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EZB: Geldwächter auf Abwegen

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Angelika Kramer

©Elke Mayr
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Geht es nach Frankreichs Präsident Macron, soll die EZB weitere Aufgaben übertragen bekommen. Das sieht aber nicht jeder so.

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Wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine seiner Grundsatzreden hält, bleibt meist kein Auge trocken. Mit viel Pathos – „Europa könnte sterben“ – schwört er die Europäer auf harte Zeiten und mehr Zusammenhalt ein. So auch vor wenigen Tagen an der renommierten Sorbonne-Universität in Paris.

Macron ist ohne Zweifel ein Meister des gesprochenen Worts. Anders als sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz etwa gelingt es ihm oft, die Massen mit seinen Reden zu bewegen. Ob die darin vorgetragenen Ideen auch mehrheitsfähig sind, steht aber auf einem anderen Blatt.

So regte Macron zuletzt an, die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) zu stärken, sie also nicht bloß mit Bekämpfung der Inflation zu beauftragen, sondern ihr auch die Verantwortung für das Wirtschaftswachstum und die Dekarbonisierung der Wirtschaft umzuhängen. Konkret sollen entsprechende Ziele in den Handlungsrahmen der EZB aufgenommen werden, schwebt dem französischen Präsidenten vor.

Die Reaktionen darauf ließen nicht lange auf sich warten: Die EZB tue gut daran, sich an ihre Kernkompetenzen zu halten und sich nicht nur auf andere Projekte zu fokussieren, meinte etwa der österreichische Finanzminister Magnus Brunner.

Als eines dieser unliebsamen Projekte nannte er etwa den digitalen Euro. Auch ein deutscher Regierungssprecher lehnte die Ideen des Franzosen höflich, aber bestimmt ab.

Brauchen wir mehr oder weniger EZB?

Brauchen wir also mehr EZB wie von Macron gewünscht oder eher weniger, wie Brunners Aussagen vermuten lassen? Am 6. Juni kommt der Rat der EZB unter dem Vorsitz von Präsidentin Christine Lagarde wieder einmal zusammen, um über die Leitzinsen zu entscheiden.

Aktuell sieht es so aus, als würden die Geldwächter die Zinsen zum ersten Mal seit 2016 senken. Ein erster Schritt Richtung Normalität sei das, sagen viele Analysten. Denn in der europäischen Zinslandschaft sei in den letzten Jahren viel nicht normal – andere meinen unrund – gelaufen. Zu lange habe die Zentralbank mit Zinserhöhungen zugewartet, dafür habe sie dann viel zu schnell und zu oft angehoben, lautet eine häufig gehörte Kritik.

Die enorme Inflation im Euro-Raum sei also von Lagarde und den Ihren mitverursacht beziehungsweise befeuert worden. Mit all den unangenehmen Nebeneffekten für die Bürger Europas und einem nach wie vor stark hinter den USA herhinkenden Wirtschaftswachstum, wo die dortige Notenbank Fed im übrigen deutlich rascher auf die Inflation reagiert hat.

Böse Zungen behaupten, es wäre gar nicht vonnöten, dass die EZB eigens festgesetzte Wachstumsziele überwache, wenn sie ihre eigentliche Arbeit stattdessen besser machte.

Der Fairness halber sei erwähnt, dass in manchen Ländern des Euro-Raums wie etwa in Österreich das Thema Inflation auch nicht besonders geschickt behandelt wurde, aber ein Schönheitspreis gebührt der EZB sicher nicht für ihre ureigenste Aufgabe. Mit Recht kommen also Zweifel auf, ob man einer ohnehin scheinbar überforderten Zentralbank noch mehr aufhalsen sollte.

Apropos Schönheitspreis: Bis heute ist – sogar manchem Notenbanker – unklar, wieso Europa unbedingt einen digitalen Euro braucht. Das Lieblingsprojekt von Madame Lagarde scheint der EZB zwar letztlich mehr Macht, dem Bürger aber wenig konkreten Nutzen zu bringen.

Das Zögern der Finanzaufsicht

Auch die europäische Bankenaufsicht, eine Aufgabe, die der EZB 2014 übertragen wurde, hat sich, durch eine österreichische Brille betrachtet, nicht mit Ruhm bekleckert. 2023, als das Immobilienreich der Signa bereits schwer im Wanken war, haben sich die Aufseher nach entsprechenden Krediten der Banken an das Unternehmen erkundigt und diesen auf die Finger geklopft. Was wohl letztlich auch den Todesstoß für die Signa bedeutete.

Auch hier war die Aufsicht wohl zu zögerlich. Wieso konnte denn die Signa in einigen Ländern Europas überhaupt so groß werden? Wo war die europäische Finanzaufsicht da?

Schließlich sei noch erwähnt, dass die EZB ohnehin bereits das Klima auf ihrer Agenda hat und etwa Banken, die zu wenig für das Klima tun, mit Strafen droht. Hier hat die Aufsicht wohl ein Glaubwürdigkeitsproblem, hat sie doch bei ihren eigenen Anleihekäufen um fossile Titel nicht gerade einen großen Bogen gemacht.

Der Track Record der EZB speziell unter Christine Lagarde stützt also eher Brunners als Macrons Meinung, dass die Zentralbank lieber nicht noch mehr Aufgaben erhalten sollte.

Der Artikel ist ursprünglich als Leitartikel in der trend. PREMIUM vom 10. Mai 2024 erschienen.
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