Das Zerwürfnis zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne um das EU-Renaturierungsgesetz führt nicht zu einem Ende der türkis-grünen Koalition.
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Das hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montagnachmittag in Brüssel klargemacht. "Die Emotion wäre da" für ein Koalitionsende, aber er habe "die Verantwortung als Bundeskanzler für einen geordneten Weg" bis zur Nationalratswahl zu sorgen, sagte Nehammer vor Journalisten.
Der Bundeskanzler sprach von einem "mehr als schweren Vertrauensbruch" und einem "krassen Fehlverhalten" des Grünen Koalitionspartners, der "sein wahres Gesicht gezeigt" habe. Dieser Rechtsbruch werde mit der angekündigten Nichtigkeitsklage gegen den EU-Beschluss vor dem EuGH und der Anzeige gegen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wegen Amtsmissbrauch geahndet. Aber auch wenn manche ein Koalitionsende erwarten würden, "ich werde das nicht tun", sagte Nehammer.
Das sogenannte "freie Spiel der Kräfte" ohne fixe Mehrheiten im Nationalrat habe es bereits einmal gegeben, dies habe Milliarden an Kosten für die Steuerzahler gebracht. Dieses Chaos werde er nicht noch einmal zulassen. "Ich werde diese Bundesregierung bis zum 29.09 anführen", betonte er mit Blick auf die in drei Monaten geplanten Nationalratswahl. Notwendige und wichtige Vorhaben werde er soweit umsetzen, wie es mit dem Koalitionspartner möglich sei.
Reaktion des Vizekanzlers
Betont gelassen reagierte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf Nehammers Aussagen. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", meinte er am Donnerstag Abend bei einer Pressekonferenz zu Gewesslers Vorgehen. Sämtliche Schritte seien mit Gutachten untermauert worden. Und: "Wir würden es jeden Tag genauso wieder machen." In der Regierung habe es aber schon viele schwierige Momente gegeben, so Kogler. "Und wir haben uns immer wieder zusammengerauft aus Verantwortung für Österreich."
Auch als Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zurückgetreten sei, sei es in der Koalition nicht harmonisch zugegangen, erinnerte Kogler. Aber es habe einen guten Zusammenhalt gegeben. "Das wird auch jetzt so sein." Es würden noch zig Gesetze im Nationalrat liegen, erinnerte der Vizekanzler - auch solche, die der ÖVP wichtig seien. So sei man etwa in Sachen Sicherheitsstrategie und Sky Shield in gutem Austausch. Die Emotionen wollte Kogler dem Kanzler nicht absprechen. Auch die Grünen hätten aber solche, wenn es um den Schutz der Natur gehe.
"Veritable Regierungskrise"
Für massive Verärgerung bei der ÖVP hatte gesorgt, dass Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der Früh gegen den Willen des Koalitionspartners sowie aller Bundesländer mit Ausnahme von Wien und Kärnten im Rat der EU-Staaten für das EU-Renaturierungsgesetz stimmte. Die ÖVP hatte daraufhin angekündigt, eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen und Gewessler wegen Amtsmissbrauchs anzuzeigen. Es bestehe der Verdacht, dass die Grüne Ministerin mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung "rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt - dies begründet Amtsmissbrauch", begründete dies ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Laut Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, der die Verfassung für die Mitglieder der Bundesregierung auslegt, sei die Ministerin an die ablehnende Stellungnahme der Bundesländer gebunden, so Stocker. Gewessler müsse ihre "Privatgutachten" veröffentlichen, forderte er zudem. Am Nachmittag kam das Klimaministerium dieser Forderung nach und veröffentlichte die Gutachten auf seiner Homepage. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler warf Gewessler zuvor "Verfassungsbruch" und sprach von einer "veritablen Regierungskrise".
Nehammer lasse sich "von den Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen", höhnte FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der einen Misstrauensantrag gegen die grüne Ministerin im Nationalrat ankündigte. "Was wir heute sehen ist der traurige Schlusspunkt einer ÖVP-Grünen Bundesregierung, die in den letzten Jahren vor allem gegeneinander gearbeitet hat", meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler befand, dass nur seine Partei Gewessler die Zustimmung ermöglicht habe. Der ÖVP warf er vor, Österreich in Europa zu blamieren.