Eine Diskussion, die wir uns schon lange sparen könnten: die der Technologieoffenheit und ob E-Fuels eine Alternative zur E-Mobilität sind. Ein Gastkommentar vom E-Mobilitätsexperten und Smatrics-CEO Hauke Hinrichs.
„Technologieoffen“ steht offiziell zur Wahl für das Unwort des Jahres. Durchaus passend. Der Ausgang ist zwar noch offen, was allerdings feststeht, ist: In Zusammenhang mit der Mobilität der Zukunft heißt „Technologieoffenheit“ nichts anderes als „Beliebigkeit“.
Der Zug ist längst in Richtung E-Mobilität abgefahren. Das zeigen sowohl die Zulassungen als auch der Ausbaustand bei der Infrastruktur. Auch für den Schwerverkehr gibt es bereits E-Modelle und passende Ladelösungen. Sogar der Papst elektrifiziert seinen Fuhrpark. Warum also die Diskussion um das verklärte Potenzial von E-Fuels aufwärmen, wenn jegliche Argumentation ohnehin immer den Nebensatz „auf lange Sicht“ beinhaltet?
Beliebigkeit können wir uns nicht leisten, wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen. Mit einem Blick auf die Zahlen wird der Vorteil der E-Mobilität sichtbar: Im Vergleich zu E-Fuels sind batteriebetriebene Fahrzeuge sechsmal effizienter. Umgerechnet kann ein Windrad 3.000 E-Autos oder 500 Autos, die mit E-Fuel betrieben werden, versorgen. Auch hat sich die Zahl der E-Autos in den letzten drei Jahren fast vervierfacht. Elektrofahrzeuge produzieren im Betrieb keine lokalen Emissionen, während E-Fuels bei der Verbrennung immer noch Abgase erzeugen. Auch die Automobilhersteller haben sich entschieden und ihre Umstiegspläne auf E-Fahrzeuge bereits kommuniziert.
E-Mobilität auf Erfolgskurs
Warum sich mit halbherzigen Lösungen zufriedengeben? Ja, um die Mobilitätswende und unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir jede Möglichkeit nutzen. Das heißt aber nicht, dass wir dies erratisch tun sollen. Halbherziges Vorgehen aufgrund fehlender Klarheit bringt uns nicht schnell genug voran, und die Zeit drängt.
Die E-Mobilität befindet sich bereits in ganz Europa auf Erfolgskurs. Wenn man andere Länder betrachtet, wird klar, wie positiv sich eine dringend notwendige Technologieklarheit auf den Fortschritt auswirken und die Mobilitätswende beschleunigen kann: Norwegen will ab 2025 keine neuen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr verkaufen.
Das führt auch zu einem starken Anschub der Elektromobilität: Inzwischen entfallen 60 Prozent der Neuzulassungen auf vollelektrisch angetriebene Autos, weitere 15 Prozent auf Plug-in-Hybride. Damit ist Norwegen im EU-Vergleich auf Platz Nummer eins des „EV Readiness Index“. Österreich liegt hier ex aequo mit Großbritannien, Schweden und Luxemburg auf Platz drei. Warum sollten wir diese Position leichtfertig aufgeben, wenn wir schon so weit gekommen sind?
E-Fuels haben in einigen Fällen durchaus ihre Berechtigung. In der Luftfahrt können sie eine Möglichkeit für die Dekarbonisierung dieses Verkehrsträgers liefern. Die E-Mobilität ist aber schon zu weit ausgereift und bietet zu viele Vorteile im Individualverkehr und mittelfristig auch im Nutzfahrzeugsegment, als dass es sich lohnen würde, die Tür dorthin zu verkleinern.
E-Mobilität kann noch mehr
E-Mobilität ist zudem nicht nur ein wichtiger Teil der Mobilitätswende, sondern auch der Energiewende. Der Ausbau der Erneuerbaren führt dazu, dass die höhere Volatilität dieser Energieträger auch mehr Speichermöglichkeiten fordert.
Die Technologie zur Rückspeisung von E-Fahrzeugen in die PV-Anlage eines Hauses gibt es seit mehr als zehn Jahren. Sogenannte Smart-Charging-Ökosysteme werden es in Zukunft ermöglichen, Ladevorgänge sowohl für Fahrzeugbesitzer als auch für das Stromnetz effizient und optimal zu gestalten. Energiequellen können so intelligent genutzt, Kosten minimiert und Belastungen im Stromnetz reduziert werden.
E-Autos als Speicher auf vier Rädern sind somit eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Speichervarianten und können die benötigte Flexibilität für die Netze bringen. Mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien können die Kosten für die Stromerzeugung sinken, was auch E-Fahrzeuge langfristig kosteneffizienter macht.
Der Marathon zur Klimaneutralität bis 2040 kann nur dann bewältigt werden, wenn wir fokussiert und ohne Umwege weiterlaufen. Abzweigungen nehmen oder gar Rückwärtslaufen mit dem Argument der Technologieoffenheit bringen uns dabei nicht über die Ziellinie.
Der Gastkommentar der trend.PREMIUM vom 8. Dezember 2023 entnommen.