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AMS-Chef Johannes Kopf: "Österreich kann mehr"

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Johannes Kopf, Vorstandsvorsitzender AMS

©Tanja Hofer
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"Kompromisse sind der Schlüssel für die Lösung schwieriger Probleme", betont Johannes Kopf, Vorstandschef des Arbeitsmarktservice AMS und plädiert für mehr Zusammenarbeit.

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Als Folge der stark steigenden Flüchtlingszahlen wurde 2016 die 2010 österreichweit vereinheitlichte Mindestsicherung zwischen Bund und Ländern neu verhandelt. Oberösterreich, erstmals mit einer FPÖ-Regierungsbeteiligung, plante ein Abgehen von der bundesweiten Regelung und kündigte eine Deckelung für geflüchtete Familien an. Nach monatelangem vorwiegend öffentlichem Diskurs fanden schließlich doch noch Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP statt.

Es war die Zeit, in der Sebastian Kurz von Integrationspflicht sprach und von Burkaverbot, Ein-Euro-Jobs und fünf Jahre Wartefrist für volle Sozialleistungen forderte. Als die Gespräche im Herbst 2016 ins Stocken kamen, übermittelte ich vertraulich mehrere Kompromissvorschläge an die Verhandler. Einheitliche Sozialleistungen waren und sind für eine möglichst gleichmäßige Verteilung der neu zu Integrierenden in Österreich, aber auch für die überregionale Vermittlung des AMS sehr wichtig.

Es dauerte ein wenig, bis ich erkannte, dass es – meiner Wahrnehmung nach – überhaupt keinen Wunsch mehr nach einer Einigung gab. Zu gut war das Thema geeignet, sich öffentlich zu differenzieren und den politischen Mitbewerber einer falschen Politik zu bezichtigen.

Ohne Bereitschaft zu Kompromissen sind keine Fortschritte möglich.

Johannes KopfJurist und AMS-Chef

Bis heute gibt es keine einheitliche Sozialhilfe, obwohl beide Anliegen – die Armutsbekämpfung wie auch das Aufrechterhalten von Arbeitsanreizen – dringend Lösungen erfordern. Beim AMS betreuen wir aktuell rund 2.500 arbeitslose Geflüchtete in Oberösterreich, ein paar Hundert in Salzburg oder Kärnten, aber mehr als 32.000 in Wien. Und bis heute eignet sich das Thema hervorragend für politischen Streit. Die fast schon berühmten 4.600 Euro Mindestsicherung für eine neunköpfige geflüchtete Familie in Wien waren das bisher größte Wahlkampf-Aufreger-Thema.

Ohne Bereitschaft zu Kompromissen sind aber keine Fortschritte möglich. Die österreichische Verfassung sieht ein Verhältnis- und kein Mehrheitswahlrecht vor. Das bedeutet, dass die Umsetzung notwendiger gesetzlicher Reformen Kompromisse zwischen zwei, künftig möglicherweise sogar drei Parteien im Nationalrat verlangt, denn die letzte absolute Mehrheit auf Bundesebene gab es für die Regierung Kreisky IV bis 1983.

Bei wichtigen Themen Kompromisse zu schließen ist Ausdruck des politischen Verantwortungsbewusstseins.

Johannes KopfJurist und AMS-Chef

Nachdem auch die Klimadebatte zunehmend emotionaler geführt wird, fand beim heurigen Forum Alpbach auf Initiative des Kontext Institutes ein sehr spannendes Diskursexperiment statt. Auch beim Klimathema gelingt es der Politik vielfach nicht, sich auf Reformen zu verständigen, obwohl sich die Wissenschaft weltweit über die Notwendigkeit von massiven Änderungen einig ist. Eine der Schlüsselfragen lautet: Kann „der Markt“ das Problem lösen? Oder brauchen wir starke staatliche Eingriffe, um eine drohende Klimakatastrophe zu verhindern?

Zusammen mit der Unternehmensberaterin Alice Schmidt bekam ich die Aufgabe, eine Rede – ähnlich eines TED-Talks – für starke Eingriffe vorzubereiten, die Industrievertreter Sabine Herlitschka und Sebastian Heinzel hatten die gegenteilige Aussage zu vertreten. Doch anders als bei der klassischen Oxford-Debatte ging es in der Folge nicht darum, wer am Schluss mit den besseren Argumenten das Publikum für sich gewonnen hatte, sondern offen zu bleiben, die Position der anderen Seite zu verstehen, das Gemeinsame zu erkennen und letztlich einen klugen Kompromiss zu finden.

Genau das ist es, was wir auch mit unserer Initiative mehrGRIPS zeigen wollten und was uns mit Wertschätzung und Verantwortungsbewusstsein auch gelungen ist. Wir haben, obwohl aus den unterschiedlichsten Überzeugungen kommend, kluge Reformvorschläge zu den wirklich wichtigen Themen Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und soziale Sicherheit gemeinsam vorgelegt.

Einen Kompromiss zu schließen heißt laut Duden, eine Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse zu erzielen. Es bedeutet also, die eigene Position da und dort nicht ganz durchsetzen zu können. Bei den wichtigen Themen Kompromisse zu schließen, ist aber alles andere als eine politische Schwäche, sondern im Gegenteil Ausdruck des mit dem Amt übernommenen Verantwortungsbewusstseins. Ich bin überzeugt. Österreich kann mehr. Auch Österreichs politisches System. Wir von mehrGRIPS unterstützen gerne.

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