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Ökonom House zur US-Wahl: „Der Ausblick für die USA ist robust“

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10 min

 Die vorgeschlagenen ­Maßnahmen von Donald Trump würden das US-Defizit auf fünf Billionen Dollar erhöhen, jene von Kamala Harris machen ein Fünftel von Trumps Plänen aus. 

©Getty Images
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Brett House, Ökonom an der Columbia Business School, im trend-Interview: warum Donald Trump der Weltwirtschaft mehr schaden als nützen würde, wie Kamala Harris die US-Tech-Giganten an die Kandare nehmen will. Und warum Europa in Sachen Russland-Sanktionen nun im Visier der USA steht.

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Kamala Harris und Donald Trump sind in vielen Bereichen totale Antipoden. Was sind ihre Hauptunterschiede in Sachen Wirtschaftspolitik?

Brett House

Donald Trump will ­einen umfassenden Handelskrieg gegen Importe. Das könnte neue Zölle von zehn bis 20 Prozent auf alle Waren ­bedeuten. Gleichzeitig würde die Kombination aus Steuersenkungen und neuen Ausgaben, die Trump vorgeschlagen hat, zu einer enormen Ausweitung des US-Bundesdefizits führen. Schätzungen zufolge würde dieses auf über fünf Billionen Dollar ansteigen. Kamala Harris würde die bestehenden Zölle gegen ­China und einige andere Handelspartner zwar wohl nicht zurücknehmen. Sie wird aber bestehende Handelsabkommen nicht kündigen oder willkürlich massive Zölle verhängen, die den amerikanischen Haushalten sowie Unternehmen schaden und das globale Wachstum stark beeinträchtigen würden. Die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen auf der Steuer- und Ausgabenseite ­würden zwar auch das US-Bundesdefizit erhöhen. Aber die Ausweitung des Defizits, die durch Harris’ Maßnahmen verursacht würde, dürfte etwa ein Fünftel dessen ausmachen, was Trumps Pläne auslösen könnten.

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Europäische Experten erwarten, dass Harris die Steuern auf Unternehmens­gewinne von 20 auf etwa 28 Prozent ­anheben werde. Ist so eine deutliche Steuererhöhung realistisch?

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Ich erwarte, dass Harris mit neuen Steuermaßnahmen vor allem sicherstellen will, dass US-Unternehmen nicht ihren Sitz in ein anderes Land verlagern können, um etwa Unterschiede in den Steuersätzen zwischen den USA und Europa auszunutzen. Das zielt beispielsweise auf jene großen US-Unternehmen, die ihren Hauptsitz nach Irland verlegt haben, das sehr niedrige Unternehmenssteuersätze hat. Dies verlagert Unternehmensgewinne und die damit verbundenen Steuereinnahmen massiv aus den USA und ­gefährdet das gesamte Steuersystem der USA, weil es das Gleichgewicht der ­Steuerlast zwischen Unternehmen und Privatpersonen durcheinanderbringt.

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Brett House ist Professor an der ­Columbia Business School mit Schwerpunkt internationale Finanzen und Handel. Twitter/X: @BrettEHouse. LinkedIn: BrettEHouse.

 © beigestellt
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Erwarten Sie unter Harris auch eine strengere Kontrolle von Kartellen, Übernahmen und Fusionen, vor allem bei den Tech-Giganten?

Brett House

Harris hat bereits deutlich gemacht, dass in einigen Teilen der Wirtschaft der Wettbewerb fehlt, was zu unlauterem Verhalten, oligopolistischen und monopolistischen Profiten und Preisstrukturen führt, die für Verbraucher und kleine Unternehmen nachteilig sind. Sie wird das als Juristin aber auf eine überlegte Weise tun und innerhalb des bereits starken prowettbewerblichen Regulierungsrahmens halten. Trumps Vorschläge sind auch hier sehr widersprüchlich und schwer in den rechtlichen Strukturen der USA umsetzbar. 

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Tech-Milliardär Elon Musk zeigt sich im Wahlkampffinale besonders auffällig und oft an der Seite von Donald Trump. Wie nachhaltig ist diese Beziehung für die Tech-Unternehmen?

Brett House

 Die Senkung der Steuern oder das Beibehalten niedriger Steuersätze sind nicht das wichtigste Thema für die Lebensfähigkeit von Tech-Unternehmen. Sie brauchen ein generell konsistentes regulatorisches Umfeld, ein intaktes Rechtsregime für geistiges ­Eigentum und ein Handelsregime, das stabil ist. Diese Freundschaft zwischen Musk und Trump ist aber aus einem ­anderen Grund bemerkenswert: Elon Musks Unternehmen, insbesondere ­Starlink und SpaceX, sind zu einem der größten, wenn nicht sogar dem größten Vertragspartner geworden, der Dienstleistungen an die US-Regierung verkauft. Eine solche Beziehung sollte daher wegen möglichen Interessenkonflikten unter Beobachtung stehen. 

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In seinem neuen Buch „War“ enthüllt US-Starjournalist Bob Woodward, dass Trump auch nach seiner Präsidentschaft an den US-Institutionen vorbei freundschaftliche Kontakte zu Wladimir Putin gepflegt hat. Welche Konsequenzen sind in Sachen Russland zu erwarten, falls Trump wiedergewählt wird?

