitionen oder Unterstützung derer, die keinen Anspruch hätten, ausgeben würden. Umschichten war und ist unsere Leitlinie. Der alleinerziehenden Mutter, die nur Teilzeit arbeiten kann, wollen wir logischerweise helfen. Wenn sich jemand aber bewusst entscheidet, nur Teilzeit zu arbeiten, vielleicht weil er eh geerbt hat, wird man die Diskussion führen müssen, ob er dann auch nur einen Teilanspruch auf Sozialleistung hat und dazu 300 Euro Versicherung selber zahlt. Das sind wir nicht gewohnt, weil wir aus einer Vollkasko-Mentalität kommen.
Die FPÖ will die Lohnnebenkosten senken, was den Faktor Arbeit entlastet. Aber woher kommt das Steuergeld, um dann die Ausfälle im Sozialsystem zu kompensieren?
Der erste Schritt beim Faktor Arbeit wäre, es attraktiver zu gestalten, bis 65 Jahre zu arbeiten. Es sollte darum schon ab 61 eine Entlastung -beginnen, damit mehr netto vom Brutto bleibt. Auch die Altersteilzeit gehört angeschaut. Das Zweite ist eine Besserstellung jener, die in der Pension weiterarbeiten. Und bei den Nebenkosten fangen wir jetzt einmal nur bei den Überstunden an, um nicht gleich den Aufschrei der Sozialdemokraten zu haben, dass wir den Sozialstaat gefährden. Beim Basisgehalt würde sich fürs Erste nichts ändern. Aber es ist nicht einzusehen, dass auf Überstunden auch alle Lohnnebenkosten anfallen. Die zustreichen, wäre schon ein Beitrag zu niedrigeren Lohnstückkosten.
Würde die FPÖ der Forderung der Wirtschaft, die Kosten des Sozialsystems generell zu senken, folgen?
Aus meiner Warte könnte man fünf bis zehn Prozent abschichten, um die Kosten stabil zu halten – allerdings nur schrittweise. Wir wollen nicht den Totengräber der sozialen Marktwirtschaft spielen. Aber passieren muss was, sonst kollabiert das System. Man wird überall, wo Steuergeld im Spiel ist, auch Leute einsetzen müssen, die genau darauf achten und nicht noch schnell was ausgeben. Vielleicht mit Anreizen, das richtige Mindset zu entwickeln.
Die Industrie wünscht sich in den nächsten Jahren unterdurchschnittliche Lohnsteigerungen – bis hin zur Bindung der Lohnabschlüsse ans BIP anstatt an die Inflation. Mit der FPÖ wohl nicht machbar?
Es gibt viele Hebel, um Unternehmen zu helfen: Eingriffe und Abfederung bei den Energiekosten, die Transportkosten, die ausufernde Bürokratie oder eben die Lohnnebenkosten. Auch der Zugang zu Kapital spielt eine Rolle bei Standortentscheidungen. In Bezug auf die Tarifabschlüsse wären wir sehr vorsichtig. Ja, es werden in den nächsten drei bis fünf Jahren ausnahmslos alle einen Beitrag leisten müssen. Aber ich bringe keine Nulllohnrunde ins Spiel, ohne zu wissen, was der Beitrag der anderen ist. Warum soll ich als Opposition die Leute narrisch machen? Wir haben eine Landkarte mit Hunderten Maßnahmen, die wir herausholen, wenn wir sie auch umsetzen können. Momentan sind wir nicht „in charge“, den Turnaround-Plan für Österreich vorzulegen.
Verfolgt die FPÖ beim Heben von Sparpotenzialen nicht zumindest zwei sehr bedenkliche Wege? Sobald es was kostet, ignoriert sie lieber die Klimawende und die Gefahr, die von Wladimir Putin ausgeht.
Wo Neutralität aufhört und ab wann eine Handelsbeziehung unmoralisch wird, sind Fragen, die kann man ernsthaft diskutieren. Die Parteilinie ist, sich neutral zu verhalten und – ja – auch die Vorteile daraus für die eigene Bevölkerung zu lukrieren. Die FPÖ ist da aber in sich nicht geschlossen. Ich bin der Meinung, dass man gegen das Verhalten Russlands auftreten und Kante zeigen muss. Zweiter Punkt: Wenn dann zu einem ungünstigen Zeitpunkt mit gestiegenen Energiepreisen noch die ökologische Transformation beschleunigt wird, führt das zu Überforderung. Alles gleichzeitig und möglichst schnell – das funktioniert nicht. Mir ist Klimaschutz wichtig, und als Manager bin ich auch für ambitionierte Ziele. Europa hat ethisch richtig entschieden, aber überschätzt, was wir uns überhaupt zutrauen können. Wir müssen Geschwindigkeit rausnehmen, es macht keinen Sinn, alle Menschen zu verlieren. Da rede ich noch gar nicht von der Migration. Wir können schlicht nicht alle Packerl gleichzeitig rauftragen. Wenn der Wohlstand in Gefahr gerät, ist halt oft das Hemd näher als der Rock.
Wie geht es bei Ihnen weiter? Bleiben Sie vorderhand für die Spedition Transdanubia tätig?
Ja, aber ich habe die Geschäftsführung in Österreich zurückgelegt, um meine Arbeit als Nationalratsabgeordneter tun zu können. Bei Transdanubia kümmere ich mich – für ein gekürztes Gehalt – hauptsächlich um die internationale Geschäftsentwicklung und um wichtige Kunden. Ob und wie der Zeitaufwand für die Politik noch steigt, wird sich weisen.
Das Interview ist in der trend.PREMIUM Ausgabe vom 6. Dezember 2024 erschienen.
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