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Grüner „Schatten-Kanzler“ will aufdrehen [Politik Backstage]

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Grüner "Schatten-Kanzler" will aufdrehen (Politik Backstage)

Und Action. Werner Kogler hat intern klargestellt, dass er nicht an Leonore Gewessler übergeben, sondern wieder antreten will.

©Elke Mayr
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Werner Kogler ist als ÖVP-Achsenpartner wohlgelitten, agiert aber oft unterm Radarschirm. Nach mehreren grünen Wahlschlappen will er sich nun mehr inszenieren – als Probegalopp für den Wahlkampf 2024. Denn der Grünen-Chef denkt noch lange nicht ans Aufhören.

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Der Chef ist verreist, krank oder anderweitig verhindert. Heute darf oder muss der Stellvertreter ran. In Unternehmen, aber auch in der Politik gibt es dafür zwei Muster:

  • Hoppla, jetzt komm ich und kann endlich allen zeigen, was ich drauf habe.

  • Nur keine Wellen, Hauptsache der Laden läuft weiter rund.

Die wöchentliche Ministerratssitzung gehört zu den unerlässlichen Terminen des Regierens und eignet sich perfekt als Bühne für die mediale Inszenierung. Werner Kogler muss immer wieder für Karl Nehammer als Vertreter des Regierungschefs am Ministerratstisch einspringen. Zuletzt sogar gehäuft wegen Wahlkampfauftritten des ÖVP-Chefs und Auslandsreisen.

Werner Kogler überrascht seine Kollegen in der „Plötzlich Chef“-Rolle regelmäßig gleich mehrfach. Die Meetings laufen wider Erwarten genauso zügig wie gewohnt ab. Kogler, der bei öffentlichen Auftritten nicht zur Kürze neigt, spult die Tagesordnung ohne persönliche Begleitmusik ab. Und: Der Grünen-Chef ist bislang nie der Versuchung erlegen, das Führungsvakuum für Medienauftritte zu nutzen.

Trotz Dreifach-Job oft wochenlang abgetaucht

Der Umgang steht prototypisch dafür wie Kogler seinen Dreifachjob als Vizekanzler, Minister für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport und Bundessprecher der Grünen anlegt.

Der zweite Mann in der Regierung segelt öffentlich oft wochenlang unter dem Radarschirm. Nur beim Sport lebt Kogler seine Leidenschaft für den Fußball bisweilen breiter wahrnehmbar aus. Die Kulturagenden im Ressort führt allein seine Staatssekretärin Andrea Mayer. „Sie ist Kulturministerin“, gestand er jüngst offenherzig ein. Er leiste nur die notwendigen Unterschriften.

Belastbare Achse mit Nehammer

Die generelle Nachrede über den Ober-Grünen kommt so auch bei den Schwarz-Türkisen weitgehend ohne negative Emotionen aus: „Er kommt mit seiner pragmatischen und unaufgeregten Art bei uns mit allen gut aus. Die Achse mit Karl Nehammer ist genauso belastbar wie die zwischen Gust Wöginger und Sigi Maurer.“

Kogler mischt bei der Kompromisssuche im Regierungsalltag weitaus stärker mit, als nach außen hin sichtbar wird. Auch weil er diese Rolle nicht an die große Glocke hängt. Ein teilnehmender Beobachter beschreibt Koglers regierungsinternes Gewicht gar mit der Vokabel „Schattenkanzler“, weil der gelernte Volkswirt vor allem auch in Wirtschafts- und Finanzagenden unauffällig, aber spielentscheidend mitwirkt.

Die politischen Stolpersteine der ökosozialen Steuerreform räumte er mit Exfinanzminister Gernot Blümel ohne störende Nebengeräusche aus. Als Umweltministerin Leonore Gewessler immer mehr unter Feuer der ÖVP-Wirtschaftsvertreter kam, stellte Kogler in diskreten Gesprächen die Beziehungen zur Wirtschaftslobby wieder auf tragfähigere Beine.

Koglers gute Gesprächsbasis zu Gernot Blümel hielt auch den Belastungen durch die erste spektakuläre Hausdurchsuchung bei einem Finanzminister durch die unter Aufsicht einer grünen Ministerin stehende Justiz stand.

Mit Ausweitung der Verdachtslage in der Inseraten-Korruptions-Affäre auf Sebastian Kurz und sein engstes Umfeld änderte sich die türkis-grüne Familienaufstellung zur Verblüffung der Türkisen im Regierungsviertel über Nacht aber total. Kogler verweigerte mit Rückendeckung einiger ÖVP-Landeshauptleute erfolgreich die weitere Zusammenarbeit mit Sebastian Kurz und zwang der Kanzlerpartei in Sachen Sauberkeit seine Spielregeln auf.

