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Kann Pam Kanzlerin? [Politik Backstage]

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Erste "Kanzlerin"-Rede: SPÖ Chefin Pamela Rendi-Wagner muss nach wie vor mit einer schwierigen innerparteilichen Konstellation fertig werden.
Erste "Kanzlerin"-Rede: SPÖ Chefin Pamela Rendi-Wagner muss nach wie vor mit einer schwierigen innerparteilichen Konstellation fertig werden.©News / Matt Observe
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Flankiert von den fünf roten Exkanzlern will sich Pamela Rendi-Wagner mit einer „Kanzlerin-Rede“ nun endgültig als SPÖ-Spitzenkandidatin inthronisieren. Ihre Performance als Oppositionschefin bleibt Nährboden für Gerüchte und hartnäckige Zweifel.

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Die weiteste Anreise hat Viktor Klima. Der ehemalige Finanzminister und Bundeskanzler in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre ist 2000 als VW-Spitzenmanager nach Argentinien übersiedelt und lebt, inzwischen im Ruhestand, weiter in der Nähe von Buenos Aires. Der 74-jährige Ex-SPÖ-Chef hat zugesagt, die 12.000 Flugkilometer lange Anreise auf sich zu nehmen, um seiner Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner einen besonders dringenden Wunsch zu erfüllen. Die rote Pam lädt nämlich am Sonntag, dem 27. März, zu ihrer ersten „Kanzlerin-Rede“ in die Aula der Wissenschaften in der Wiener Wollzeile.

Rendi-Wagner wurde seit Amtsantritt 2018 von den eigenen Parteigenossen sowohl öffentlich als auch hinter den Kulissen bis zuletzt immer wieder als SPÖ-Spitzenkandidatin und Parteichefin in Frage gestellt. Mit diesem Auftritt will sich die Chefin der größten Oppositionspartei nun endgültig als rote Kanzlerkandidatin inthronisieren.

Auf der Wunschliste der SPÖ-Regie stand so schon vor Wochen ganz oben: Ein bislang einmaliges Bild soll mehr sagen als tausend Politikerinnen-Worte. Wenn die erste Frau an der SPÖ-Spitze zur Kanzlerin-Rede schreitet, sollen alle jene Herren in der ersten Reihe sitzen und applaudieren, die es tatsächlich schon ins Kanzleramt geschafft haben.

Alle ehemaligen noch lebenden SPÖ-Regierungschefs haben ihr Kommen zugesagt: Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern.

Christian Kern ist der bislang letzte rote Hausherr am Wiener Ballhausplatz und Erfinder von Pamela Rendi-Wagner als seine Nachfolgerin an der SPÖ-Spitze. Ausgerechnet er hat die größte innere Distanz zu überwinden, sich in die erste Reihe zu setzen und seiner Nachfolgerin wohlwollenden Applaus zu spenden. Alles andere als ein Fan der aktuellen Parteichefin ist auch Alfred Gusenbauer.

Die vertrackte Familienaufstellung in jener Partei, die jahrzehntelang auf den Sessel des Regierungschefs abonniert schien, hat viele Gründe. Da sind zum einem sehr persönliche Verwerfungen. Der Machtübernahme von Christian Kern im Mai 2016 war ein brutaler Infight in der SPÖ vorangegangen, dessen Wunden bis heute noch nicht verheilt sind. Die „Liesinger Partie“ in der Wiener Partei trägt Kern & Co bis heute nach, dass mit Werner Faymann beim roten Hochamt des 1. Mai am Wiener Rathausplatz erstmals ein Parteichef von den eigenen Genossen ausgepfiffen wurde.

Christian Kern wiederum legte einen fulminanten Start als Kanzler hin und reüssierte mit seinem hochgelobten Plan A weit über die SPÖ hinaus.
Im Wahlkampf 2017 scheiterte er aber fulminant am jungen Herausforderer Sebastian Kurz, den er von Anfang an als Flachwurzler geringschätzte. Diese Niederlage hat er bis heute nicht verwunden.

Der Job des Oppositionsführer lag Kern freilich nicht. Im Herbst 2018 wollte er mit einem handstreichartigen Machtwechsel in der SPÖ noch einmal einen Coup landen. Hans Peter Doskozil sah sich schon damals als möglicher SPÖ-Chef, war für Kern aber ein No-Go. Er wartete daher die Kür von Doskozil zum burgenländischen Parteichef und Nachfolger von Landeschef Hans Niessl ab. Kurz danach überrumpelt Kern Mitte September 2018 die gesamte SPÖ nicht nur mit seinem Rücktritt, sondern auch mit dem offensiven Vorschlag für seine Nachfolge: Pamela Rendi-Wagner, auch privat eine enge Vertraute von Christian Kern und seiner damaligen Frau Eveline Steinberger.

Doskozil sah sich von Kern nicht zu Unrecht in eine Falle gelockt. Er trug Kern lange nach, dass dieser ihn in einem persönlichen Gespräch wenige Tage vor dem Machtwechsel im Burgenland über seine Pläne vollkommen im Dunkeln ließ, die er kurz danach umsetzte. Inzwischen fanden die beiden etwas zueinander. Doskozil schmückt sich mit Kern als wirtschaftspolitischem Berater.

Zwischen Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner ist sowohl privat als auch politisch das Porzellan zerschlagen. Die neue Parteichefin sagt dem Vorgänger im kleinen Kreis wenig Gutes nach. Auch Kern rückte total von ihr ab.

