
Gastkommentar: Warum jetzt der Zeitpunkt ist, um Österreich als Standort für internationale Unternehmenszentralen zu stärken, meinen Universitätsprofessor Philipp Nell und der Experte für strategische Unternehmenstransformation Vladimir Preveden.
Österreich hat in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Ansiedelung internationaler Unternehmenszentralen vorgewiesen. Laut unserer Studie im Rahmen des „Headquarters in Austria“ (HiA) Forschungsprojekts und der eXplore! Initiative, die wir gemeinsam mit der Austrian Business Agency, der Wirtschaftsagentur Wien und der Oesterreichischen Nationalbank durchgeführt haben, beherbergte Österreich im Jahr 2023 bei kontinuierlich positiver Dynamik insgesamt 412 internationale Headquarters auf.
Traditionell überzeugte Österreich als Standort für Unternehmenszentralen durch seine zentrale geographische Lage im Herzen Europas, die es ermöglicht, sowohl west- als auch osteuropäische Märkte effizient zu bedienen. Hinzu kam die gelebte Sprachenvielfalt, kulturelle Sensibilität sowie die politische Stabilität, eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur und eine hohe Lebensqualität.
Dauerherausforderung sind allerdings die vergleichsweise hohen Kosten, vor allem die international am oberen Ende angesiedelte Steuern- und Abgabenquote, die laut OECD im Jahr 2023 bei 47,2 % der Arbeitskosten liegt (die dritthöchste der untersuchten OECD-Länder und um knapp ein Drittel höher als der OECD-Durchschnitt), die hohe Bürokratie und die Möglichkeit, talentierte internationale Expert*innen unbürokratisch anzuwerben und einzustellen.
Aktuell werden die Rahmenbedingungen für Unternehmen durch einige wesentliche Entwicklungen im internationalen Umfeld weiter geformt. Diese sind die Folgenden:
Die bestehende Weltordnung sortiert sich durch die Zickzack-Politik der USA neu und erzeugt auch durch die Bezollungen neue Wirtschaftsrealitäten. Zudem sorgt sie für Unsicherheiten und Turbulenzen auf den globalen Märkten.
Die Herausforderungen durch große Paradigmenwechsel in Bezug auf die sich entfaltenden Möglichkeiten der KI als auch der immer eindringlicher bemerkbare Wandel in Klima und Gesellschaft entfalten sich mit gefühlt immer schneller werdender Dynamik.
Und letztlich dürfen wir nicht leugnen, dass die anhaltende Rezession in Deutschland und Österreich noch keine Trendwende erkennen lässt und dadurch unsere starke Industrie bedroht sowie die unternehmerischen Spielräume einschränkt. Diese Problematik hat jüngst IV-Generalsekretär Christoph Neumayer aufgegriffen und hervorgehoben, wie wichtig es für Österreich ist, dass Unternehmen ihre Zentrale hier ansiedeln.
Europa, welches laut dem im September 2024 veröffentlichten Draghi-Berichts zur EU-Wettbewerbsfähigkeit zu den drei stärksten globalen Wirtschaftsräumen zählt, wenn auch im Vergleich zu den USA und zu China mit schwächelnder Dynamik, erlebt ein Erwachen hin in Richtung strategischen Denkens und wirtschaftlicher Autarkie. Das ist gut so und längst überfällig. Das ist nun aber auch der richtige Zeitpunkt, um sich auf alte Stärken Österreichs als Wirtschaftsstandort (vor allem für Unternehmenszentralen) zu besinnen und diese weiter zu stärken, während gleichzeitig die Hindernisse systematisch aus dem Weg geräumt werden.
Erfreulich ist, dass im neuen Regierungsprogramm einige dieser Themen proaktiv angekündigt werden und dies die Standortattraktivität von Österreich für Unternehmenszentralen langfristig verbessern könnte. So hat sich die neue Regierung u.a. folgendes vorgenommen:
aktive Standortpolitik zur Erhaltung, Erweiterung und Neuansiedlung von Unternehmen und Unternehmenszentralen
zentrale Anlaufstelle für Entbürokratisierung im Staatssekretariat des Außenministeriums
Erleichterung des Zugangs für internationale Fachkräfte durch Digitalisierung und Vereinfachung des RWR-Kartenverfahrens
Schaffung eines Venture- und Private-Equity Hubs, um internationale Investorennach Österreich zu holen
Einführung von „Reallaboren“ und Sandbox-Modellen zur Erprobung neuer Technologien in einem geschützten rechtlichen Rahmen
Die veränderte geopolitische Situation erfordert ein stärkeres und unabhängigeres Europa mit einem weiter gestärkten Binnenmarkt. Dies stellt eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Österreich als Brücke zwischen West- und Osteuropa dar und es gilt nun, diese Chance auch proaktiv zu ergreifen und die dafür notwendigen Grundlagen zu gestalten.
Durch die zentrale geografische Lage und die traditionelle Funktion als Hub für Zentral- und Osteuropa (CEE) kann der Wirtschaftsstandort Österreich von der verstärkten europäischen Integration und dem Streben nach Autarkie profitieren. Auf diese Weise kann es gelingen, Österreich als Standort für internationale Headquarters zu stärken.
Zu den Personen
Prof. Dr. Phillip C. Nell, Universitätsprofessor, Leiter des Institutes für International Business (Team Nell), sowie Leiter des Forschungsprojektes Headquarters in Austria (HiA).
Dr. Vladimir Preveden, Experte für strategische Unternehmenstransformation, Senior Associate (Teilzeit) beim Institut für International Business (Team Nell) und des Forschungsprojektes Headquarters in Austria (HiA), sowie Autor.
Über HiA
Das Forschungsprojekt „Headquarters in Austria“ (HiA) ist ein „Dachprojekt“ für verschiedene Projekte und Aktivitäten, die alle das Ziel haben, die Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Organisationen und vor allem ihrer Unternehmenszentralen zu unterstützen, als auch dazu beizutragen, dass Österreich ein attraktiver Standort für Unternehmenszentralen bleibt. Die Aussprache des Akronyms HiA erinnert an das englische Wort „here“ und betont den Fokus des Forschungsprojekts auf den HQ-Standort Österreich. Das HiA-Forschungsprojekt wurde 2021 ins Leben gerufen und hat seinen Ursprung in einer Zusammenarbeit mit eXplore! als Finanzierungspartner und der WU Wien.