Das sorgte über Monate auf allen Ebenen für schwere Irritationen, zumal die Grünen auch den Wünschen der ÖVP nicht nachkamen, im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss vom Gas zu steigen. Das offene Misstrauen ist inzwischen wieder von der Routine des Regierungsalltags überlagert.

Abwahl-Trauma bremst Streitlust

Das wird im grünen Lager nicht überall nur wohlwollend registriert. Die Grünen haben in Umfragen gegenüber dem Wahlergebnis 2019 von knapp 14 Prozent in Umfragen knapp ein Drittel der Stimmen eingebüßt. Angesichts des noch größeren Vertrauensverlusts bei der Kanzler-Partei löst das bis vor Kurzem weder extern noch intern nachhaltige Debatten aus. Bei den Grünen überdeckte das Trauma, wegen offenen grünen Streits 2017 aus dem Parlament geflogen zu sein, lange vieles.

Kogler hatte die konkursreife Partei binnen zwei Jahren in einer One-Man-Show nicht nur finanziell, sondern auch politisch saniert. Von diesem politischen Lebensretter-Image zehrt der 61-Jährige Grün-intern noch heute. Fernab des Regierungsviertels kommt bei grünen Länderfunktionären angesichts mehrerer Wahlschlappen zunehmend Sorge, da und dort auch Unmut über den „türkis-grünem Kuschelkurs“ (so ein Länder-Grüner) auf. Bei der Nationalratswahl 2019 fuhren die Grünen selbst auf dem schwierigen Kärntner Pflaster fast zehn Prozent der Stimmen ein.

Vergangenen Sonntag scheiterten sie mit nicht einmal mehr der Hälfte am Einzug in den Landtag. Nun fürchten auch immer mehr grüne Parlamentarier um ihr Mandat. „Es geht bereits spürbar sehr viel Energie in die Absicherung eines guten Listenplatzes für die Wahl 2024“, registriert ein grüner Insider.

Das Comeback von Gerald Fleischmann als Mastermind der ÖVP-Message-Control verstärkte grün-intern zuletzt da und dort die Nervosität. Dessen Versuch, Nehammer nicht nur als Flüchtlingsroutenschließer, sondern auch mit einer „Rede zur Zukunft der Nation“ Freitag dieser Woche (nach Redaktionsschluss) stärker zu inszenieren, ließen die Rufe nach einer Gegenoffensive Grün-intern immer lauter werden. Werner Kogler und vor allem Klubobfrau Sigi Maurer sind peinlich darauf bedacht, nicht den Eindruck von Parallelwelten aufkommen lassen: hier grüne Spitzen, dort grüne Basis.

Wir müssen die Grünen-Story wieder breiter erzählen.

Eine nach außen hin sichtbare Parteiarbeit gibt es daher nicht einmal in Spurenelementen. Die spärlichen Presseaussendungen der nur eingefleischten Grünen geläufigen grünen Bundesgeschäftsführerin Angela Stoytchev beschränken sich seit Einzug in die Regierung ausschließlich auf Grußadressen und Gratulationen für Funktionäre. Die intern immer öfter als großes Manko beklagte mangelnde Selbstdarstellung will sicherheitshalber nun der grüne Vizekanzler und Parteichef selber in die Hand nehmen.

Offensive nach Salzburg-Wahl

Nach Abschluss der Landtagswahlrunde am 23. April in Salzburg soll nun Werner Kogler aus seiner Rolle als Schattenkanzler schlüpfen und eine grüne Selbstdarstellungs-Offensive in den Bundesländern starten. „Wir müssen die Grünen-Story wieder breiter erzählen“, sagt ein grüner Regierungsmann. Die Tour könnte so auch zur Generalprobe für den nächsten Wahlkampf werden.

Denn eines hat Werner Kogler intern längst klargestellt. Entgegen hartnäckiger Gerüchte, Leonore Gewessler werde zur Grünen-Chefin und Spitzenkandidatin aufsteigen, ist Kogler wild entschlossen, den Job noch einmal selber zu übernehmen. „Für mich ist das klar, dass ich weitermache“, ließ er jüngst intern wissen: „Wir werden aber auch im Wahlkampf weiter zweigleisig fahren: das Ganze in der Regierung im Auge haben, aber auch die eine und andere Nuance setzen.“

Dass es, wenn Kogler wieder einmal in Fahrt ist, nicht bei „einer Nuance“ zur Profilschärfung in der Regierung bleibt, bewies er jüngst mehrmals im Parlament. Als FPÖ-Mandatare die auch Grün-intern umstrittenen „Klimakleber“ als „Klimaterroristen“ attackierte, rückte Kogler zu einer Wutrede aus. Auch wenn er selbst größte Bedenken bei manchen Aktionsformen habe und die Beschädigung von Kunstwerken ablehne: „Junge Leute, die sich Sorgen um die Zukunft machen, als Terroristen zu bezeichnen, gehört zum Schäbigsten, was ich hier jemals gehört habe.“

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 10. März 2023 entnommen.

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