Denn Rendi-Wagner hat sich ausgerechnet mit seinen größten Widersachern verbündet. Als Parteimanager kürte sie Christian Deutsch, einen engen Weggefährten von Werner Faymann. Eine ihrer politisch engsten Vertrauten ist die zweite Parlamentspräsidentin Doris Bures, eine der Schlüsselfiguren der Liesinger Faymann-Partie. Alte Freunde wie Kern & Co hat die neue rote Hausherrin von ihrer Kontaktliste gestrichen.„Dass sich Rendi-Wagner, die ohne jede Hausmacht zur Partei-Chefin wurde, machtpolitisch innerhalb der SPÖ absichern wollte, ist ihr politisch nicht wirklich anzukreiden“, resümiert ein Partei-Insider nüchtern, der selbst mit der Faymann-Partie wenig am Hut hat. Schwerer und nachhaltiger wiegt, dass in der Partei viele Spitzenleute hinter vorgehaltener Hand nach wie vor ein Problem mit Rendi-Wagners politischer Performance haben.

Als sie jüngst in der „ZiB 2“ des ORF über das „Nichtstun der Regierung gegen die massive Teuerungswelle und die neue Coronawelle“ vom Leder zog, löste das nach Langem wohlwollendes Raunen in der Partei aus. „Sie hat erstmals deutlich gezeigt, dass sie auch kantige Oppositionspolitik und Emotionen beherrscht“, sagt ein langjähriger SPÖ­Spitzenfunktionär: „Es muss sich aber erst weisen, ob das nicht nur eine Eintagsfliege war.“

Die SPÖ liegt in Umfragen in den letzten Wochen zwar um einige Prozentpunkte vor der ÖVP. Die von der Parteizentrale in der Löwelstraße ausgegebene Parole, eine Kanzlerin Pamela Rendi-Wagner sei in unmittelbarer Reichweite, wird in der SPÖ noch lange nicht von allen geteilt.

In den vergangenen Wochen machten so auch vermehrt Gerüchte die Runde: Christian Kern biete sich intern an, den Job des Spitzenkandidaten zu übernehmen, um den greifbaren Wahlsieg abzusichern. Auslöser für diese Ondits waren zum einen vermehrte politische Wortmeldungen Kerns in Talkshows und Gastkommentaren. Auch die Trennung von seiner Frau wurde als Indiz für ein mögliches Polit-Comeback genommen. Eveline Steinberger war SPÖ-intern dafür bekannt, vehement gegen einen Wiedereinstieg in die Politik zu sein. Der umtriebige PR-Unternehmer und Kern-Vertraute Rudi Fußi provozierte Anfang Dezember mit einer „Kanzler-Rede“ Berichte, mit einer eigenen Liste anzutreten. Das nährte zudem Gerüchte, Kern und Fußi könnten gemeinsame Sache machen. Kern lässt auf Nachfrage wissen, dass er beruflich mehr als ausgelastet sei.

Er werde es sich aber weiterhin nicht nehmen lassen, sich politisch inhaltlich zu äußern. Fußi ist immer für Überraschungen gut, sagt ein Spitzengenosse im Wiener Rathaus: „Am liebsten wäre es ihm, er würde mit seinem Engagement in der SPÖ Platz und Spielraum finden.“ Der Polit-Aktivist selber lässt sich derzeit noch alles offen. Nährboden für dieses Amalgam aus Gerüchten und Planspielen ist wohl, dass Rendi-Wagners Autorität als Parteichefin und ihre Glaubwürdigkeit als erfolgreiche SPÖ-Kanzlerkandidatin parteiintern nach wie vor zu wünschen übrig lassen.

„Bei diesem Zustand der Regierung müssten wir längst über 30 Prozent der Stimmen liegen“, sagt ein früherer SPÖ-Minister: „Wir halten derzeit zwar unsere Wähler, aber schaffen es nicht wie einst Kurz, neue Wählerschichten für uns zu gewinnen.“ Erklärte Anhänger der Parteichefin wenden ein: „Viele Wähler sind noch im Wartesaal. Klassische sozialdemokratische Themen wie Kampf gegen die Teuerung und faire Verteilung haben Hochkonjunktur.“

Genau darin sehen auch SPÖ-Spitzenleute mehr denn je das Schlüsselproblem von SPÖ-Frontfrau Rendi-Wagner. Bislang gelinge es ihr und ihrem Team nicht, die aufgelegten Elfmeter politisch zu verwandeln.

Selbst in höchsten Kreisen des Wiener Rathauses, wo der mächtigste Mann der SPÖ, Michael Ludwig, den Ton angibt, hält sich so weiter hartnäckig folgende Einschätzung: In einem Wahlkampf könnte selbst ein durchschnittlicher Amtsinhaber wie Karl Nehammer dank Kanzlerbonus zu einer großen Hürde für Rendi-Wagner bei der Rückeroberung des Ballhausplatzes werden. Das vermag hartgesottene Strategen im Wiener Rathaus dennoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Es klingt zynisch, macht aber aus Sicht der Wiener Genossen durchaus Sinn: „Ein guter zweiter Platz im Bund schadet uns weniger als jemand im Kanzleramt, der nicht performt.“ Sprich: Besser eine solide rote Vizekanzlerin als gefährlicher Gegenwind vom Ballhausplatz.

Denn für die wichtigste Stütze von Rendi-Wagner, die Wiener SPÖ, zählt am Ende primär: Die absolute Mehrheit ist derzeit nur für einen wieder zum Greifen nah wie einst in den goldenen roten Jahren am Ballhausplatz – für Bürgermeister und SPÖ-Wien-Parteichef Michael Ludwig bei der nächsten Wien-Wahl 2025.

Der Autor

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Josef Votzi © trend Wolfgang Wolak

Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend verfasst er jede Woche "Politik Backstage".

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