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Werner Kogler überraschte vergangenen Mittwoch gleich doppelt. Auf der Tagesordnung stand eine Regierungserklärung aus Anlass der 14. Kabinettsumbildung seit Start von Türkis-Grün vor knapp zweieinhalb Jahren.
Der grüne Vizekanzler, der als ausschweifender Redner gefürchtet ist, hielt sich für seine Verhältnisse kurz. Und: Er streute den scheidenden und neuen ÖVP-Ministern und Staatssekretären einen auffällig großen Strauß Rosen.
Die Lobeshymne auf den Koalitionspartner ist Werner Kogler, der auch seine Parteifreunde immer wieder mit Spontanaktionen überrascht, freilich nicht passiert. Werner Kogler ist schon seit Wochen gegenüber dem Koalitionspartner auf Samtpfoten unterwegs - vor allem nach innen hin sendet der Grünen-Chef, wo immer er kann, besonders freundliche Signale Richtung Schwarz-Türkis.
Die regierungsinterne Good-Will-Tour hat vor allem zwei Gründe. Kogler wurde in der ÖVP anfangs als der "nette Werner von nebenan" unterschätzt. Das hat sich seit der Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt Ende des Vorjahrs wegen des Verdachts der Inseratenkorruption gegen Sebastian Kurz &Co. schlagartig geändert. Nach einem Tag Nachdenkpause stellte der kleine Koalitionspartner die ÖVP vor die Alternative, entweder den Regierungschef auszutauschen oder einen erfolgreichen Misstrauensantrag samt anschließenden Neuwahlen zu riskieren. Die VP-Parteigranden entschieden sich zähneknirschend, nicht die geliebte Vorherrschaft im Land aufs Spiel zu setzen, und opferten ihren einstigen Superstar. Zurück blieb -vor allem bei den nach wie vor vielen Kurz-Fans im schwarztürkisen Regierungsviertel - nicht nur eine tiefe Verbitterung. Der Grünen-Chef gilt seither in der ÖVP als fahrlässig unterschätzt, jeder neue politische Wunsch wird daher mit entsprechend großem und nachhaltigen Misstrauen behandelt.
Zur generellen Phobie vor "grünen Legern" im Lager der Schwarzen kommt eine neue Front, die machtpolitisch noch schwerer wiegt. In ÖVP-Wirtschaftskreisen schlägt die steigende Skepsis gegenüber den Plänen von Klimaministerin Leonore Gewessler in massive Gegnerschaft um. Seit dem Aus für den Lobautunnel gilt die ehemalige Global-2000-Chefin in der ÖVP endgültig als kompromisslos, verbohrt und primär ideologisch getrieben. Dieses Narrativ gewann schon davor bei vielen offenen Fragen zwischen Klimapolitik und Wirtschaft an Fahrt: vom Ringen um eine Reduktion der Einweg-Plastikflaschen bis zur Suche nach einem gemeinsam gangbaren Weg, bis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie umzusteigen.
Seit dem 24. Februar ist die ehemalige Grün-Aktivistin, die mit dem Infrastruktur- und Klimaministerium dem grünem Superministerium vorsteht, durch den Ukraine-Krieg auch als Krisenmanagerin gefordert. Österreichs Wirtschaft ist seither durch ein mögliches Gas-Embargo durch Russland nachhaltig alarmiert.
Das hat den Frust über Gewessler vor allem in der Industrie noch mehr befeuert. Die energieintensiven Betriebe rannten der Politik die Türen mit der Frage nach Krisenplänen bei einem totalen Gas-Stopp ein. "In den ersten Wochen hat sich die Klimaministerin weggeduckt. Dann hat sie versucht, die Krise als Rückenwind für den noch rascheren ökologischen Umstieg zu interpretieren", sagt ein ÖVP-naher Industrieller.
Der studierte Volkswirt Werner Kogler hatte sich schon vom Start der Regierung weg auch als eine Art grüner Wirtschaftsminister verstanden. Kogler beschreibt im kleinen Kreis gerne die grüne Transformation der Industrie als sein "Lebensthema" seit Uni-Tagen: "Wir haben viele Industrien, die bereits sauberer arbeiten als andere. Diese wollen wir hier halten und auch einen Rahmen schaffen, wie Österreich noch mehr Vorreiter in Sachen der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie werden kann."