Brett House

Ich erwarte unter einer Harris-Regierung eine ­Fortsetzung der Bemühungen um eine ­gerechte Lösung für die Ukraine und damit eine Betonung der Integrität des Völkerrechts und internationaler Institutionen. Trump hat gesagt, dass er den Krieg in der Ukraine sofort beenden würde. Die einzige Schluss­folgerung, die man ­daraus ziehen kann, ist, dass er die Ukraine zu einer Kapitulation zwingen würde, indem er die Unterstützung einstellt. Das wäre meiner Meinung nach ein schreckliches Ergebnis für die Wirtschaft in Europa, den USA und weltweit. Es würde bedeuten, dass internationale Normen, Gesetze, Regeln und Verhaltensweisen von den USA nicht mehr respektiert werden. Dies würde eine weitaus unberechenbarere Welt schaffen, in der es schwieriger ist, in ­Unternehmen zu investieren und Wachstum zu fördern. 

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Welche Auswirkungen hätte eine 180-Grad-Wende der US-Politik im Russlandkrieg gegen die Ukraine für ­Europa?

Brett House

Europa müsste sich dann genau überlegen, ob und wie es die Ukraine ­weiter unterstützt. Europa müsste dabei auch seine bisherige Rolle bei der militärischen und politischen Unterstützung der Ukraine sorgsam reflektieren. Denn genau gesehen hat Europa bei der Umsetzung der Handelssanktionen gegen Russland einen schrecklichen Job gemacht. Der US-Thinktank Brookings hat sehr ­genau aufgezeigt, wie Exporte aus Europa via Zentralasien und andere Drittländer nach Russland gelangt sind. Dies impliziert, dass es einen sehr nachlässigen Ansatz gegeben hat, der es ermöglicht hat, die Sanktionen zu untergraben. Denn die Zahlen sind unglaublich eindeutig und implizieren, dass die Sanktionen in keiner Weise durchgesetzt wurden, um das ­Putin-Regime wesentlich zu schädigen oder es zu Verhandlungen zu drängen.

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Glauben Sie, dass die US-Politik unter ­einer Präsidentin Kamala Harris stärker darauf drängen wird, diese Hintertüren bei den Sanktionen ­gegen Russland zu schließen? 

Brett House

Ich hoffe, dass Europa seine Sanktionen ohne Druck von den USA effektiver durchsetzen wird. Es sollte nicht von einem Drittstaat außerhalb Europas kommen, um die Lieferungen von Waren und Dienstleistungen nach Russland zu unterbinden. Ich hoffe, dass europäische Wirtschaftsführer hier die Führung übernehmen, ohne dass Druck aus den USA nötig ist.

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Europa steht derzeit aber vor dem ­Problem, dass die Wirtschaft insgesamt massiv schwächelt. Wie wird sich die ­US-Wirtschaft in den nächsten Jahren entwickeln?

Brett House

Die US-Wirtschaft hat sich verglichen mit den G7-Staaten und auch allen OECD-Staaten zuletzt am robustesten entwickelt. Das liegt zum Teil an den enormen Ausgaben der US-Regierung. Es wurde auch durch starke Zuwanderung in die USA unterstützt, ­ungeachtet der Bedenken, die Kandidat Trump äußert, dass Einwanderer die USA untergraben. Tatsächlich waren sie in den letzten Jahren eine Quelle für ­großes Wachstum. Wir haben auch einen Anstieg der Investitionen in die Indus­trie gesehen, zusammen mit einem sehr robusten Arbeitsmarkt, der nur geringfügig abgekühlt ist. So gesehen ist auch der Ausblick für die USA in den nächsten Jahren stark und robust. Vieles wird jedoch von der neuen Regierung im ­Weißen Haus abhängen. Dieser robuste Ausblick ist viel unklarer, wenn Trump die Präsidentschaft im November gewinnt, hauptsächlich aufgrund der ­drohenden Gefahr eines massiven Handelskriegs, den er angekündigt hat. Wir wissen, was in den frühen 1900er-Jahren passiert ist, als die USA Zölle in dieser Größenordnung eingeführt haben. Es wäre schlecht für die Verbraucher, die Unternehmen und das Wirtschaftswachstum der USA. Durch Trumps Zölle würde auch der Fortschritt bei der ­Senkung der Inflation, den wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, ­wieder rückgängig gemacht werden.

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Auch wenn Sie Ökonom und kein Wahrsager sind: Wer wird die US-Wahl eher gewinnen?

Brett House

Was ich sagen kann, ist, dass normalerweise in US-weiten Umfragen die Demokraten vier oder fünf Prozentpunkte vorne liegen müssen, damit sich das in einem Sieg niederschlägt, wenn man die Stimmen des Wahlkollegiums zusammenzählt. Das schien in den letzten Wochen zunehmend gegeben. Die großen Unbekannten sind und bleiben die Wahlbeteiligung und die Auswirkung der sehr unterschiedlichen Methoden, mit denen die Wahlen in den einzelnen Bundesstaaten durchgeführt und ausgewertet werden. Hier gibt es viele Einflüsse, die sich bis zuletzt auf das Gesamtergebnis auswirken können. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den US-Präsidentschaftswahlen nach wie vor um 50 gleichzeitig stattfindende Wahlen handelt.

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