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Klimaökonomin Stagl: „Das ist komplettes Politikversagen“

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5 min

Die Wissenschafterin des Jahres 2024 Sigrid Stagl

©APA/HELMUT FOHRINGER
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Vor allem durch eine Reduktion von Klima- und Umweltförderungen soll das Budget saniert werden, so der Plan von FPÖ und ÖVP. Der Klimabonus wird ebenfalls abgeschafft. Österreichs Wissenschafterin des Jahres 2024, die Klimaökonomin Sigrid Stagl, lässt an diesem Vorhaben im trend-Interview kein gutes Haar übrig: „Ich hatte gehofft, die Wirtschaftskompetenz der ÖVP wäre größer“.

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Ist Klimaschutz ein Luxus, den sich ein Land leisten können muss?

Sigrid Stagl

Nein. Beim Klimaschutz geht es darum, die Lebensgrundlagen zu erhalten und damit auch die Grundlagen für erfolgreiches Wirtschaften. Instabiles Klima bedeutet Zerstörung von Infrastruktur, es bedeutet die Notwendigkeit, häufiger Wirtschaftsmodelle und Geschäftsmodelle umzustellen, und das kostet.

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Nicht gespart werden soll etwa bei Subventionen im Verkehrssektor, wie dem Dieselprivileg.

Sigrid Stagl

Bei solchen klimaschädlichen Subventionen anzusetzen, wäre sinnvoll gewesen. Was man jetzt macht, ist, dass klimaschädliches Handeln wieder relativ günstiger wird. Bei einer Budgetkonsolidierung ist klar, dass Subventionen, die gesellschaftlich ein nicht-wünschenswertes Ergebnis liefern, nämlich zum Klimawandel beitragen, zurückgefahren werden müssen. Das hat man nicht gemacht, weil man vermutlich Klientelpolitik betreibt und sich davor fürchtet, an der Wahlurne abgestraft zu werden.

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Haben Sie damit gerechnet, dass die Budgetkonsolidierung so ausgestaltet wird?

Sigrid Stagl

Ich habe es befürchtet. Aber ich hatte gehofft, die Wirtschaftskompetenz der ÖVP wäre größer. Leider hat die kurzfristige Perspektive, die wirtschaftliche Fähigkeit systemisch und rational zu denken, übertrumpft.

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Welche der Sparmaßnahmen im Klima- und Energiebereich könnten die größten negativen Auswirkungen die Wirtschaft haben?

Sigrid Stagl

Wenn zwei Milliarden Euro an Klimabonus nicht mehr ausbezahlt werden, haben österreichische Haushalte zwei Milliarden Euro weniger verfügbares Einkommen, und das werden alle merken. Wenn die Förderungen für Heizkesseltausch zurückgenommen werden, wenn Steuersenkungen für Photovoltaikanlagen zurückgenommen werden, trifft das jene Branchen stark. Und das sind genau die Industrien, von denen man immer gesagt hat, das sind die grünen Jobs, das sind die zukunftsorientierten Industrien, die sollen gefördert werden. Dieser Zickzackkurs ist wirklich fatal für die Wirtschaft.

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Laut ÖVP-Klubobmann Wöginger wird die grüne Transformation nun „geglättet“ und auf „ein normales Maß“ angepasst. War es bisher unnormal fortschrittlich?

Sigrid Stagl

Ich habe mich sehr über diese Aussage geärgert. Da geht es darum, den gesellschaftlichen Diskurs zu verändern. Das stößt in die Richtung, dass es ein Versprechen gäbe, wenn ihr uns wählt, dann wird es so weitergehen wie bisher. Das ist eine Lüge, denn diese Option gibt es nicht. Es gibt zwei Pfade: Entweder wir handeln proaktiv, vorausschauend und innovationsorientiert für unsere Wirtschaft. Oder weil das Klima sich verändert, wird unsere Infrastruktur zerstört, müssen unsere Produktionsweisen immer häufiger angepasst werden, und wir werden Strafzahlungen leisten müssen. Also Kosten kommen auf alle Fälle auf uns zu. Die Frage ist nur, welchen von diesen zwei Pfaden wir beschreiten. Die Berechnungen zeigen klar, dass Nicht-Handeln teurer und unangenehmer ist.

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Eines Ihrer Zukunftsbilder ist eine Marktwirtschaft, in der die Regeln so ausgerichtet sind, dass sich nachhaltiges und klimafreundliches Handeln betriebswirtschaftlich auszahlt. Ist Österreich davon einen Schritt weggerückt?

Sigrid Stagl

Ja, eindeutig. Jemand muss mir erklären, wieso man das tut. Man tut den Unternehmen nichts Gutes damit. Man suggeriert jetzt ein paar Jahre lang, ihr könnt so tun, als ob der Klimawandel kein Problem für uns wäre. Gleichzeitig verändern sich aber die internationalen Märkte. Das war auch bei der E-Mobilität in Europa so. Da hat es jahrelang einen politischen Schulterschluss mit den Verbrennungsmotor-Herstellern gegeben, dann hat es Förderungen gegeben und jetzt werden aufgrund der Schuldenbremse die Förderungen zurückgenommen. So ein Zickzackkurs ist betriebswirtschaftlich höchst unerfreulich. Als Unternehmer würde ich mich wirklich veräppelt fühlen. Das ist komplettes Politikversagen.

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