Kogler baute nicht nur einen guten Draht zum damaligen Finanzminister und engsten Kurz-Vertrauten Gernot Blümel auf. Er verhandelte so auch die Corona-Hilfspakete für die Wirtschaft federführend mit. Der grüne "Wirtschaftsflüsterer" bekam so auch den Frust und die Kritik an seiner grünen Vorzeige-Ministerin mit. Der politische Vollprofi weiß, dass der Frust auf Sicht in massiven Gegenwind umschlagen kann. In den letzten Monaten baute Kogler daher noch mehr Wirtschaftstermine in seinen Terminkalender ein. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hat der Grünen-Chef ohne großes öffentliches Aufsehen zwei österreichische Paradebetriebe besucht, die bei einem Gas-Embargo besonders bedroht wären.
Kogler war nicht nur Ehrengast bei der Eröffnung einer Recyclinganlage des Feuerfeststoff-Konzerns RHI im steirischen Mitterdorf. Er stattete kurz danach auch der Voest in Leoben einen Besuch ab.
Ein grüner Stratege sagt: "Das war auch als ein klares Signal gedacht: Wir lassen die Industrie in der Gas- Frage nicht im Stich." Ein - auch aus Sicht des Grünen-Chefs - besonders heikler Termin stand kurz vor Ostern im Kalender des Vizekanzlers. Kogler nahm an der Sitzung des Vorstands der Industriellenvereinigung (IV) teil.
Dem einflussreichen Gremium gehören alle Spitzen der heimischen Industriebetriebe an. Teilnehmer, die schon öfter mit Kogler zu tun hatten, erlebten den Grünen-Chef auffällig angespannt. "Er konnte zwar nicht alle offenen Fragen beantworten und Bedenken ausräumen", resümiert ein Teilnehmer: "Aber das Signal, dass die Grünen sich weiterhin nicht als Gegner, sondern als Partner der Industrie verstehen wollen, ist angekommen."
Mit der Wirtschaftskammer legte sich Kogler gerne auch öffentlich an. Die Kammerfunktionäre hätten Putin bis vor Kurzem nicht nur hofiert, lästerte er jüngst, sondern "den roten Teppich samt Schleimspur gelegt". Die Grünen mieden selbst dann einen öffentlichen Konter, als IV-Präsident Georg Knill kürzlich einen Energie-Staatssekretär im Kanzleramt forderte, weil die Betriebe bei der Klimaministerin ins Leere laufen würde.
Auf besonders gute Beziehungen zur Industrie legt der Grünen-Chef auch deshalb wert, weil die IV hinter den Kulissen am roten Teppich Richtung einer Regierungsbeteiligung der Grünen in der ÖVP entscheidend mitwebte. Schon vor der Wahl 2019 wurden in Absprache mit Kurz in Arbeitsgruppen zwischen türkisen und grünen Emissären das Terrain für Gemeinsamkeiten und ein mögliches Regierungsprogramm sondiert. Nach der Implosion von Türkis-Blau galt damals noch eine Dreier-Koalition inklusive der Neos als wahrscheinlichste Regierungs-Option. Als die Mehrheit dann überraschend auch für ÖVP-Grün reichte, lohnten sich die diskreten Sondierungen der IV doppelt.
Aber in der Industrie hat sich inzwischen Ernüchterung breit gemacht. "Im Moment überwiegt bei uns der Eindruck: "Das Land kippt in die alte Normalität, wo weitergewurschelt, aber nichts entscheidend weitergebracht wird", sagt ein gewichtiges Mitglied im IV-Vorstand: "Es gibt aber keine Wendestimmung, auch weil es absehbar keine prickelnden Alternativen gibt."
Eine Dreier-Koalition Rot-Grün-Pink, das Lieblingsbündnis der Chefin der größten Oppositionspartei, wird in Industriekreisen alles andere als wünschenswert gesehen, zumal auch die Führungsqualitäten von Pamela Rendi-Wagner als überschaubar eingeschätzt werden.
Koglers Charmeoffensive dürfte zumindest so weit Wirkung gezeigt haben, dass Gespräche mit dem grünen "Industrieversteher" weiterhin als sinnvoll angesehen werden. "Bei Gewessler macht sich bei uns zunehmend die Stimmung breit, dass auch persönliche Kontakte nichts bringen. Sie ist nicht fassbar und bleibt auch in direkten Gesprächen immer auf der Metaebene. Sie macht hinterher weiterhin, was sie will."
Der Terminkalender des grünen Vizekanzlers wird sich daher wohl mit neuen Wirtschaftsterminen anreichern. Denn, so resümiert ein schwarzer Wirtschaftsvertreter: "Werner Kogler ist alles in allem viel pragmatischer und verständnisvoller, auch für Bedürfnisse von Wirtschaft und Industrie."
Der Autor
Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend verfasst Josef Votzi jede Woche "Politik Backstage".
Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 25.05.2022 entnommen.